Merkel-Befragung im Bundestag: Oppositionsangriff misslungen

Ob der misslungene Angriff der Opposition Morgen zu heilen ist, wenn AfD wie FDP mit getrennten Anträgen die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur BAMF-Affäre fordern, bleibt abzuwarten. Tichys Einblick ist auf jeden Fall dabei.

© TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images

Der Berliner Reichstag ist nicht das britische Unterhaus. Dort findet seit 1997 jeweils mittwochs um 12.00 Uhr in jeder Sitzungswoche des Parlaments eine Befragung des Premierministers statt („Prime Minister’s Question Time“), die es in sich hat. Vor vollem Haus und mit extrem hoher medialer Resonanz – in Print-Medien, Online und im TV.

Der Berliner Politikbetrieb dagegen erlebte heute erstmals eine offene Befragung der Kanzlerin durch die Abgeordneten. Um das Fazit vorwegzunehmen: Es war ein müder Abklatsch der britischen Praxis. Das lag sogar weniger an Angela Merkel, die rhetorisch nie brillieren konnte, sich aber heute als sattelfest im freien Frage- und Antwort-Duell erwies, sondern vor allem an den braven Fragen der Abgeordneten. Immerhin war der Bundestag für eine Fragestunde an einem Mittwochmittag erstaunlich gut besetzt.

Die Choreografie war regierungsfreundlich zwischen den Parlamentsfraktionen abgesprochen. Die Kanzlerin eröffnete mit einem knappen, weniger als fünfminütigen Statement zum bevorstehenden G7-Gipfel am Wochenende in Kanada.

Internationale Politik ist ihr Ding. Da konnte kaum etwas anbrennen. Auch der Versuch der AfD wie der Linksfraktion, die Kanzlerin als US-hörig und Russland-feindlich einzustufen, schlug in der anschließenden 20-minütigen Fragerunde zu diesem Thema fehl. Merkels diplomatisches Mantra, dass man mit allen im Gespräch sei – trotz aller Meinungsverschiedenheiten – ist ja auch schlecht zu widerlegen. Interessant ihre Festlegung zum Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA): Die Bundesregierung wird dem Bundestag das Abkommen demnächst zur Ratifizierung vorlegen.

Wer aber geglaubt hatte, dass die Opposition die Kanzlerin mit Fragen zu den Skandalen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus dem Konzept bringen könnte, der musste schnell enttäuscht sein. Selbst der ansonsten scharfzüngige AfD-Abgeordnete Gottfried Curio prallte mit seiner Rücktrittsforderung, die er für die illegale Grenzöffnung seit dem Jahr 2015 und dem fast völligen Verzicht auf Kontrollen der Masseneinwanderung stellte („Wann übernehmen Sie dafür die Verantwortung? Wann treten Sie zurück?“), an Merkels routinierter Gelassenheit ab. Ungerührt wies sie auf die Rechtsprechung des Europäischer Gerichtshofs hin, der im Juli 2017 das deutsche Handeln in der Flüchtlingsfrage als rechtmäßig beurteilt habe. Sie bedankte sich unter dem Applaus der Parlamentsmehrheit bei der übergroßen Mehrheit der Mitarbeiter des BAMF für deren gute Arbeit unter schwierigen Bedingungen. Auch beim damaligen Chef Frank-Jürgen Weise, der im Amt für Ordnung gesorgt habe. Ein Hohn eigentlich angesichts der Fakten. Und sie wiederholte ihre bekannte Position von der „außergewöhnlichen humanitären Situation im Sommer 2015“.

Die FDP-Opposition konzentrierte sich mit den meisten Fragen auf die EU und die drohende Verwässerung der Stabilitätsregelungen. Fraktionschef Christian Lindner etwa hätte sich Merkels Antwort an den französischen Präsidenten Francois Macron eher im Bundestag als in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gewünscht. Doch mit seiner Schlussfolgerung, die er aus dem Interview der Kanzlerin mit dieser Zeitung zog, traf er ins Schwarze. Italiens neue Regierung solle wohl vom Europäischen Währungsfonds einen Dispo-Kredit erhalten, um seine Verschuldungspolitik fortsetzen zu können. Merkel konterte diesen Vorwurf wie immer: „Ich sehe keine Verwässerung.“ Die deutsche Regierung werde auf die Einhaltung der Regeln achten. Geld gebe es nur gegen Bedingungen. Der Berliner Politikersprech dafür lautet: „Konditionalität.“ Im übrigen bleibe das Budgetrecht des Bundestags unangetastet. Kurzlaufende Kredite müssten in kurzer Zeit vollständig zurückgezahlt werden. Wer den permanenten Rechtsbruch in der Euro-Währungsunion Revue passieren lässt – von der Griechenland-Rettung bis zu den laufenden und folgenlosen Verletzungen des Stabilitätspakts durch Italien oder über Jahre hinweg auch durch Frankreich -, der kann sich über die Chuzpe der Kanzlerin nur wundern. Doch da eine überparteiliche Allianz aus Union, SPD und Grünen nach wie vor dem Merkel-Mantra anhängt: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa!“, kann sich die Kanzlerin breiter parlamentarischer Unterstützung sicher sein.

