Monika Herrmann hat die Unordnung für sich entdeckt

Kurz vor Schluss und nach sieben Jahren an der Spitze des Berliner Bezirks Friedrichshain- Kreuzberg, ist Monika Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) noch etwas eingefallen. In ihrem Bezirk hat sie neuerdings zwei Probleme bemerkt: Verwahrlosung und Vermüllung. Warum brauchte sie so lange?

imago images / Piero Chiussi

An allem ist Corona schuld. In den vergangenen Monaten gab es laut Herrmann »eine zunehmende Beschwerdelage« wegen Mülls und Verwahrlosung im Berliner Party-Bezirk. Dieser Bocksgesang schwoll offenbar so stark an, dass man ihn nicht mehr überhören konnte. Außerdem gab es ja – auch coronapolitikfolgenbedingt – weniger ausländische Partygäste. So schloss Herrmann messerscharf, dass diese neue Vermüllung und Verwahrlosung von den ständigen Bewohnern des Bezirks herrühren musste – oder zumindest von manchen von ihnen, die schnell in den neuen Party-People ausgemacht sind. Die Feten, die mangels offener Clubs in der Kreuzköllner Hasenheide gefeiert werden, sind inzwischen schon legendär unter den noch etwas jung Gebliebenen. Kaum einer war da, aber man hat gehört, dass es dort abgehen soll.

Berlin
Zeit für den Rücktritt, Monika Herrmann
Bei Herrmann klingt indes eine leichte Ausländerkritik an, sie spricht von »europäischen Touristen«, die sonst »durch den Bezirk mäandern« und jetzt nicht da sind. Will sie einen nationalen Flügel bei den Hauptstadtgrünen aufbauen, nach dem Vorbild von Lafontaine und Wagenknecht? Oder wären ihr vielleicht Nicht-Europäer lieber? Doch das Problem ist irgendwie das gleiche, egal ob es nun mäandernde Europäer, schwankende Berliner oder euphratisierende Zuwanderer sind, die Müll und Verwahrlosung zu verantworten haben. Immer bleibt es ein Thema, das ein Bezirk und eine Stadt bewältigen muss.

Worauf also hat Herrmann so lange gewartet? Hat wirklich erst die Coronapolitikfolgenkrise ihre Wahrnehmung geschärft? Oder liegt es daran, dass sie inzwischen nach Höherem strebt? Angeblich fühlt sie sich von der Berliner Verkehrspolitik herausgefordert, so sehr, dass sie über einen Wechsel in die Berliner Landespolitik nachdenkt. Die Grünen meinen, mit Frau Herrmann in der Landesverkehrspolitik würde das »doch gut passen«. Ja, etwa so gut, wie ein Poller in eine Stoßstange passt …

Nun wissen wir schon, wie grüne Großstadt-Verkehrspolitik aussieht. Verbauen, verbauen, verbauen: Das ist spätestens seit Florian Schmidt (auch Grüne) das inoffizielle Motto, mit dem Anti-Auto-Straßenpoller und Gittern als Maskottchen. Freilich ist Herrmanns Entscheidung noch nicht sicher: »Ich schwanke zwischen kompletter Ruhe und anders Politik machen.« Von hier aus eine Stimme für eine möglichst vollständige Beruhigung dieser Frau. Das Frauenzentrum Begine in Schöneberg könnte vielleicht noch eine neu-alte Chefin mit etwas mehr Erfahrung gebrauchen.

Der Görli ist nicht mehr Herrmanns Kifferpark

In ihrem Büro hat die rasende Bezirksoberste nun eine Karte angefertigt, auf der allerlei Punkte in verschiedenen Farben für diverse Möglichkeiten der Vernachlässigung und Verschmutzung stehen: durch Partymacher, Drogenkonsum oder auch Obdachlose, neudeutsch »Homeless People«. Das ist offenbar das bunte Berlin. Vor allem vom Görlitzer Park und seiner Entwicklung gibt sich Herrmann entsetzt: Das ist »nicht mehr der Kifferpark«, den sie einst kannte und schätzte (zumindest solange sie nicht bei Nacht hinein musste). Harte Drogen, sogar Heroin würden dort heute vertickt.

