„Kurz hat gewonnen, weil er sich nicht links anbiedert“

WerteUnion-Chef Alexander Mitsch fordert von der CDU, die Lehren aus der Österreich-Wahl zu ziehen: Sie sollte den Grünen nicht mehr nachlaufen - und Friedrich Merz zum Kanzler-Kandidaten küren.

imago images / Viennareport
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz

TE: Herr Mitsch, Sebastian Kurz’ ÖVP hat noch einmal kräftig zugelegt, die FPÖ ist abgestürzt: Welche Schlüsse muss die CDU aus der Österreich-Wahl ziehen?

Alexander Mitsch: Die wichtigsten Schlussfolgerungen aus der Wahl in Österreich sind zweierlei. Erstens: Sebastian Kurz hat die ÖVP in zwei Wahlen aus einem tiefen Tal geführt. Sein politisches Profil ist durch die Themen innere Sicherheit, Begrenzung der Migration und Steuerentlastung geprägt. Er hat konsequent klassische christdemokratische Gesellschafts- und Wirtschaftsthemen besetzt, und damit eine Politikwende erreicht. Vor Kurz waren ÖVP und SPÖ ja ein ziemlicher Einheitsbrei, ungefähr so wie die Groko bei uns.

Zweitens: Sein klarer Kurs hat sich nicht nur inhaltlich für sein Land, sondern auch im Wahlergebnis für seine Partei deutlich ausgezahlt.

Die CDU sollte also mehr Kurz wagen?

Er ist natürlich ein Vorbild für die CDU. Von 37 Prozent kann unsere Partei zurzeit nur träumen. Aber Kurz hat die ÖVP ungefähr mit Werten übernommen, die die CDU heute hat. Er hat demonstriert, dass es möglich ist, mit einem bürgerlichen Profil auch aus einer schwierigen Position heraus zu gewinnen. Und, was noch wichtiger ist als die Prozentzahl: Er besitzt die Freiheit, sich den Koalitionspartner auszusuchen, mit dem er seine Politik am besten durchsetzen kann.

Nach einer Umfrage liegt die Union mit den Grünen mittlerweile wieder gleichauf, mit je 27 Prozent. Viele in Ihrer Partei ziehen daraus den Schluss, dass die CDU sich noch mehr mit Klimapolitik profilieren muss. Kann das funktionieren?

Hingeschaut
Österreich: Womit Kurz umgehen muss
 Ich glaube den Gleichstand nicht. Es gibt auch Umfragen, die noch einen Abstand zwischen Union und Grünen sehen. Aber die Erwartung, die CDU könnte zulegen oder gar verlorene frühere Stammwähler zurückgewinnen, wenn sie ein bisschen auf grün macht und ein unausgegorenes Klimapaket verabschiedet, die ist völlig illusorisch. Mit CO2-Steuer, Verbot von Ölheizungen und anderen Phantastereien stößt sie ihre eigentliche Klientel vor den Kopf. Deutschland befindet sich schon in einer leichten Rezession. Unser Stammpublikum erwartet eine ganz andere Politik, und bestimmt keine Steuererhöhung.

Ich bin als Vorsitzender der WerteUnion viel unterwegs und höre immer wieder von langjährigen Anhängern: Ich kann euch erst wieder wählen, wenn der Kurs sich deutlich ändert.

Die CDU hat nun mal keinen jungen smarten Politiker an der Spitze. Was kann sie also von dem ÖVP-Chef lernen?

Das Entscheidende ist: sich nicht bei der politischen Linken anbiedern. Kurz hat sich nicht bei SPÖ und Grünen angebiedert, ist ihren Themen nicht nachgelaufen. Sondern er hat die Themen gesetzt, die er für richtig gehalten hat, und für die sich offenbar die bürgerlichen Wähler interessieren. Es kann schon sein, dass er dann die Stimmen von wenigen aus dem grünen Bürgertum nicht bekommen hat. Aber dafür erreicht er die vielen, denen innere Sicherheit, eine Begrenzung der Migration und eine liberale Wirtschaftspolitik wichtig sind.

Sie sagten, der Kurs der CDU müsste sich deutlich ändern. Wann soll das passieren? Und mit wem?

