Merkel und der berühmte Tropfen?

Bringen Merkels Worte gegen einen aufrechten Essener Bergmann mit SPD-Biographie das Fass der unkontrollierten Massenzuwanderung zum Überlaufen?

© Sean Gallup/Getty Images

Der Niedergang der Kanzlerin wird oft mit dem von Helmut Kohl verglichen. Aber so sehr es sich anbietet, der Pfälzer hat unverrückbar die Wiedervereinigung auf seiner Haben-Seite, während Angela Merkel über die von ihr eingeleitete und bis heute verteidigte Massenzuwanderung so tief ins Soll gerutscht ist, wie noch kein Bundeskanzler vor ihr.

Pflichtvergessen
Angela Merkel geißelt Essener Tafel
Kohls endgültiger Abgang wurde von der monströsen Schwarzgeldaffäre begleitet. Der Koloss geriet endgültig ins Wanken, als immer mehr Verwicklungen von Politikern und Institutionen bekannt wurden. Als sich Weggefährten in Sicherheit brachten, die doch über Jahrzehnte ein gutes Auskommen hatten im Schatten des Mächtigen. Auch Kohls „Mädchen“ rettete sich rechtzeitig vor dem Untergang und schaffte es in der Folge ins hell erleuchtete Kanzleramt.

Nun scheint aber auch ihr Schicksal endgültig besiegelt. Den monatelangen Kampf hinein in die letzte Amtszeit gewann sie erst, als sie den bereits arg in Mitleidenschaft gezogenen Wertekanon ihrer Partei endgültig auf sozialdemokratisches Niveau kastrierte.

Zu hoch gepokert? Zu nah am Feuer Platz genommen? Es scheint jetzt tatsächlich so, dass schon der kleinste Fehltritt ausreicht. Aber was wird es sein, das das politische Ende Angela Merkels besiegelt? Nichts scheint mehr unmöglich. Aktuell könnte es sogar die Causa „Essener Tafel“ sein, welche die überfällige Merkel-Implosion auslöst.

Oben und unten
Tafeln: drei Informationen für die politische Klasse
Die Reaktionen der Medien auf den Fall des Essener Tafelleiters, der vorerst keine zusätzlichen Zuwanderer mehr aufnehmen will, waren zunächst noch reflexartig auf Refugees-Welcome-Kurs. Aber das war nur noch einem Automatismus geschuldet, als Tag für Tag mehr einzelne Kommentare in den Leitmedien ausscherten und sich gegen eine Kanzlerin richteten, die sich negativ über die Essener Entscheidung geäußert hatte. Die instinktiv gespürt hatte, dass Essen das Nadelöhr sein könnte, endgültig ihre Verantwortung in der Massenzuwanderung festzustellen. Die Massenzuwanderung selbst war ja zu diesem Zeitpunkt längst als Fehler erkannt.

Noch einmal alles in die Waagschale werfen? Riskieren, die der Tafelentscheidung gegenüber durchaus ambivalente Haltung des CDU-Oberbürgermeisters von Essen wegzuwischen und sich mit der auf Twitter versammelten Sozialdemokratie gegen die Entscheidung des Tafelchefs Jörg Sartor zu stellen? Der erklärte nun gerade gegenüber der Welt „Mein Vater war Bezirksvertreter in Gelsenkirchen, meine ganze Familie ist SPD. Für mich hat sich das jetzt erledigt.“

Merkel selbst muss bereits auf Bundesebene auf Gedeih und Verderb einem SPD-Kurs folgen. Nun folgte also der sozialdemokratische Abstieg bis hinunter in die Stadtpolitik. Aber damit hat sie sich von ihren letzten sicheren Pfründen abgeschnitten, von der Zustimmung der Fußsoldaten. Dort, wo ein schneller Auftritt auf dem Marktplatz Gefolgschaft sichern kann, dort, wo Vertrauen immer noch etwas länger von Kontinuität getragen wird, als im nervösen Berlin.

Die ZEIT schrieb im September 2017: „Die Welt ist böse, aber hier ist alles gut. Das war die Wahrnehmung der Deutschen unter Merkel.“ Aber diese Zeilen standen bereits unter der Schlagzeile „Sie wird untergehen“. Viele haben schon darauf gewartet, dass sich die merkelsche Massenzuwanderung als Menetekel ihrer politischen Karriere zu erkennen gibt. Da erscheint es fast gerecht, dass nun ausgerechnet ein aufrechter Essener Bergmann mit SPD-Vergangenheit wider Willen zum Scharfrichter Merkels wird, die sich von diesem Mann abwandte, weil sie durchaus hellsichtig erkannte, dass hier das entscheidende Gefecht um die Deutungshoheit ihrer Massenzuwanderungspolitik geführt werden könnte.

Aber sie hat eben auch erkannt, dass Essen nur einer von vielen folgenden Lackmustests sein würde – dass es also jetzt oder gar nicht mehr darum ging, alles auf eine Karte gesetzt, als sie zu Jörg Sartors Entscheidung befand: „Da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen.“ Das sei nicht gut.

Und streng genommen war das nicht einmal dramatisch, in anderen Zeiten hätten die wenigen Sätze in die RTL-Mikrofone fast als ausgewogen gelten können, wenn Merkel sogar noch anfügte, Essen zeige aber „auch den Druck, den es gibt“. Aber damit war die Hellsichtigkeit dann auch zu Ende.