Die Grüne will offenbar die Notbremse ziehen, dabei hatte sie einst doch schon das Verkaufspersonal durch ihre Pro-Asyl-Haltung mitorganisiert. Nun beklagt sie unmögliche Bedingungen für ihre Sozialarbeiter. Die Zahl der Drogendealer sei zwar zuletzt nicht mehr gewachsen, deren Gewaltbereitschaft aber sehr wohl. Ähnlich wie konservative Politiker fordert Herrmann nun eine gesamtberliner Strategie gegen das hauptstädtische Drogenproblem. Man brauche eine Stadtkarte mit allen Orten, an denen gedealt wird: »Berlin hat keinen Überblick darüber.« Auf die Feststellung der Hotspots soll dann – geht es nach Herrmann – die Bereitstellung von Sozialarbeitern und Therapieplätzen folgen. Therapie direkt vor Ort? Das nennt sich wohl Optimismus.

Ein unglaublich lustiges Interview
Sechs Jahre Realsatire im Berliner »Kreuzhain«: Grüne Bürgermeisterin Monika Herrmann
die Vermüllung: Als Gesamtkosten sieht Herrmann für dieses Jahr 900.000 Euro voraus, das wäre dann die Hälfte des bezirklichen Grünflächenetats (zum Vergleich: 2016 lagen die Kosten bei nur 447.000 Euro, und der Bezirk sah auch nicht viel schlimmer aus als heute). Herrmann wünscht sich nun eine generelle Übergabe der Parkreinigung in Landeshand. Genau: Kosten, die einem zuviel sind, müssen immer konsequent auf die nächsthöhere Ebene geschoben werden. Von Subsidiarität hat diese Großstadtpflanze leider nicht viel gehört oder verstanden.

Zudem findet sie eine wunderbar schnoddrige Formulierung für ihre Berliner: »Ich erwarte von den Leuten, dass sie ihren Dreck wieder mitnehmen.« Da ist sie wieder, die große Schnauze. Aber dahinter findet sich kaum ein geniales Organisationstalent, das die Leute vielleicht sogar auf intelligente Weise dazu brächte, »ihren Dreck« mitzunehmen. Die Hinterbank, auf der sich Herrmann dann als Wadenbeißerin der eigenen Parteiführung betätigen kann, scheint insofern genau das Richtige für sie.

Berlin muss schöner werden – und sicherer

Erst mal stellt sie aber als Bezirkschefin Forderungen an den Senat. Nur gut, dass dort Freunde von ihr regieren. Alle ihre Bitten müssten ihr also schleunigst erfüllt werden. Zum Beispiel: »Wir brauchen Präsenz und Streifen auf der Straße.« Herrmann will sogar die Rückkehr der Streifenpolizisten auf Kreuzberger Straßen: »Ich möchte ein, zwei Polizisten, die jeweils regelmäßig unterwegs sind.« Ist das die Rückkehr des Alt-Berliner Schutzmanns?

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Diskutiert wurde sogar »die permanente Präsenz von Funkwagen an bestimmten Hotspots«, so die Sprecherin der Bezirksbürgermeisterin. Aber auch bei solchen aus Sicht von Großstadt-Autonomen grenzwertigen Aussagen kann die grüne Volte nicht allzu fern sein, und so fügt die Sprecherin an: Niemand im Bezirk wolle, dass »nun permanent die Polizei durch die Straßen patrouillieren soll«.

Also in ihren Funkwagen dürfen die Beamten herumstehen, aber nicht im Kiez spazieren gehen und ein bisschen nach dem Rechten sehen? Die Grünen haben offenbar immer noch Probleme mit einer konsistenten Beschreibung nicht nur der Realität, sondern auch ihrer Konzepte für dieselbe.

