Ein neuer Kernreaktor geht in Betrieb – in Deutschlands Nachbarschaft

In der Slowakei geht ein zusätzlicher Kernreaktor in Betrieb. Das Design ist alt und sowjetischer Herkunft. Die drei deutschen Atomkraftwerke sind deutlich besser, werden aber voraussichtlich zum Jahresende stillgelegt. Von Wolfgang Kempkens

IMAGO/Imagebroker

Die slowakische Atomaufsichtsbehörde (ÚJD) hat die endgültige Genehmigung für die Inbetriebnahme des Blocks 3 des Kernkraftwerks Mochovce erteilt. Der Betreiber Slovenské elektrárne will in Kürze mit dem Beladen der Brennelemente beginnen. Damit wird ein Kernkraftwerk, dessen technisches Design weitgehend aus den Siebzigerjahren stammt und in der damaligen Sowjetunion entwickelt worden ist, wahrscheinlich noch in diesem Jahr in der Slowakei in Betrieb genommen. Der WWER 400 ist hinsichtlich der Sicherheit allerdings verbessert worden, einschließlich eines verstärkten Schutzes gegen den Aufprall von Flugzeugen und Notfallmanagementmaßnahmen, die auf den Lehren aus dem Unfall von Fukushima basieren. Trotzdem hinkt das Sicherheitskonzept dem der drei Kernkraftwerke weit hinterher, die Ende dieses Jahres in Deutschland stillgelegt werden sollen. 

Der Bau der vier Blöcke des Kernkraftwerks Mochovce, das 120 Kilometer westlich von Österreichs Ostgrenze und knapp 100 Kilometer nördlich von Ungarn liegt, begann schon 1986. 1998 und 1999 gingen die beiden ersten Blöcke mit einer Leistung von jeweils 471 Megawatt in Betrieb. Der Bau der Blöcke drei und vier wurde 1992 zunächst auf Eis gelegt, die Baustelle eingefroren. 2008 rückten die russischen Reaktorbauer dann wieder an, um die Blöcke drei und vier zu vollenden. Das hatte Enel beschlossen, der italienische Mehrheitseigentümer von Slovenské elektrárne.

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Der physische Start des Reaktors wird beginnen, sobald die Brennstoffbeladung abgeschlossen ist, bemerkte Martin Mráz, Direktor des Werks Mochovce. „Nach seiner Inbetriebnahme wird die Leistung des Reaktors allmählich erhöht. Wir brauchen ungefähr 18 Wochen, um die volle Leistung zu erreichen.“ Dann folgt ein 144-stündiger Demonstrationslauf bei Nennleistung. Wenn alle Systeme richtig arbeiten, wird die Anlage mit dem Netz synchronisiert und zunächst mit 20 Prozent der Nennleistung betrieben.

Beim Erreichen von 100 Prozent wird Mochovce 3 etwa 13 Prozent des gesamten Stromverbrauchs der Slowakei decken und den Anteil der Kernenergie am Strommix von 52 auf 65 Prozent erhöhen. Der Betrieb werde jährlich 2,6 Millionen Tonnen Kohlendioxidemissionen einsparen, so Mráz. „Nach dem Produktionsstart wird die Slowakei bei der Stromversorgung des Landes autark sein“, fügte er hinzu. Block vier werde im Frühjahr 2024 in Betrieb gehen.

Die österreichische Anti-Kernkraft-Bewegung Global 2000 hat vergeblich versucht, den Bau der beiden neuen Blöcke in Mochovce zu stoppen. Sie bemängelt unter anderem ein fehlendes Containment, also eine druckdichte Hülle aus Stahlbeton, die den Reaktor umschließt und im Störfall radioaktive Stoffe zurückhält. Außerdem sei die Auslegung für den Schutz vor Erdbeben nicht ausreichend. Global 2000 intervenierte bei der EU-Kommission, protestierte mit Aktionen und klagte gemeinsam mit anderen Organisationen vor dem slowakischen Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Vorgehen, ohne Erfolg. 2010 schloss die Slowakei das laufende Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren zu Mochovce 3 und 4 einseitig ab, „ohne die von Österreich eingebrachten Sicherheitsfragen vollständig zu beantworten“, klagen die Kernkraftgegner.

Ein Expertenteam der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien sagte 2021, der Betreiber habe die Betriebssicherheit von Mochovce 3 verbessert. Das Werksmanagement habe „erhebliche Fortschritte“ bei der Umsetzung der Empfehlungen einer früheren IAEO-Überprüfung gemacht. Die Behörde empfiehlt dem Betreiber von Mochovce allerdings, nicht nachzulassen und weitere Sicherheitsverbesserungen umzusetzen.


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Kommentare ( 17 )

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kasimir
1 Jahr her

Alle europäischen Länder sehen, daß sie sich energietechnisch aufrüsten. Nur Deutschland hat die rosa Brille auf.
Auch in Polen sind 2 neue Kernkraftwerke im Bau, eins davon sollte sogar noch in diesem Jahr eröffnet werden, das zweite in 2023.
Ich würde mir mal von „TE“ einen Artikel wünschen, wo ein Vergleich der europäischen Nachbarländer und deren aktuelle Situation zur Atomkraft dargestellt wird. Bei Wikipedia findet man dazu nur unvollständige bzw. veraltete Informationen.

