Jüdische Gemeinde Halle: „Gegen politische Instrumentalisierung“

Es ist ein ungewöhnlicher Brief, mit dem sich die Jüdische Gemeinde Halle nach dem Anschlag an die Öffentlichkeit wendet: Sie wendet sich gegen die "politische Instrumentalisierung" und jede Form von Hass - auch vermeintlich "politisch korrekten". Wir dokumentieren.

Romolo Tavani/Getty Images

Antisemitischer Anschlag am Jom Kippur in Halle  

Der antisemitische und unmenschliche Terroranschlag am Jom Kippur in Halle (Saale) hat unsere Gemeinde, ebenso wie die gesamte Stadt, schockiert und in tiefe Trauer versetzt. Wir bedanken uns bei den zahlreichen uns bekannten und unbekannten Menschen aus Halle und anderen Orten in Deutschland, Israel, Europa und der gesamten Welt, die ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht haben. Die Worte, die wir in E-Mails, WhatsApp- und Facebook-Nachrichten lesen, spielen für uns eine sehr große Rolle. Zeigen sie uns doch, dass wir ein Teil dieser Gesellschaft sein dürfen und dass der Mörder vom 9. Oktober mit seiner Hass-Ideologie und bestialischen Brutalität in absoluter Minderheit bleibt.

Am 9. Oktober sind mehrere unschuldige Menschen Opfer dieser Hass-Ideologie geworden, zwei von ihnen haben ihr Leben verloren… Unsere Gemeinde steht in tiefster Trauer. Wir werden beim kommenden Schabbat-G-ttesdienst ein spezielles Gebet für diese Menschen in der Synagoge sprechen. Wir kennen die Angehörigen der Opfer nicht, möchten jedoch zum Ausdruck bringen, wie sehr es uns schmerzt, was ihren Familien an diesem Tag geschehen ist. Wenn wir in jeglicher Weise helfen können, stehen wir aus tiefstem Herzen jederzeit zur Verfügung. Wir wünschen auch den verletzten Opfern dieses Terroranschlags schnellste Genesung. Und wir wünschen allen, die unmittelbar von diesem bestialischen Attentäter während seines blutigen Irrwegs durch die Straßen Halles und des Saalkreises betroffen waren, eine schnellstmögliche Verarbeitung des Geschehenen.

Leider gibt es bereits Versuche einiger politischer Kräfte, die traurigen Ereignisse des Anschlags für die eigenen politischen Ziele zu missbrauchen. Hier kann nur das wiederholt werden, was wir bereits zuvor betont haben: Der wahre Feind ist der Hass. Egal gegen wen, sei es gegen Juden, Christen oder Muslime – Sunniten oder Schiiten –, oder auch gegen Atheisten oder Agnostiker, gegen Frauen oder Männer, gegen Menschen mit oder ohne Behinderung, gegen Kranke oder Gesunde, gegen Menschen, die angeblich zu intelligent oder zu wenig intelligent sind, gegen Reiche oder Arme. Aber auch gegen denjenigen, die bestimmte Berufe ausüben, z. B. in der Kohlenbranche, bei der Bundeswehr oder bei der Polizei; gegen SUV-Fahrer oder gegen Fahrradfahrer. Das Wort TOLERANZ sollte über die eigenen Ansichten und vor allem über die eigenen Taten gestellt werden. Der politische Missbrauch der Opfer des Terroranschlags in Halle macht uns noch trauriger.

Wir Juden sind Optimisten. Angesichts unserer Geschichte haben wir auch keine andere Wahl. Wir glauben an den allmächtigen und barmherzigen G-tt. Und wir glauben an den von Ihm geschaffenen Menschen, der in absoluter Mehrheit zu Ihm und nicht zum Bösen steht!


Erschienen bei Jüdische Gemeinde Halle

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Kommentare ( 82 )

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Horts
4 Jahre her

Laut FRA‐Umfrage (EU‐Grundrechteagentur FRA) halten 7 von 10 befragten europäischen Juden Regierungen für ineffektiv im Kampf gegen den Antisemitismus. Die Befragten nannten als häufigste Tätergruppen: 30% radikale Muslime 21% aus dem linken politischen Spektrum 16% Arbeits‐ oder Schulkollegen 15% Menschen aus dem Bekanntenkreis 13% Personen mit rechtsextremen Ansichten Quelle: https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/die-angst-geht-um-2/.

