Merkel, Schulz und Seehofer präsentieren übermüdet einen müden GroKo-Vertrag

Frau Merkel: "Aber ich will sagen, es hat sich gelohnt." Das stimmt für Frau Merkel persönlich. Für die Bürger nicht. Es sei denn indirekt dadurch, dass eine noch glattere Abwahl der GroKo bei den nächsten Wahlen wahrscheinlicher wird denn je.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

In Berlin traten drei übermüde GroKo-Verhandler vor eine übermüde Presse und präsentierten ein müdes Ergebnis. Ob jemand im Raum war, der die 177 Seiten Koalitionsvertrag gelesen hat, bleibt ein Geheimnis, das niemanden interessiert.

Die Frage, die sich mir aufdrängt, stellte niemand: Wie bitte stimmen die Mitglieder der SPD über 177 Seiten ab? Zeilenweise wie bei Parteitags-Anträgen? Wohl nicht. Von Mitgliederabstimmung über den GroKo-Vertrag wird als niemand seriös sprechen können – und trotzdem werden sie es alle tun, vor allem in den Medien.

Milde lächelnd kommentierte Frau Merkel die 177 Seiten Koalitionsvertrag: „Ich gebe zu, es ist nicht einfach, sie von der ersten bis zur letzten Zeile zu lesen“. – und für das umstrittenste Thema fand sie die Worte: „Wirklich hart diskutiertes Kapitel, die Zuwanderung“. Für CDU-Gebräuche revolutionär die Mitteilung, ein Parteitag werde über den GroKo-Vertrag abstimmen.

Herr Schulz, bis dato führender SPD-Vorsitzender in der Disziplin des gebrochenen Wortes, versäumte nicht, einen ganz anderen Rekord bekanntzugeben: Die kürzesten Koalitionsverhandlungen, die es je gab, nur etwas mehr als eine Woche. Ja, klar, das andere waren ja nur endgültige Absagen, dann doch Zusagen, Vorsondierungen, Sondierungen und Sonstiges. Journalistenfragen? Keine.

Auch eine andere Humoreinlage prallte an müden Journalisten ab. Herr Schulz erwähnt „Eltern, die einen Kitaplatz brauchen.“ Herr Nochvorsitzender, ich kenne Politiker, denen einer gut täte.

„Wir wollen, dass die Gesellschaft zusammenhält.“ Meinte Herr Schulz das, wenn er die „sozialdemokratische Handschrift“ des GroKo-Vertrags unterstreicht? Was zählt er noch auf? Sozialer Arbeitsmarkt neben dem ersten Arbeitsmarkt, 300 Euro mehr Kindergeld jährlich, Juso-Forderungen durchgesetzt (welche, sagte er nicht, Kevin K. wird schon wissen) – hat Herr Schulz das mit dem Historischen Materialismus irgendwo missverstanden?

Herr Seehofer schmunzelte unergründlich, als er sagte: 177 Seiten GroKo-Vertrag, wir haben verstanden, Abkehr vom weiter so. Schon mehr grinsend fügte er an, lieber Martin, das mit der Handschrift spar ich mir bis zum politischen Aschermittwoch auf. Seine GroKo-Vertrags-Bilanz verdichtet er bairisch (kein Schreibfehler) zu „passt scho“.

Die vereinzelten Fragen der Journalisten sind nicht berichtenswert. Erleichtert registrieren die drei, es ist vorbei. Aufstellung zum Schlussfoto, Frau Merkel eingerahmt von zwei alten weißen Männern, sie formt die Raute, klick. Abgang. Vorhang.

Schlussbemerkungen Gerd-Joachim von Fallois bei Phoenix: „Wir ballen die Faust in der Tasche, sagten mir CDU-Politiker.“ Und: „Erwartungshaltungen mancher von einem neuen Aufbruch waren wohl übertrieben.“

Zu Beginn sagte Frau Merkel so ungefähr, die Verhandlungen waren sehr anstrengend und dann gleich: „Aber ich will sagen, es hat sich gelohnt.“

Das stimmt für Frau Merkel persönlich. Für die Bürger nicht. Es sei denn indirekt dadurch, dass eine noch glattere Abwahl der GroKo bei den nächsten Wahlen wahrscheinlicher wird denn je.

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Kommentare ( 66 )

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Walter Knoch
6 Jahre her

Da wurde seitens der Union, die damals noch eine Volkspartei war, gegen das Imperative Mandat gekämpft, das von linker Seite gefordert wurde. Heute haben wir es, mit CDU, durch die Hintertür, ohne dass, wie es ja inzwischen große Mode geworden bei großen Vorsitzenden, das maßgebende Gesetz, das Grundgesetz Artikel 39 geändert wurde: „Der Abgeordnete ist Vertreter des ganzen Volkes. … Er ist an Anordnungen und Weisungen nicht gebunden … Nur seinem ….“ Brechen wir ab. Das Grundgesetz wird zur Makulatur. Bei den einen nimmt jetzt sogar eine Mitgliederbefragung den sehr verehrten Abgeordneten an die Kandare. Dabei werden, aber das ist… Mehr

Generalbundesanwalt
6 Jahre her

Diese GroKo des Grauens weiss, dass ihre Zeit 2021 abgelaufen sein wird. Daher werden Merkel und Schulz möglichst viele unumkehrbare Fakten schaffen in den verbleibenden 3,5 Jahren – selbstverständlich zum größtmöglichen Schaden der deutschen Steuerzahler und Bürger! Und die Medien beklatschen dies auch noch – unfassbar!