Kermit
1 Jahr her

„Bitte, bitte liebe Nachbarländer, baut ganz viele neue Atom- und Kohlekraftwerke! Nicht nur in der Slowakei. Auch in Polen, Frankreich, den Niederlanden. Egal wo. Nur bitte so viele, dass uns blöden Deutschen im nächsten Winter nicht die Lichter ausgehen. Wir zahlen jeden Preis!“
gez. R.H. Bundesminister für Wirtschaftsvernichtung und Klimagedöns

kasimir
1 Jahr her
Antworten an  Kermit

Ähm, das wird uns (den Deutschen) nicht so viel nutzen. Denn Polen und Tschechien haben bereits vor Jahren Phasenschieber ins System eingebaut. Wenn es mal hart auf hart kommt, wird Polen sich zuerst versorgen und dann dicht machen. Nur wir selbst können uns helfen, in dem alle Kernkraftwerke wieder in Betrieb genommen werden und jetzt schnell noch Nordstream 2 aufgemacht wird.
Uns werden die hohen Preise, die wir zahlen müssen an unsere Nachbarn, im Ernstfalle nicht vor einem Black out bewahren…

Endlich Frei
1 Jahr her

Unverständlich, warum die sicheren deutschen AKWs trotz Stromkrise vom Netz gehen, während AKW russischer Bauart kurz hinter der Grenze angefahren werden. Doch bei den grünen Ideologen darf man sich nicht wundern. Letzens interessierte ich mich für ein Buch von Märchenerzähler und Kinderbuchautof Robert Habeck, im Nebenamt Wirtschaftsminister und Vizekanzler. Die Rezession einer Leserin legt es an den Tag: „Zudem werden sehr gute Themen behandelt, die in der Entwicklung fast jedes Kindes irgendwann aktuell sein werden und mit Hilfe der Geschichten weiterführend besprochen werden können. So geht es um den Geschwistertausch und für ein paar Tage in einer anderen Familienkonstellation zu… Mehr

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Jede Stabilisierung des Europäischen Höchstspannungsnetzes mit grundlastfähigen Kraftwerken und ordentlicher Momentanreserve hilft aktuell gegen Brownouts und Blackouts.

StefanZ
1 Jahr her

Ach ja, was könnte Deutschland jetzt mit seiner modernen Kernkrafttechnologie verdienen, dazu den CO2-Ausstoss verringern und Europa sicherer machen. Stattdessen, sind wir nun die Energietechnisch rückständigen Stinker. Stolze Leistung.

Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat: „Nach dem Produktionsstart wird die Slowakei bei der Stromversorgung des Landes autark sein“, fügte er hinzu. Block vier werde im Frühjahr 2024 in Betrieb gehen.“ > Na, dann kann ja unser Mißwirtschaftsminister R.Habeck darauf hoffen das uns im Notfall auch die Slowakei spätestens ab Frühjahr 2024 Strom aus dem veralteten AKW liefern wird während unsere eigenen letzten drei moderne(re)n AKW abgeschaltet oder abgerissen werden damit Habeck und seine Traumtänzertruppe ihren „Weltwetterrettungs-Irrsinn“ weiter träumen können. Kohlestrom aus Polen und Atom-Strom aus Ost-EUropa und Frankreich – und das beste Deutschland aller Zeiten schaltet seine mordernen AKW + KKW ab und verschrottet… Mehr

ramseshelge
1 Jahr her

Die Slowakei nimmt also eine technisch aufgerüstete veraltete sowjetische,,Bruzzelbude“ in Betrieb und wird energiepolitisch und versorgungstechnisch autark. Spart auch noch Millionen von Tonnen CO². In China wird der erste Thorium-Salzreaktor gebaut. Entwickelt hier in der wirtschaftlich sich abwickelnden BRD. Hier beginnt nun das 18. Jahrhundert neu und ökologisch zerstörerischer mit Windmühlen und ähnlichen Geräten. So hirnverbrannt können nur Grüne sein. Wie tobte die Grüne im Thüringer Landtag?
,,NEIN, NEIN UND NOCHMALS NEIN!“
Verblendung gepaart mit Ideologie, die Mischung ist tödlich für jede Vernunft. Da sind Fakten und Wissen vergeblich anrollende Wogen.

AlexR
1 Jahr her

Bei uns wird über Kernkraftwerke „schwadroniert“. Wegen anhaltender Dummheit und sektenähnlichem Handeln. Ablassbriefe zum CO2-Ausgleich werden ja seit geraumer Zeit schon dem dummen Michel verkauft. Mit dem Versprechen, dann in die paradiesische grüne Hölle einzutauchen.

Roland Mueller
1 Jahr her

Der WWER400 wird mit einem Druckausgleichssystem betrieben, das aus mehreren übereinander gelagerten Wasserbecken besteht und sich bei den im Betrieb befindlichen Reaktoren bewährt hat. Das von den österreichischen Anti-Kernkraftlern geforderte druckdichte Containment sorgt dafür, dass der Reaktor mangels Druckausgleichs in die Luft fliegt. Auf so eine Idee können nur ungebildete Vollidioten kommen.

Oneiroi
1 Jahr her

Die Osteuropäer werden schon beizeiten die Erfahrungen westlicher Atomkraftwerksingenieure verarbeiten und die Anlagen auf höheres Niveau bringen. Wichtig ist momentan nur, dass so viele von den Dingern wie möglich in Betrieb gehen, was am Ende auch im Sinne der Deutschen sein wird.
Wenn das nun auf Kosten der Sicherheit geht, dann sollte man die Schuldigen in Berlin klar benennen und die dazu auffordern Platz für andere zu machen. Solange das nicht der Fall ist, müssen die anderen Europäer Deutsche Inkompetenz kompensieren.