Wie gelassen Angela Merkel die Fragerunden-Premiere überstanden hat, belegt einer kleine Episode zur Agenda 10-Politik unter dem sozialdemokratischen Kanzler Gerhard Schröder, den sie dafür ausdrücklich gelobt hat. Als ein SPD-Abgeordneter darauf Bezug nahm und seine Partei (die sich ja ansonsten seit Jahren damit beschäftigt, diese Agenda-Politik rückabzuwickeln) für diese gute Politik lobte, replizierte die Kanzlerin lächelnd: „Ohne die herausragende Arbeit der damaligen CDU-Opposition im Bundestag und unsere damalige Mehrheit im Bundesrat“ wären die sinnvollen Reformen nicht Gesetz geworden. Und noch deutlicher: „Wir haben als Union die SPD-Bundesregierung manchmal in dieser Frage retten müssen.“ Sprach’s und erntete begeisterten Applaus in ihrer Unionsfraktion.

So ist der Kanzlerin nicht beizukommen. Das ist mein Fazit von heute. Ob dieser misslungene Angriff der Opposition am morgigen Donnerstag zu heilen ist, wenn sowohl AfD wie FDP mit getrennten Anträgen die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur BAMF-Affäre fordern, bleibt abzuwarten. Tichys Einblick ist auf jeden Fall dabei.

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Kommentare ( 84 )

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reiner
5 Jahre her

das das rechtsbruch war hat sogar ihr cdu mitstreiter rupert scholz ehemals minister festgestellt.https://www.youtube.com/watch?v=iu-f7wHawlY .und dann dazu die antworten im bundestag eine farce vor dem herrn.
die afd soll weiterbohren,bis die wachtel abtritt.

reiner
5 Jahre her

habe das im fernsehen gesehen,der witz des jahrhunderts. der sinn einer solchen befragung sind taten oder missetaten im vorfeld ,die offensichtlich nicht koscher waren oder sind. wenn merkel nun behauptet .alles sei im lot ,so kann ich die abgeordneten nicht verstehen. weise hat zum bamf skandal gesagt,eine katastrophe was da abging und merkel erzählt genau das gegenteil.eventuell sollte man mal versuchen ihre sogenannte immunität aufzuheben bei 400 anzeigen gegen sie. .auch wenn das wahrscheinlich nicht klappt,so klingelt es aber in den ohren aller. solche schauspielerei kann doch keiner mehr ertragen und ich frage mich ab wann die grenze überschritten ist,wonach… Mehr

F. Hoffmann
5 Jahre her

Ich halte das Format für ausgemachten Quatsch. 1Minute für 1Frage, 1Minute für die Antwort. Keine Möglichkeit zum Nachhaken. Laut Vera Lengsfeld durfte die Kanzlerin für die ersten 20 Minuten das Thema vorgeben (G7, Kanada). Das reicht für eine Konfrontation mit der Opposition weniger als nichts. Bestenfalls für eine Huldigungsrunde in bester stalinistischer Manier.

Contra Merkl
5 Jahre her

Diese Fragestunde war ein einstudiertes Spiel. Die Stunde hätte ich mir sparen können. Das kam rüber wie wenn die 4. Klasse in der Aula ein Stück für die Eltern aufführt. Wieso hat nur Deutschland hier wieder eine humanitäre Pflicht? Wieso nehmen wir so viele Flüchtlinge auf? Wie man am Wiesbadener Fall sehen kann, ist die Familie ganz hastig über die Türkei nach Erbil geflogen. Also scheint man da ja gut Leben zu können. Also kann man ALLE Iraker abschieben. Stattdessen beschließt man den Familiennachzug. Wir werden hier nur noch verarscht. Sonst können die Leute wegen fehlender Papiere nicht ausgewiesen werden.… Mehr

Moses
5 Jahre her
Antworten an  Contra Merkl

Im Fall, dass jemandem nicht alle Details dieses neues beschämender Vorfall bekannt. Die ganze große Familie – Mutter, Vater, fünf Schwestern und Mörder – lebte seit 2015 in Deutschland und wartete auf Asyl. Dem Mörder wurde Asylantrag schon längst abgelehnt. Natürlich hat er gegen diese Entscheidung mit Hilfe von netten Anwälten in Berufung gegangen. Solange lief sein gerichtliches Verfahren, war er mit Diebstahl und Kleinkriminalität beschäftigt. Die Polizei hat ihn in ihrer Register eingetragen. Außerdem wurde er Anfang März wegen Vergewaltigung eines 11-jährigen Mädchens verdächtigt. Aber die Beweise waren nicht eindeutig und er blieb auf freiem Fuß. Er beraubte dann… Mehr

andreas donath
5 Jahre her

Aufgeben? Niemals!

