Merkels Regierungserklärung: Alles was Sie schon wussten

Vorher wurde vermutet, Bundeskanzlerin Angela Merkel könnte neue harte Maßnahmen verkünden. Das ist nicht der Fall.  Es war das Abspulen von Bekanntem. Ratlos bleibt man zurück.

imago images / Rüdiger Wölk

Merkel will gerne mal Führung demonstrieren. „Es geht darum, das Virus auf seinem Weg durch Deutschland zu verlangsamen“. Das hätten wir jetzt nicht geahnt. Sie spricht Sätze, die aus jedem Leitartikel zusammengestoppelt scheinen. Hände waschen, Abstand halten, kaum noch Kontakte zu den ganz Alten. 

Wichtiger scheint, wie sie es sagt: Sie versucht zu betonen, wo sie sonst Sätze verschwurbelt, um die Zuhörer über das Gesagte möglichst im Unklaren zu lassen. Sie schaut starr. Es sind viele Plattitüden, die sie aneinanderreiht. Und so betont sie plötzlich das „Wir“, das „Jeder und Jede“. Das ist neu bei der Kanzlerin der Spaltung: „Niemand ist verzichtbar“. Das hörte sich bislang anders an – sie braucht nur ihre Zujubler. Jetzt spricht sie im Ton künstlich hervorgehoben und doch mit starrem, emotionslosem Blick. Es sind ja auch fremde Wörter für sie, die sie verwendet. Nun ist wieder von der Nation die Rede, die es doch gar nicht mehr gibt und auch aus ihrer Sicht wohl nicht mehr geben soll. Die Nation, mit der Fahne, die sie sonst wegsteckt, mit der Sprache, die sie durch Untertitel ersetzt, die Einheit, die sie brüsk zurückweist, wenn sie nicht aus Jasagerei besteht: Jetzt wird also wieder die gemeinsame Wurzel betont, die sie versucht zu zerstören? Und wo kommt die Deutschland-Fahne her, vor der sie sitzt? Vermutlich Restbestände aus der Rumpelkammer des Kanzleramts. Es ist eine sprunghafte Rede mit logischen Mottenfraßlöchern. 

Zuwendung als körperliche Zuwendung soll durch Abstand als Ausdruck von Fürsorge ersetzt werden. Es mag ja sein, dass manche noch in Kneipen feiern, oder wenn die geschlossen sind, davor gemeinsam anstoßen. Aber diese Art von Rede überzeugt nicht.

Kein Wort allerdings dazu, warum diese Maßnahmen nicht früher gesetzt wurden.  Dafür strickt sie an ihrer eigenen Legende: „Für jemandem wie mich, für die Reise- und Bewegungsfreiheit ein schwer erkämpftes Recht waren, sind solche Einschränkungen“… Nun, sie konnte vor dem Mauerfall mehrfach in den Westen reisen und kehrte in DDR zurück. Was hat sie erkämpft? Sie war keine Bürgerrechtlerin. Kein Wort zur Verzögerung der notwendigen Abgrenzung, zu Gesundheitskontrollen, die an Flughäfen für Einreisende aus dem Iran oder China nicht durchgeführt wurden. Dafür sollen wir jetzt für Opa und Oma Podcasts aufsetzen und mal wieder einen Brief schreiben, der angeblich noch ausgeliefert wird. Dass es zu wenig Testmöglichkeiten gibt und diese nur der politischen Elite uneingeschränkt und jederzeit zur Verfügung stehen – keine Entschuldigung.

Man bleibt hilflos zurück. Es war eine Rede ohne Neuigkeiten und Substanz. Ohne Vergangenheit und Perspektive. Kein Wort zu wirtschaftlichen Maßnahmen. Kein Wort zu verpatzten Vorsorgemöglichkeiten, zu fehlenden Schutzmasken oder Desinfektionsmitteln.

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Irgendwie soll man glauben, dass leere Regale bis morgen wieder aufgefüllt werden. Sie spricht, als ob sie das Paradoxon der Kommunikation nicht kennen würde. Dass, wenn etwas betont, das Gegenteil gehört wird. Da helfen keine Appelle, in die sich diese Kanzlerin zunehmend rettet. Wer hamstert, soll unsolidarisch handeln? Angesichts der Bedrohung ist Vorratshaltung rational, ihre Rede der Aufruf, morgen die Läden zu stürmen, auch wenn sie das Gegenteil behauptet. So bleibt man ratlos zurück. Es bleibt eine Regierung, die keinen Kompass hat, die sich erst bewegt, wenn es gar nicht mehr anders geht. Es fehlt der Verweis auf die Krise Europas, das gerade in seine Einzelteile verfällt. Es fehlt eine Idee davon, was sonst noch Europa erschüttert, denn auch im Zeitalter von Corona geht der Angriff auf die Außengrenze der EU weiter. Kein Wort zu zusammenbrechenden Lieferketten, die sich in Lastwagenkolonnen an den Grenzen manifestiert. Kein Wort zu drohender Arbeitslosigkeit, die unausgesprochen gerade dadurch betont wird, dass sie nicht angesprochen wird. Keine Antwort zu der Frage: „Wie lange lässt sich ein „Lockout“ rechtfertigen, wenn es dabei um Leben oder Tod, aber auch um zahllose Existenzen geht?“ Woher nimmt der Staat das versprochene Geld, wenn es niemanden mehr gibt, dem er es wegnehmen kann? Panik kann man nicht einschläfern, aber man kann sie herbeireden. Indem man am Thema vorbeiredet und Ratlosigkeit demonstriert und provoziert.

