Jamaika nimmt kein gutes Ende für die Union

Die CDU ist in den Verhandlungen ohne Profil, die Positionen werden von FDP und Grünen deutlich markiert. Wozu aber braucht man die Partei ohne Eigenschaften dann noch, scheinen sich immer mehr Wähler zu fragen.

© Odd Andersen/AFP/Getty Images

Die Jamaika-Verhandlungen werden allmählich zur Gefahr für CDU und CSU: Die Union verliert mit zunehmender Dauer der Verhandlungen über eine mögliche Jamaika-Koalition an Zustimmung in der Bevölkerung. Gerade einmal 30 Prozent würden dem Sonntagstrend zufolge noch CDU/CSU wählen. Das ist der niedrigste Stand seit Oktober 2011 und ein Punkt weniger als in der Vorwoche, wie aus der Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ hervorgeht.

Während FDP und Grüne sich mit gegensätzlichen Forderungen beharken, bleibt die CDU erstaunlich inhaltsleer. Mit ihr geht einfach alles und auch gerne das Gegenteil, mit wem auch immer und wozu auch immer. Aber reicht das? Die Wähler spüren, dass die CDU von Merkel inhaltlich entkernt wurde. Sie kann mit jedem, Hauptsache sie bleibt Kanzlerin. Aber Kanzlerin wofür? Es ist ihr auch nicht gelungen, Jamaika irgendeinen Sinn zu geben – außer eben den einen: Machterhalt. Aber Kanzlerinnen-Partei alleine reicht nicht. Letztlich hat Merkel die CDU auf die Zeit vor Kohl zurückgeführt: Ein Wahlverein ohne Programm und Positionen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Das schlechte Wahlergebnis und die offenkundige Unfähigkeit, eine stringente Politik zu formulieren, führt zu sichtbaren Krisensymptomen. In der CSU tobt seit Vergangener Woche der offene Machtkampf zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer und seinem Heimatminister Markus Söder.

Einer baut schon mal vor, falls es bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr zu schlechten Ergebnisse kommt: So hat Horst Seehofer seinen innerparteilichen Herausforderer aus Franken für die schlechten Umfragewerte seiner Partei verantwortlich gemacht. Der von Söder wohl initiierte Angriff auf ihn durch die Junge Union sei „nicht bekömmlich, weder für mich noch für die Gesamtpartei.“ Die schlechte Umfragedaten seien die Folge dieser Personaldebatte. „Das habe ich nicht zu verantworten“, sagte Seehofer.

Seehofer verteidigte abermals, dass er Söder nicht in die Sondierungsgespräche eingebunden hat. Dabei hat er rein formal argumentiert: In Berlin dabei seien die Stellvertreter sowie die Vorsitzenden der CSU-Landtagsfraktion und -Landesgruppe im Bundestag. Aber in Bayern wird das anders gelesen: Seehofer versuche so, Söder auszumanövrieren. Schlau ist das nicht – Söder kann jedes Jamaika-Ergebnis kritisiereren, er ist es ja nicht gewesen.

Die SPD gewinnt dagegen einen Punkt auf 22 Prozent. Offensichtlich zahlt sich die Entscheidung aus, in die Opposition zu gehen. Sie gewinnt automatisch vom Jamaika-Durcheinander.

Auch FDP und AfD legen einen Prozentpunkt zu und kommen auf elf beziehungsweise 13 Prozent. Die Lage ist gemütlich für die AfD – sie muss nur zuschauen, wie die Union ihre Unfähigkeit zu klarer Politik zelebriert.

Die Grünen verlieren einen Punkt auf zehn Prozent. Die Linke erreicht ebenfalls zehn Prozent, unverändert zur Vorwoche.

Nun darf man solche geringen Bewegungen bei den Befragten nicht überbewerten. Aber der lange Weg nach Jamaika ist ja noch nicht zu Ende, und die Profillosigkeit der Union so nicht lösbar.

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Kommentare ( 154 )

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H.P.
6 Jahre her

Ein Jamaika kann es nicht geben. Frau Merkel und die Grünen wollen das Land bis zur Unkenntlichkeit verändern, CSU und FDP stemmen sich dagegen. Bleibt nur Neuwahl ohne Merkel. Dann werden die Karten neu gemischt.