Reste der Bürgerfreiheit bewahren
Die Essener Tafel und jede andere ist frei
Die Kanzlerin stolperte in das von ihr selbst über mehrere Amtszeiten aufgestellte Messer: Die Bürger haben längst lernen müssen, Angela Merkels pastorale „Jein, aber“-Litaneien hin zu einem klaren „Ja“ oder „Nein“ zu sieben. Zu einem „Ja“ zur Massenzuwanderung und einem „Nein“ zur souveränen Entscheidung eines Jörg Sartors, der mit den ehrenamtlichen Helfern tagtäglich die Folgen des „Ja“ der Kanzlerin ausbügeln muss. Das überwältigende „Je suis Jörg Sartor“ kam für viele Bürger und die Medien überraschend.

Angela Merkel selbst wusste von Anfang an, um was es hier geht, hat maximales Risiko gespielt und es sieht ganz so aus, als hätte sie verloren.

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Kommentare ( 325 )

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Alf
6 Jahre her

Solange es Steigbügelhalter gibt, wird ADM das tote Pferd reiten – https://www.tagesspiegel.de/politik/lesermeinungen-zum-spd-ja-zur-groko-wuerde-mich-schaemen-merkels-steigbuegelhalter-zu-machen/21030214.html.
Und auch ein totes Pferd hat Vorteile. Das tote Pferd bewegt sich nicht und man muß beim Reiten nichts tun.
Und sollte sich das tote Pferd nicht mehr bewegen, dann wirds keiner merken.
Paßt doch.

Ria Lora
6 Jahre her

Exportweltmeister seit Jahrzehnten aber 5 Billionen Staatsschulden und immer mehr auch arbeitende Menschen verarmen und werden anschließend mit Renten unterhalb der Sozialhilfe nach einem harten Arbeitsleben abgespeist. Das passt doch Vorne und Hinten nicht zusammen! Geringe Lohnerhöhungen, und minimalste Rentenanstiege werden mit Jubelgeschrei in den Medien gefeiert. Das ist Verhöhnung eines fleißigen Volkes, dass hunderte Milliarden in den Rachen eines EU-Molochs schmeißen muss. Raus aus der EU und das ganze Geld nur noch für unser Land und unser Volk ausgeben. Das ist unser hart erarbeitetes Einkommen. Unser!! 6 Milliarden Euro- 12 Milliarden D-Mark – spenden die Deutschen jedes Jahr freiwillig.… Mehr

Horst
6 Jahre her

Von dieser „Gesellschaft“ kann man nichts anderes erwarten. Manche sind der Meinung das würde daran liegen, das die Rentner CDU und SPD wählen. Denen sage ich ganz klar nein!!! Der größte Teil der Wähler der CDU und SPD sind die gleichgültigen Bürger die ihre Ruhe haben wollen. Denen ist egal wer regiert die Hauptsache sie werden nicht in ihrem alltäglichen Leben gestört! Politische Entscheidungen egal. Das betrifft auch Rentner sicherlich aber dieses gut-dumme-scheisegal-ich kann doch sowieso nichts ändern-Stimmung zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten! Erst wenn die Butter auf dem Brot fehlt wacht der deutsche Michel auf. So wie es… Mehr

Felix Schmidt
6 Jahre her

Merkel muss weg! Je früher, desto besser!

martinkamnurbiswürselen
6 Jahre her

Nicht nur Merkel hat bei diesen Vorgängen um die Essener Tafel (wieder mal) ihre verquere Einstellung gezeigt. Sie hat sich hier mit den Falschen angelegt und die mediale Stimmung, sogar bei den MSM, ist in dieser Sache gegen sie gekippt. Selbst Claus Kleber (!) sah sich in den Tagesthemen genötigt, kritisch über die Antifa-Attacken auf die Essener Tafel berichtet. Ich fürchte nur, die ganzen Vorkommnisse sind lediglich ein weiteres, eher kleines Bausteinchen in der allmählichen Demontage des Lügengebäudes um die Migrationskrise, und (leider nicht) der große Wendepunkt. Wer sich hierbei auch als nicht mehr ernstzunehmender Politiker geoutet hat, ist Prof.… Mehr

Wolfgang Schuckmann
6 Jahre her

Sorry, der Kommentar bezieht sich auf die Chairdam, also die Folgen der Abstimmung bei der ihr nicht zugehörigen SPD.

Thomas Kiirchhoff
6 Jahre her

Immer wieder feiern Sie den endgültigen Untergang der Merkel. Leider ist dies immer noch eingetroffen.

Wolfgang Schuckmann
6 Jahre her

Die Seelenverkäuferin hat es nochmal geschafft, halt, nicht ganz. Erst muss noch ihr Schatten verschwinden. Schicksal nimm deinen Lauf.

Hannes D.
6 Jahre her

Danke für diesen Kommentar!

Susanne
6 Jahre her

Hat SIE sich schon dazu geäußert? „Diese Pauschalisierung ist nicht gut“. Nö? Sonst jemand von den deutschen Qualitätspolitikern? Hm….die islamische Republik rückt näher.