Nach der Thüringenwahl Ende Oktober, die wahrscheinlich mit einem schwierigen Ergebnis enden wird, könnte es eine große politische Dynamik geben. Die SPD wählt ein neues Vorsitzenden-Duo, die CDU hat ihren Parteitag im November.

Sie vermuten, dass Angela Merkel als Kanzlerin abtritt?

Die Wahrscheinlichkeit, dass Frau Merkel freiwillig geht, ist gering. Die für mich zentrale Frage ist die der Kanzlerkandidatur. Die sollte nach Ansicht der WerteUnion durch eine Urwahl entschieden werden. Eine mögliche Konstellation könnte so aussehen, dass Annegret Kamp-Karrenbauer erst einmal Parteivorsitzende bleibt, aber Friedrich Merz Kanzlerkandidat wird.

Wäre das nicht etwas früh? Der reguläre Wahltermin ist erst im Herbst 2021.

Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, die Entscheidung über die Art der Kandidatenkür und die Kanzlerkandidatur auch schon früher zu treffen. Es würde der CDU auch sehr gut tun, wenn Friedrich Merz jetzt in das Bundeskabinett käme. Und er könnte als Kanzlerkandidat die Gefahr eines verheerenden grün-rot-dunkelroten Bündnisses verhindern.

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Kommentare ( 104 )

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docroesner
4 Jahre her

Die Sehnsucht nach einem intelligenten konservativen Politiker ist offenkundig in Deutschland. Es ist aber einfach keiner da, Punkt. Es hilft doch nichts, von Kurz zu träumen, Salvini zu bewundern, Orban zuzustimmen oder Bolsonaro. Was ich mich seit Jahren frage, v.a. auch wenn ich Leichtmatrosen wie Höcke sehe … wie haben sie es nur fertig gebracht, ** Denn da ist das wirkliche Problem. Es gibt ja in KEINER Partei mehr richtige Männer! Die Frauen können es nicht – da sind wir uns ja hoffentlich einig.
**

Hegauhenne
4 Jahre her

Ich lache gerne mit.
Aber da ist sonst niemand. Ich sehe nur ein schwarzes Loch.
Nichts gegen Herrn Merz persönlich, aber er ist sicherlich nicht der Typ, hinter dem sich die Mehrheitsbevölkerung versammeln möchte.
Das Personaltableau der CDU ist ja inzwischen ähnlich unterirdisch wie das der SPD.
Es reicht ja nicht mal fürs Kabinett. ?
Selbst Ministerpräsidenten kommen ja eher als (sorry, aber so isses) Comic-Figuren daher.
Also, da muß die Werte-Union noch lange ein dickes Ei ausbrüten, bis da ein Kurz schlüpft. ?

Alf Egner
4 Jahre her

Verstehe auch nicht, warum alle so von Kurz angetan sind. Er hat im Wesentlichen FPÖ Politik in Sachen Masseneinwanderung übernommen. Das hat ihm und seiner Partei vor dem Absturz bewahrt. Jetzt, da die FPÖ erstmal ausfällt kann die ÖVP wieder linksgrüne Politik machen.

RauerMan
4 Jahre her

Das Thema betrifft Herrn Kurz, Herr Merz ist in diesem Zusammenhang allerdings auch eine betrachtenswerte Person. Ihn kann man sehen wie man will, aber in der CDU ist er eine immer wichtigere Person, der offensichtlich eine andere Politik als Merkel machen möchte. Das Niedermachen(Verleumdungen usw) der AfD findet bei ihm keinen Zuspruch, obwohl er natürlich für seine Partei Wahlen gewinnen muß. In vielen Bereichen vertritt die CDU/CSU eigentlich die gleichen, mindestens ähnliche Positionen (wenn sie das auch bestreitet) wie die AfD, was auch klar ist, da es alte CDU/CSU-Werte sind. Warum also „Feindseligkeiten“ vertiefen anstatt in Zukunft evtl. Verbündete zu… Mehr

Thrym
4 Jahre her

„Nach einer Umfrage liegt die Union mit den Grünen mittlerweile wieder gleichauf, mit je 27 Prozent.“

Wahlumfragewerte für die Grünen sind in etwa so, als würden Sie vor einem Fußballspiel Schalke gegen Barcelona die Schalke-Fans fragen, wie es ausgeht.