Der nachdenkliche Paul
4 Jahre her

Erst vor zwei Tagen hatte TE den offenen Brief der Jüdischen Gemeinde in Halle veröffentlicht, der ein absolutes Vorbild für alle Politiker und Hetzer wie Friedmann sein sollte.

https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/juedische-gemeinde-halle-gegen-politische-instrumentalisierung/

Anstatt diesen Brief vorzulesen oder zu veröffentlichen, lädt Frank Plasberg den absoluten Oberhetzer Friedmann ein. **

Josef K.
4 Jahre her

Im Spiegel ist ein Artikel zu lesen, demzufolge die überwiegende Mehrzahl an antisemitiseschen Straftaten dem rechtsextremen Lager zuzuordnen seien. Tolle Grafik. Unten ist alles schwarz. Das sind die Neonazis. Das Wort: arabisch/palästinensischer Antisemitismus kommt nicht vor und wird geflissentlich dem politischen Protest gegen die israelische Politik zugeordnet – ist also kein Antisemitismus. Dennoch ist dieser Motivationskomplex weltwei für die meisten Todesopfer verantwortlich. Bei Wikipedia sind antisemitische Straftaten seit 1959 gelistet und ich habe sie Kategorisiert: 15 Straftsten rechtsextremistisch motiviert 20 Straftaten Palästinensich/Arabisch motiviert 1 Linksradikal 26 unbekannt 1 Ausland Dann habe ich die Hakenkreuz-Schmierereien herausgenommen und nochmals gezählt: 11 Straftsten… Mehr

Kassandra
4 Jahre her
Antworten an  Josef K.

Es steht geschrieben, dass sie alle Ungläubigen bekämpfen sollen. Seit der Zeit als Mohammed das Wort ihres Gottes aufschreiben lies und immerdar bis an der Welt Ende.
https://www.atheisten-info.at/downloads/Bill_Warner-Scharia_fuer_Nicht-Muslime.pdf
Keine Zeile in dem Konstrukt darf verändert werden, Zweifel ist nicht erlaubt und der Austritt aus der Ideologie wird mit dem Tod geahndet. Alle von Menschen gemachten Gesetze, also auch unsere, werden denen untergeordnet, die geschrieben sind.

Piet L.
4 Jahre her


Danke für das Schreiben der jüdischen Gemeinde, die Leute haben noch einen Haltung.

Kassandra
4 Jahre her

Steinmeier ist schlecht beraten. Oder einfach ein schlechter Bundespräsident? Der umfassen alle berücksichtigende Brief der jüdischen Gemeinde macht das überdeutlich.
Der Besitzer des Dönerladens jedenfalls findet sein Verhalten gegenüber ihm und seinen Mitarbeitern nicht angemessen:
https://twitter.com/ShahakShapira/status/1183464846672777218

usalloch
4 Jahre her

Diesen Brief können sich nicht wenige Medienschaffende hinter den Spiegel heften. Er zeigt neben der noblen Geste auch, das ein altes Kulturvolk , dass in ihrer Geschichte über „reiche“ Erfahrungen an Verfolgung, Ausgrenzung und Mord verfügt, sehr wohl klare Einschätzungen vornehmen kann, auch weil sie im Laufe ihrer Geschichte gelernt hat den Schalmeien und Trompeten nicht zu trauen. Solange die politische Führung weiter auf unkontrollierte Einwanderung aus den Ländern bekannter jüdischen Erzfeinden setzt, wird bei jedem Problem die AFD der Esel sein ,auf den eingeschlagen wird. Und das, obwohl die Mutter aller Probleme woanders zu verorten ist.

Wolfsohn
4 Jahre her
Antworten an  usalloch

„Mutter aller Probleme“ – Sie meinen doch nicht etwa die „Bundes-Mutter“ Merkel?

Lavinia
4 Jahre her

Ein bemerkenswertes Statement, ich weiß nicht, ob ich das unter diesen Umständen könnte. Meinen Respekt dafür.
Die Frage, ob die sogenannten Leitmedien diesen Brief veröffentlichen werden, kann man sich vermutlich sparen…

Karl Schmidt
4 Jahre her

Die jüdische Gemeinde hat die vielen kleinen und großen Kampagnen, die die Hasslinken und ihre privaten politischen Organisationen (NGO) seit inzwischen Jahren über die Republik schütten, bemerkt und will sich dafür nicht vereinnahmen lassen. Indes wird das die Adressaten nicht interessieren: Es ist das Wesen der Instrumentalisierung nicht wirklich an den Opfern interessiert zu sein. Es geht darum Geld zu verdienen (die Steuermittel abzugreifen oder wenigstens deren Kürzung zu verhindern) und Wahlen mit grotesken Erzählungen zu beeinflussen. Währenddessen nutzen die Weltlinken die Nationallinken, um die Freiheit weiter zu ersticken – so wie Nationallinke jeden anderen zum Schweigen bringen wollen, der… Mehr

Talleyrand
4 Jahre her

Nicht zu vergessen: Unter den Instrumentierern solcher Terrortaten findet sich regelmäßig der Zentralrat der Juden in Deutschland. Ich glaube nicht, dass diese Organisation generelle Meinung meiner jüdischen Mitbürger wiedergibt. Ich würde zu gerne wissen, was der Zentralrat zu diesem Manifest sagt.

Biskaborn
4 Jahre her
Antworten an  Talleyrand

Genau, dieser Brief ist mit Sicherheit nicht mit dem Zentralrat abgestimmt, **

Dr. Michael Kubina
4 Jahre her

Ein wirklich bemerkenswertes Statement, das von großer innerer Stärke und Selbstbewusstsein zeugt. Habe jetzt Tagesspiegel, WELT und Berliner Morgenpost hinter mir, leider nichts von diesem Statement gelesen dort.