Tatsächlich betrifft die Vermüllung keineswegs nur den früher ach so harmlosen Kifferbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Auch in westlicher gelegenen und eher bürgerlichen Stadtvierteln ist ein Trend zum Zumüllen der Öffentlichkeit festzustellen. Die städtischen oder bezirklichen Mittel dagegen – also Putzkolonnen und derlei – scheinen knapp zu sein, kommen häufig nicht mal mit der Leerung der Mülleimer nach. Im zentral zwischen Kreuzberg und Schöneberg gelegenen Gleisdreieckpark sind die Reinigungskosten in der Coronakrise angeblich um einen sechsstelligen Betrag gestiegen.

Ich empfehle der Hauptstadt jedenfalls die Teilnahme bei »Unser Dorf soll schöner werden«. Ein wenig Ordnung und Sauberkeit täten Berlin gut. Das würde sicher auch die öffentliche Moral erhöhen, vielleicht sogar das Wirtschaftswachstum. Vielleicht könnte auch dieses Argument langsam einmal in den Köpfen ankommen, ob sie nun links/grün benebelt sind oder nicht.

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Kommentare ( 107 )

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107 Comments
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mark davis
3 Jahre her

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DANKE
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Blackbird
3 Jahre her

Also ich war heute in Berlin mal wieder unterwegs am Platz „Kottbusser Tor“: Was man dort sieht, schockiert mich als schon länger in Berlin Lebenden nicht, dürfte aber manchem Touristen aus der Provinz die Schweißperlen auf die Stirn treiben: Menschen zwischen Müll auf der Straße sitzend und lebend, ausgemergelte verwahrloste Drogenabhängige, die um Geld betteln, generell viele irgendwie verrückt wirkende Leute, und neuerdings auch am „Kotti“: große Gruppen von jungen afrikanischen Männern, die sehr fit wirken, sehr viel Zeit zu haben scheinen, einem selbstbewusst in die Augen blicken und vermutlich gerne etwas verkaufen würden. Das ganze natürlich vor dem üblichen… Mehr

UnterdrueckteWahrheitenWerdenGiftig
3 Jahre her
Antworten an  Blackbird

Gute Schilderung der Situation!!

Jan Frisch
3 Jahre her

Zitat: „Also in ihren Funkwagen dürfen die Beamten herumstehen, aber nicht im Kiez spazieren gehen und ein bisschen nach dem Rechten sehen?“
Da hat sich ein falscher Kasus eingeschlichen, denn in stalinistisch regierten Städten und Ländern darf die Polizei nur noch „nach DEN Rechten sehen“.

Reinhard Schroeter
3 Jahre her

Doch da gibt es schon einige und es werden eher mehr.
Wenn man sich mal in Städten in Afrika gewesen ist oder einfach mal von Tel Aviv nach Betlehem gefahren ist, kann man ganz gut ermessen, dass es Menschen gibt, die genau in diesen Verhältnissen leben wollen.

herberlin
3 Jahre her

Ich wohne im Partyzentrum von Friedrichshain-Kreuzberg in der Nähe des Subkulturzentrums RAW-Gelände. Die Häuser sind beschmiert, die Straßen extrem vermüllt, teilweise zugestellt mit Sofas und Matratzen. Fr. Herrmann und das Ordnungsamt unternehmen nichts. Es gibt ein markantes Obdachlosenproblem durch osteuropäische Alkoholiker, die überall auf den Bürgersteigen und in Parks herumliegen. Fr. Herrmann und das Ordnungsamt unternehmen nichts. Es ist für sehr viele Menschen üblich geworden, an eine Wand vor unserem Haus zu urinieren oder andere Fäkalien zu hinterlassen. Fr. Herrmann und … genau, nichts. Überall ums RAW-Gelände, also auch vor unserem REWE stehen Drogenhändler, die meine Kinder im Teenageralter ansprechen.… Mehr

kasimir
3 Jahre her
Antworten an  herberlin

Als ehemalige Berlinerin möchte ich Ihnen mein Beileid aussprechen, liebe(r) herberlin. Ich kenne die Gegend um das RAW-Gelände sehr gut. Vor ca. 5-6 Jahren war damals ein Bierfestival auf dem Gelände. Auch damals hatte ich im Tagesspiegel immer mal von Raub und Überfällen nachts auf Mädchen gelesen (Warschauer Brücke genau so). Ist es Ihnen nicht möglich, wenigstens an den Stadtrand zu ziehen? Wir haben zum Schluß die letzten Jahre in Friedrichshagen am See gewohnt und es war sehr schön, fast nur Berliner dort… Natürlich mußte ich jeden Tag in den Wedding zur Arbeit, das war die Kehrseite der Medaille. Wir… Mehr