Bernd Schreller
6 Jahre her

Ich vermute ja eher, dass Seehofer noch die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen‘ auf seine Kappe nehmen soll, denn sein Ruf ist durchgängig sowieso schon zerstört, und erst dann Söder als Retter aus der Tasche gezogen bzw auf s Schild gehoben wird, um unbefleckten, weil das nicht zu verantworten, für die csU ein gutes Wahlergebnis in Bayern rausholen wird. Alles nur Strategie.

Imre
6 Jahre her

Wäre aber zumindest ein sehr schöner Traum, und mitunter werden Träume sogar wahr. Außerdem hat sich diese Marienerscheinung für uns soviele ständige und zusätzliche Belastungen einfallen lassen – an weiteren pfrimt sie herum – dass selbst blinden und gutmütigen Zeitgenossen (bald) die Hutschnur reißt. An die unbedarften Gemüter: Augen auf und Hirn einschalten, es wird schon wieder zum Krieg geblasen!

hasenfurz
6 Jahre her

-> Natasha Walter: „Living Dolls: Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen“

Atze
6 Jahre her

Wir wollen doch den Tag nicht vor dem Abend loben. Das Rennen um die schlechteste Kanzlerschaft seit 1933 ist noch völlig offen. Falls es demnächst bürgerkriegsähnliche Verhältnisse auf deutschen Strassen gibt, muss neu bewertet werden. Noch ist Merkel nicht Geschichte. Im übrigen werden aktuell viele verletzte oder tote Menschen gefunden.

basto
6 Jahre her

Das sehe ich genau so. Sie klebt solange an ihrem Sessel, bis sich die Chance zu höheren Weihen eröffnet – in der EU, am besten der UN – nur weit ab von dem „Volk“ dessen Zukunft sie ruiniert hat.
Sie weiß ganz genau, was ihr blüht, wenn sie sich nicht außer Reichweite der schon länger hier Lebenden bringt nach ihrer Kanzlerschaft.

Hugo C. Meier
6 Jahre her

Spiegel sich in den Jamaika Verhandlungen nicht genau das wieder, was der CDU / CSU bei der letzen Wahl schon zum Verhängnis wurde, nämlich kein Programm zu haben? „Sie kennen mich doch“ und ähnlich flache Aussagen helfen da nicht weiter und zeigen, dass die Führung der CDU noch nicht einmal verstanden hat, dass wir keine Personen- sondern Parteienwahl haben, es zeigt aber auch, dass Merkel = CDU aber CDU noch lange nicht Merkel ist. Der Versuch des Aufbaus eines Königreichs kann man als gescheitert betrachten => weder Krone noch Majestät! Merkel hat im Wahlkampf versucht möglichst nicht Stellung beziehen zu… Mehr

Heinz Martin
6 Jahre her

Die Profillosigkeit der CDU kann nur durch Neuwahlen und zwar ohne Merkel beseitigt werden. Vorher müsste in der CDU eine Diskussion über Inhalte und Neuorientierung erfolgen. Aus der Führungsriege müssten folgende Personen Konsequenzen ziehen: Merkel, Tauber, Altmaier, U.v.L.

Sören Hader
6 Jahre her

„Und was ist an Internationalisierung modern, wenn sie uns die Probleme der Dritten Welt ins Land spült?“

Und gleichzeitig die Segnungen des Internets nutzen wollen. 😉 Oder glauben Sie, dass der wissenschaftliche und technologische Fortschritt und das Internet ein Nationalstaat über uns gebracht hat?

„Japan, Südkorea und China haben uns in vielen Bereichen schon abgehängt, ohne dabei die Schotten hochzureissen.“
Die haben das nicht mit Protektionismus, sondern mit Öffnung der Märkte und mehr Weltoffenheit erreicht.

Schwabenwilli
6 Jahre her

Aber das ist Merkel bis dahin egal, den sie wird aus dem Politbetrieb ausgeschieden sein, , insgeheim wünscht sie es sich vielleicht sogar, nach dem Motto, „seht mal, ich bin nicht mehr da und der Laden geht den Bach runter“.

Die CDU ist auf Jahre, vielleicht für immer fertig.