MDR setzt Sendung ab – wg. eigener Ankündigungsformulierung

Die Sendung wurde vom MDR Sachsen auf Twitter wie folgt angekündigt: „Darf man heute noch ‚Neger’ sagen? Warum ist politische Korrektheit zur Kampfzone geworden? Darüber sprechen wir heute Abend (20 Uhr)“. Dann kapitulierte der MDR vor einem Shitstorm.

Screenprint: MDR Sachsen

Die Pippi-Langstrumpf-Debatte ist beim MDR angekommen. Klar, wer noch in der Taka-Tuka-Sprache eine Sendung anmoderiert, der muss mit einem ordentlichen Echo rechnen. Mit einem veritablen Shitstorm?

Aber der Reihe nach: Ein Shitstorm unter Beteiligung des Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt hat gerade eine Sendung im MDR-Sachsenradio gekippt, die der Frage nachgehen wollte, „Politisch korrekt? Das wird man wohl noch sagen dürfen!“ Ursprünglich eingeladen waren die Bundestagsabgeordnete Frauke Petry, der Autor und Fernsehmann Peter Hahne, Kerstin Koedlitz und Robert Feustel von der Universität Leipzig.

Nun könnte sich der MDR glücklich schätzen, für eine Radio-Sendung überhaupt so prominente Gäste zu bekommen, Petry mag jeden Sendestrahl mitnehmen wollen und Hahne nimmt sich einfach die Zeit, weil sein aktuelles Buch „Schluss mit euren ewigen Mogelpackungen!: Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen“ gerade die Bestsellerlisten in den großen Verkaufsportalen anführt. Da sind ein paar Verkäufe mehr auch kein Beinbruch.

Nun ist die Nutzung des N-Wortes, welches Europäer und Kolonialisten ganz früher einmal für farbige Menschen aus Afrika verwendeten, sicherlich kein Thema mehr für eine Diskussion darüber, was man noch sagen darf und was nicht. Der MDR-Sachsen konnte also im Vorfeld davon ausgehen, dass es in der Ecke nichts zu holen gibt, keinen Streit, keine Debatte. Allenfalls die Frage, ob man nun „Schwarzer“„Farbiger“ oder „Subsaharianer“ sagen soll, ist interessant, das wissen schon weniger Bürger genau. Also hat sich einmal das Online-Forum des Magazins Stern mit dieser Frage befasst.

Auch die Welt hakte mal nach: „Wie nennt man einen Schwarzen?“ Da erfährt man, dass noch 1915 das Berliner Passage-Panoptikum in einer Völkerschau titelte „50 wilde Kongoweiber“. Und wer schon einmal in den Staaten war, der weiß, Afroamerikaner nennen sich schon mal untereinander „Nigger“. Aber damit ist es einem Europäer noch lange nicht gestattet, einen Farbigen auf diese abfällige Weise anzusprechen. Das gibt gewaltigen Ärger. Klingt alles kompliziert, ist aber bei gutem Willen einfacher zu verstehen, als es das Essen mit Messer und Gabel für einen Dreijährigen ist.

Besagte Sendung wurde nun vom MDR-Sachsen via Twitter folgendermaßen angekündigt: „Darf man heute noch ‚Neger’ sagen? Warum ist politische Korrektheit zur Kampfzone geworden? Darüber sprechen wir heute Abend (20 Uhr)“. Ok, das war blöd.

Aber es war zunächst deshalb besonders blöd, weil der potenzielle Zuhörer sich ausmalen konnte, dass das langweilig wird, wenn mutmaßlich – also absolut sicher – die geladenen Gäste diese Frage einheilig mit einem Wort beantworten können: „Nein“. Also klar nein, das N-Wort darf man nicht sagen. Sollte man nicht sagen. Ist doof. Das lernen die Kleinsten schon in der Kita. Das hört man, wenn, dann nur noch im Altenheim bei unbelehrbaren Omas und Opas. Aber der Altenpfleger drückt ein Auge zu. Und später dann unvermeidlich auch zwei, wenn es soweit ist, wenn es Zeit ist, dem Herrgott ein „Hallo“ zu sagen. Wenn man dorthin kommt, wo es hoffentlich keinen Rassismus mehr gibt und nur diesen einen weiten Himmel für alle guten Geister.

Aber natürlich gibt es sie, die unklaren Wörter. Den Streit um Begrifflichkeiten, die politische Korrektheit, diesen grassierenden Wahn um die Verbalisierung von Gendergerechtigkeit, Sexismus, Rassismus usw. Dabei geht es nicht einmal um Einhaltung von Höflichkeiten oder darum, Dinge nicht auszusprechen, die in die Toilette gehören. Es geht um die politische Dimension von Sprachkorrekturen. Und beispielsweise um die Frage, ob kontaminierte Wörter unserer Vorfahren auch im historischen Kontext tabuisiert gehören. Also um die Macht, um die Kraft und im Extrem um das Vernichtungspotenzial von Sprache.

Was für ein Thema, hoch interessant, noch dazu mit diesen Gästen. Nun hat MDR-Sachsen die Sendung abgesagt.

Und beispielsweise fleißige Twitter-Bienchen (politisch völlig unkorrekter übel-sexistischer Begriff) wie Rhea Buchhaim dürfen sich nun auf die Fahnen schreiben, diese Absage mit herbeigeführt zu haben, als sie twitterte:

„Löscht diesen Tweet! Am besten die ganze Veranstaltung. Wer so unsensibel ist, sollte besser die Finger von solchen Themen lassen. Und sowieso ist die Antwort „Nein!““.

Rhea Buchhaims Twitter Profil startet mit der bei Twitter üblichen Selbsterklärung. Frau Buchhaim stellt sich vor mit folgenden Hashtag-Begriffen: #Antifa, #Queerfeminismus, #Tierrechte und alles was sonst noch richtig, wichtig und schön ist! ~ Frauen*- & geschlechterpol. Sprecherin bei @gruene_berlin

Rhea Buchhaim bekam darauf hin ihrerseits einen Mini-Shitstorm aus dem rechten Lager und twitterte weiter: „Für jede beleidigte o wütende Reaktion von Rechten auf meine Tweets, genehmige ich mir ab jetzt ein“.

Ja, soll sie sich betrinken. Besaufen. Und dazu laute Musik von politischen korrekten Sängern hören. Marius Müller-Westernhagen würde sich doch perfekt anbieten, der hat nämlich gerade alle seine Echo-Auszeichnungen zurückgegeben. Noch besser: Vielleicht mag Rhea ihre Musikauswahl ja twittern, so wie es unser Lieblings-Sozialdemokrat Ralf Stegner immer macht: „Mein Musiktipp für Euch da draußen im digitalen Orbit: „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz.“

Toll, und hier wäre der Text von Müller-Westerhagens Song zum Mitsingen: „Neger, die sind dunkel, im Dunkeln lässt sich’s munkeln. An der Macht da sind die Weißen, darauf reimt sich sch…“

Ähm… ja, dass ist aus einer anderen Zeit. Also was für das Altersheim. Aber wir können ja mal ein Auge zudrücken…

 

 

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