daldner
3 Jahre her
Antworten an  herberlin

Exakt so sieht es in und um den Altonaer Bahnhof aus (Hamburg). Polizisten steigen ungerührt über volltrunkene Osteuropäer hinweg, die in der Ottenseer Hauptstrasse in der Fussgängerzone herumliegen, gröhlen – und nachts auf die Bänke koten. Ein Müll, Lärm und Elend, dass man erbrechen könnte..

monsalvat
3 Jahre her

Jemand schrieb hier, man solle eine Mauer um den Bezirk bauen und die Grünen darin experimentieren lassen. Mal ganz davon abgesehen, daß das Wort „Mauer“ grade in Berlin ein Gmäckle hat, wie der Schwabe so schön sagt. Er verkennt aber dabei, daß ganz Deutschland und ganz Europa sich immer schneller da hin entwickeln (Die Briten können sich vielleicht noch retten). Berlin ist da nur ein ganzes Stück vorraus!

Montesquieu
3 Jahre her

Steht eigentlich noch das Denkmal für die nigerianischen Drogendealer? DAS wäre doch mal ein adäquates Objekt des Bildersturms.

EinDemokrat
3 Jahre her

Was kann man schon von einer SED regierten Stadt erwarten? Bestes Beispiel sind die heruntergekommenden Städte der DDR, was man ja unmittelbar nach der Wende sehen konnte. Und wie sieht’s in Berlin aus? Wahrscheinlich ähnlich wie in der ehemaligen DDR. Die Vorboten sieht man ja schon.
Liebe Berliner, bei der nächsten SED geführten Senatsregierung wird’s wohl nicht besser werden.

monsalvat
3 Jahre her
Antworten an  EinDemokrat

Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. In Bitterfeld. Da pellte sich der Putz an den Altstadthäusern ab wie Wurstpelle. Die Häuser waren grau bis schwarz. Da geht es auf lange Sicht hin in Deutschland. Der Sozialismus, ob grün oder rot führt am Ende immer in eine Katastrophe! Dann wird man wie heute sagen. Der Sozialismus ist gaanz was tolles. Wir haben es diesmal nur nicht richtig gemacht. Das nächste mal wird alles gut und alles geht von vorn los.

Schonclode
3 Jahre her

In Keuzberg stand der Dreck und die Verwahrlosung schon vor mehr als 10 Jahren bis zur Oberkante Unterlippe. Jetzt weitaus drüben. Sollen sie sich halt am ihren eigenen Dreck zu Grunde gehen. Sei es drum.
Aber was sind „mäandernde Europäer“? Wieder so ein grüner Wortmüll?

Montesquieu
3 Jahre her
Antworten an  Schonclode

Gehts um den eigenen Kiez werden die weltoffenen Bestmenschen zu militant exkludierenden Spießbürgern. In jedem linken Hirn gibt es zwei Persönlichkeiten: eine für ingroup, eine für exgroup.

daldner
3 Jahre her
Antworten an  Montesquieu

klarer Fall von Persönlichkeitsspaltung…. exkludieren…inkludieren… Ich konkludiere: selber Schuld Ihr Arm-aber-Sexy-Adepten. Oder um es mit einer Ex-Ministerin zu sagen: „Bätschi“!

Bernd Schulze sen.
3 Jahre her

Jetzt wo ihr Bezirk im Morast versinkt fühlt sie sich zu höheren berufen und möchte/soll ihre Unfähigkeit weiter verbreiten. Denn ein Ende ist nicht in Sicht. Ich bin mir Sicher, diese Missgeburt von Stadt (schon von den Ossis gehasst) wird als aussehen wie vor der Wende bzw afrikanischen Städten.