So bleibt man ratlos zurück. Geht das, eine Regierungserklärung ohne jede Neuigkeit und mit so erkennbaren Rückgriffen auf Begriffe und soziales Kapital, das man in den vergangenen Jahren verschleudert hat.

Schade. Merkels Regierungserklärung wird bejubelt werden von der Vielzahl der Schreiber, die ihre Führungslosigkeit in eine besondere Form der Führungsfähigkeit uminterpretiert. Merkel lebt ja in einer für sie perfekten Welt: Keine Opposition, die noch gehört wird, denn die kritischen Stimmen wurden ja ausgegrenzt und der stillschweigende Schulterschluss mit den Grünen ist unüberhörbar. Sie hat keine kritische Presse zu befürchten; ihr ist es gelungen, die Medien einzuschläfern und die kritischen zu bedrohen. So lässt es sich regieren – ganz ohne Inhalt, aber mit der Perspektive des Machterhalts. 

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Kommentare ( 280 )

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Thomas
4 Jahre her

Die Grosse Transformation hat begonnen. Jetzt wird Demokratie „ganz neu gedacht“.

Thomas
4 Jahre her

Vielleicht ist denen klar geworden daß sie mit dem Klima Thema die Demokratie nicht abschaffen können, weil es nicht genug Angst in der Bevölkerung erzeugt und deswegen versuchen sie es jetzt mit „Corona“?

Ratemal
4 Jahre her

Hat diese Ansprache irgendwie – auch nur ein ganz kleines bisschen – bei der Bewältigung unserer derzeitigen beschissenen Situation geholfen???

Regenpfeifer
4 Jahre her

„An der Spitze des Landes stand eine klobige Frau mit der zuversichtlichen Ausstrahlung einer Trauerweide, die sich schon dadurch diskreditierte, dass sie den bolschewistischen Ostspuk sechsunddreißig Jahre lang mitgemacht hatte, ohne dass ihre Umgebung dabei irgendeine Form von Unwohlsein hatte feststellen können.“ -Timur Vermes hat damit bereits vor Jahren alles trefflich zusammengefasst, was man über Angela Merkel sagen kann. Dass ausgerechnet diese Frau sich jetzt als „Kämpferin für Freiheitsrechte“ geriert, ist nicht nur Geschichtsklitterung -es ist eine Beleidigung für jeden Ostdeutschen, der damals _tatsächlich_ auf die Straße ging oder die Stasizentrale gestürmt hat. Widerlich.

Dr. Friedrich Walter
4 Jahre her

Schon alleine der Tonfall, in dem Frau Merlkel sprach, war eine Unverschämtheit gegenüber den Zuhörern. So spricht man bestenfalls zu debilen Kleinkindern, aber nicht zu erwachsenen Menschen. Diese gespielte, süßliche, anbiedernde Anteilnahme war einfach widerlich. Konkrete Aussagen gab es ohnehin nicht. Wenn ich Frau Merkel höre, brauche ich kein Brechmittel mehr,,,!

KorneliaJuliaKoehler
4 Jahre her

Diese Ansprache gab und gibt ihren Propagandamedien endlich mal wieder die Gelegenheit, sie zu verherrlichen! Diese Rede ohne Inhalt, diente lediglich ihrer eigenen Imagepflege! Selbst unter der sehr realen großen Bedrohung für die Bevölkerung denkt sie nur an sich selbst und ihre große Transformation. Allein ihre demonstrierte Tonlage, als spräche sie zu Kleinkindern und Dummen, und das maskenhaft wirkende „freundliche“ Gesicht zeigte ihre ganze Respektlosigkeit gegenüber uns Bürgern. Nein, sie zeigte kein freundliches Gesicht, sie hatte mal wieder ihr Pokerface aufgesetzt. Sie spielt mal wieder mit hohem Einsatz , nämlich mit unserem Leben, und lässt sich nicht in ihre wertlosen… Mehr

Philomena Schmid
4 Jahre her
Antworten an  KorneliaJuliaKoehler

Vor ca. einer Stunde sagte eine Verkäuferin zu mir, wie toll sie es gefunden hat, dass sich Fräulein Kasner so freundlich bei den Pflegekräften bedankt hat. Ich habe erwidert, dass es freundlicher gewesen wäre, in den letzten Wochen für deren Ausrüstung zu sorgen…

spindoctor
4 Jahre her

„Save water – drink Corona“

Old-Man
4 Jahre her

Sie haben Recht Herr Tichy,diese „Ansprache an die Bevölkerung“ war leider das bekannte hohle Phrasen dreschen,emotionslos mit starrem Blick,aber mit Kreidemilch geweichter Stimme! Worauf wohl viele noch nicht eingelullte gewartet haben blieb dagegen aus,wie sie es ja in ihrem Text treffend beschreiben. Aber bei den „Merkel gläubigen“ wird Frau Dr. nun noch höher im Kurs gestiegen sein,die werden nun mit Schrecken daran denken,das diese „Super Kriesen Managerin“ 2021 nicht mehr Kanzlerin dessen sein wird,was sie mit ihrer Politik verbrochen hat! Nun werden sehr harte Zeiten gerade die treffen,die gutgläubig an ihren Lippen hingen,und ob Ich darüber traurig bin,das wage Ich… Mehr

spindoctor
4 Jahre her

Je nun, Corona schafft Platz.

pcn
4 Jahre her

Im Beitrag ist alles gesagt. In den Kommentaren ist alles gesagt. Bleibt mir nur noch allen Leserinnen und Lesern und der gesamten Autoren-Crew von Tichys Einblick zu wünschen: Bleiben Sie gesund!

Gerda Hesse
4 Jahre her
Antworten an  pcn

Mein Ziel ist es, gesund zu bleiben, um den Crash dieser Dame mitzuerleben!