Mary
6 Jahre her

Ich habe den Phoenix Beitrag gesehen, mit dabei eine junge Dame von den Jusos. Ich war zugegebener Massen erschrocken als sie allen Ernstes erklaerte, dass es demokratisch sei wenn eine halbe Million Menschen (namentlich SPD-Waehler) ueber das Schicksal von 80 Millionen entscheiden duerften – weil sie nun mal als Parteimitglieder mehr Rechte besaessen. Ich kann mir nicht helfen, ich finde diese Aussage mehr als bedenklich… Danach habe ich weggeschaltet und mich mit Cartoons abgegeben; da kann man wenigstens ohne ueblen Beigeschmack lachen. Vielleicht haben Sie recht, Herr Georgen, wenn Sie schreiben dass eine erneute „GroKo“ (eher „KleiKo“ wenn Sie mich… Mehr

A-Dorf
6 Jahre her

Die CDU sollte einen Parteitag über die Groko abstimmen lassen. Nur, es wird völlig belanglos bleiben. Dass sich die CDU, respektive Frau Merkel, nicht an Parteitagsbeschlüsse hält kann man zu dem CDU-Beschluss die „doppelte Staatsbürgerschaft“ abzuschaffen-

Tom Hess
6 Jahre her

Zitat: „Für CDU-Gebräuche revolutionär die Mitteilung, ein Parteitag werde über den GroKo-Vertrag abstimmen.“

Was war das? Sarkasmus, eine Pointe, ein Vergleich, oder eine Meldung? ich finde nichts dazu.

Old-Man
6 Jahre her

Dann schauen wir mal wie lange dieses „Kasperle Theater“ auf Tournee gehen wird,oder welcher „Zuschauer“ aus den eigenen Reihen zuerst seinen Eintritt zurück verlangt! Die langen Gesichter nebst geballter Faust in der CDU-Fraktion kann Ich mir gut vorstellen. Und was werden die verprellten erste Reihe Sozialisten wie Gabriel wohl denken? Wie Ich an anderer Stelle schon schrieb,der Schulz hat fertig,er ist ein Kadaver der noch nicht riecht,aber Ich denke bis zum 4.März wird er wohl langsam ümmeln! Die böse Frau hat ihren Zenit durch ihre freizügige Ämterverteilung schlagartig in eine steile Abwärtskurve verwandelt,sich dazu noch mehr Feinde in der Fraktion… Mehr

Thorsten Helbing
6 Jahre her

Ein Trauerspiel sondergleichen. Und das ganze Theater zu welchem einzigen Zweck? Einer abgehalferten,visionslosen,geschäftsführenden Bundeskanzlerin Merkel den Steigbügelhalter zu spielen! Abgekauft durch Posten und Pöstchen für eine SPD,welche ihre Ideale und ihren Namen für eine kleine Schar Wendehälse,nichts anderes ist die SPD heute,dem Teufel feil geboten hat. Dieses unwürdige Schauspiel geht sogar soweit,den 80 Mio Bürgern dieses tollen Landes,ehemals rechtstaatlich freiheitlich,dies auch noch als Erfolg zu verkaufen. Nein,Deutschland hat fertig. Solange sich das Volk nicht in nennenswerter Zahl dagegen auflehnt,auf der Straße seinen Unmut kundtut,wird sich nichts,aber auch gar nichts ändern. Das wissen „die da Oben“ auch,so naiv sollten wir nicht… Mehr

Karl Napf
6 Jahre her

Sehe ich das neue Regierungs-Dreigestirn Seehofer-Merkel-Schulz (SMS) bekommt der Begriff Ritter von der traurigen Gestalt eine voellig neue Bedeutung – und den Faktor 3.

cisplatin
6 Jahre her

„Wie konntet ihr bloß zulassen, dass so etwas passiert“, werden unsere Enkel uns mal fragen.
Ich kenne die Antwort nicht.
Aber ich bin davon überzeugt, dass es unsere Aufgabe ist, ihnen heute schon, einen Weg außerhalb Deutschlands, ja Europas aufzuzeigen. Leider.

Der Mustermann
6 Jahre her

„In einem geheimen Zusatzprotokoll der GoKo-Verhandlungen wurde es beschlossen: das Toleranzdurchsetzungsgesetz (TolDuG). Dazu wurde eigens ein Expertengremium, der „Große-Koalition-Toleranz-Zirkel“ (GroKoTZ) eingerichtet. Vorsitzender wird Muttis Liebling Peter Almeier. Die SPD hatte die Allround-Expertin für „Nichts und wieder nichts“, Sawsan Chebli, vorgeschlagen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Da diese Frau aber nun mal da ist und weder der Steinmeier, der Siechmar, noch der Regierende Müller von Berlin sie haben wollen, soll sie – als Kompromiss – die erste palästinensische Antisemitismusbeauftragte werden.“

Hab ich grade beim Alten Mann gefunden. Mir laufen noch immer die Tränen vor Lachen… 🙂