Ich kann mich wirklich an keine einzige (!) Wahl erinnern, wo die Grünen auch nur in die Nähe ihrer Umfragewerte kamen.

Dieter Rose
4 Jahre her

Entschuldigen Sie:
welche Werte
hat die CDU heute.
ich meine, sie hat alle Werte
verloren, verleugnet.
angefangen mit der
zu Boden geworfenen
Deutschlandfahne.

RauerMan
4 Jahre her

Wann begreift es die Mehrheit der CDUler endlich warum ihnen so viele Wähler abhandengekommen sind und sich inzwischen von der AfD vertreten fühlen !? Zigfach wurden die Motivationen kundgetan, Lehren wurden nicht gezogen, im Gegenteil wir wurden auf das übelste beschimpft und diskriminiert, die Sachfragen spielten keine Rolle, mit "Nazis" spricht man nicht, was bei Unbedarften auch zog/zieht. Herr Tauber wollte uns auch ausdrücklich nicht zurückhaben, jetzt hetzt er anders, was aber dem realistischeren Berliner Kreis nicht gefällt, das ist aber wiederum deren internes Problem. Die Sachfragen, aufzählen ist m.E. nicht mehr nötig, da hinreichend bekannt. , Diese Sachfragen werden… Mehr

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her

Ein anderer Windradhersteller profitiert? So was in der Art.

Portofino
4 Jahre her

„Die CDU sollte mehr Kurz wagen“.
Mein Gott wie soll das gehen mit den ** von Angelas Gnaden: Altmeier, Laschet, Bouffier, Günther, Laumann usw. – reine Pille-Palle…
Die Werteunion sollte eine eigene Partei gründen: „WUD“ Werte-Union-Deutschland.

Ursula Schneider
4 Jahre her
Antworten an  Portofino

Nein, sie sollte geschlossen zur AfD wechseln. Das wäre ein Paukenschlag, der diesen drögen links-grünen Einheitsbrei mal aufmischen und Klarheit schaffen könnte.

Deichgraf72
4 Jahre her
Antworten an  Ursula Schneider

Das würde aber nur funktionieren, wenn die aus dem Gärigen Haufen eine Wählbare Partei für alle machen, ich traue Herrn Maaßen das durch aus zu, und er könnte sich dann auch als Kanzlerkandidat der AFD etablieren. Wenn da nicht der Widerstand der Medien und Alt Parteien wäre.

Hegauhenne
4 Jahre her
Antworten an  Portofino

Die Union ist tot getreten, das zieht nicht mehr.
Vielleicht doch eher Demokratischer Aufbruch? ?
DDR2 haben wir ja schon. ?

Heinrich Niklaus
4 Jahre her

Kann mir jemand sagen, wie A.Mitsch bei der Abstimmung über den Migrationspakt abgestimmt hat? Ich finde darüber noch nicht einmal bei Abgeordnetenwatch etwas.

Hans-Jacob Heidenreich
4 Jahre her
Antworten an  Heinrich Niklaus

Herr Niklaus, lt. Tichy’s Einblick vom 29.11.2018
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/namentliche-abstimmung-bundestag-globaler-pakt-fuer-migration/
haben 229 Mitglieder der CDU/CSU mit „ja“ gestimmt, 4 mit „nein“, 2 haben sich enthalten und 11 nicht teilgenommen.
Allzu hoch war der Widerstand der „Werteunion“ gegen den Migrationspakt scheint’s nicht, oder sie hat nur 4 Mitglieder?
Man fragt sich, wenn die „Werteunion“ für „Werte“ steht, für was dann der Rest der Union stehen mag?

Heinrich Niklaus
4 Jahre her

Lieber Herr Heidenreich,
vielen Dank für Ihre Antwort. Stimme Ihnen zu! Auch im Verzeichnis der namentlichen Abstimmungen taucht der Name Mitsch nicht auf. Jetzt las ich, Mitsch habe dem Migrationspakt zugestimmt, fand aber bisher nicht die Bestätigung in offiziellen Unterlagen.