Marc Hofmann
5 Jahre her

Diese Fragestunde war auch NUR eine FRAGE STUNDE. Was soll da bitte schön dabei rauskommen, wenn jeder nur 1 Minute für seine Frage an die Weltbeste Kanzlerin aller Zeiten hat?!
Statt FRAGE müsste es nämlich eine BEFRAGUNG geben und das nicht nur eine Stunde lang sondern solange wie es eben dauert! Diese Frage Stunde war nichts weiter als eine Audienzstunde bei der Merkel Herrscherin. Man darf der Königen Fragen stellen, die diese schon zuvor gesehen hatte und damit auch immer eine Aalglatte Antwort parat hatte…NACHFRAGEN waren nicht zugelassen….das war reines Theater der Macht!

Kaffeesatzleser
5 Jahre her

Zustimmung!!!!!!!!!!!

Vae Victis
5 Jahre her

Sobals Trump alle Obama Holdovers, Marxisten und Globalisten AKA den Deep State aus dem CIA und den zentralen Behörden beseitigt hat und volle Kontrolle über diese Organe ausübt, all ihre Informationen nutzen kann, dürfte ihr sehr schnell und effektiv beizukommen sein.

Hoffnungslos
5 Jahre her

Lieber Herr Metzger, eine „Fragestunde“ bei der die Fragen vorher eingereicht werden müssen und keine Nachfragen gestellt werden dürfen? Was war denn das? Eigentlich könnten wir ein „Parlament“, das sich so einen Maulkorb umhängen lässt, nach Hause schicken. – Mir fällt auf, dass der Begriff „Demokratie“ immer seltener von den selbsternannten Berliner Machteliten gebraucht wird.

Gertraude Wenz
5 Jahre her
Antworten an  Hoffnungslos

Mussten die Fragen wirklich vorher eingereicht werden? Das habe ich so dem Artikel nicht entnommen. Oder habe ich etwas übersehen?

Oswald Metzger
5 Jahre her
Antworten an  Gertraude Wenz

Die Fragen für die Regierungsbefragung müssen nicht vorher eingereicht werden. Da irrte mein Kollege Wallasch in seinem Beitrag. Er hat diesen Fehler aber längst korrigiert. Interessant war deshalb durchaus, wie sich die Kanzlerin mit den Fragen/Statements spontan auseinandersetzte. Da war sie stärker als die meisten Fragesteller.

Ulrich Bohl
5 Jahre her
Antworten an  Oswald Metzger

Sie mögen Recht haben. Warum hat Merkel dann wiederholt
in den vor Ihr liegenden Blättern gesucht? Das weckt eindeutig
den Verdacht dort standen Antworten auf ihr bekannte Fragen
drauf.

andreas donath
5 Jahre her

„sich aber heute als sattelfest im freien Frage- und Antwort-Duell erwies“ Offensichtlich ist das unzutreffend, Herr Metzger. Nach allem, was man gestern noch erfahren hat – Ihr Kollege Wallasch hat das auch in seinen Artikel eingebaut – mussten die Fragen vorher eingereicht werden, so dass Merkels Stab in aller Ruhe möglichst nichtssagende Antworten ausarbeiten konnte. Ich möchte nicht wissen, was diese Frau in einem wirklich freien Frage- und Antwort-Duell zusammengestammelt hätte. Aber da war ja nichts frei. Eine üble Täuschung des nicht informierten Publikums. Die von mir sehr geschätzte AfD hätte m.E. dieses abgekartete Spiel nicht mitmachen sollen und mit… Mehr

Snakebite
5 Jahre her
Antworten an  andreas donath

Herr Wallasch hat zwar inzwischen korrigiert, das die Fragen eingereicht werden mussten, aber Indizien dazu gibt es, ich zitiere einmal aus dem Artikel von Herrn Wallasch: „und wieder zurück zum BAMF und einer Frage dazu aus den Reihen der FDP von Stephan Thomae, der wissen will, wie es zu den gravierenden strukturellen Problemen in der Behörde kommen konnte. Auch möchte er mehr wissen über die beiden Termine, die Merkel mit Weise gehabt haben soll und was die Kanzlerin da erfahren hätte. Die Bundeskanzlerin antwortet: „Herr Thomae, schauen Sie, Herr Weise wäre überhaupt nicht ins BAMF gekommen, wenn es dort nicht… Mehr

Gertraude Wenz
5 Jahre her
Antworten an  andreas donath

Toller Kommentar! Meine obige Frage hat sich damit erledigt. Wenn die Fragen vorher eingereicht werden mussten, war das Ganze eine Farce. Man hat es Merkels Antworten aber auch angemerkt: Sie wirkten einstudiert, fast auswendig gelernt.