In diesem Jahr entsteht eine „Flüchtlingsstadt“ von der Größe Kassels

Beurteilt man die Sorgen der Bevölkerung nach dem, was in Medien viel Platz findet, bewegt nichts mehr als die Frage, wie gerecht oder ungerecht es zugeht. Das gefällt politischen und kirchlichen Kreisen, die verkünden: „Es kommen ja kaum noch Flüchtlinge“.

© pure-life-pictures/Fotolia

Trump, Erdogan und Assad haben das Thema „Flüchtlinge“ aus den Schlagzeilen verdrängt. Auch Politiker der Bundestagsparteien reden gerne so, als habe sich das Thema erledigt, je nach Sichtweise dank der Schließung der Balkonroute oder dank des Flüchtling-Abkommens zwischen der EU und der Türkei. In Berlin heißt es deshalb ebenso beschwichtigend wie floskelhaft: „Es kommen ja kaum noch Flüchtlinge.“

Nun ja. Wie alles im Leben ist auch die Zahl derer, die hier – berechtigt oder unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – um Asyl nachsuchen, relativ. 203.000 Asylbewerber im Jahr 2014 ließen bei uns die Alarmglocken schrillen. Im folgenden Jahr führte der Kontrollverlust an unseren Grenzen zum Einströmen von 1.091.894 Menschen. 2016 waren es dann – nach Schließung der Balkan-Route und nach Inkrafttreten des Abkommens mit der Türkei – „nur“ noch 321.371 Zugänge. Die Zahlen für 2015 und 2016 wurden später vom Bundesinnenministerium auf „rund 890.000“ beziehungsweise „gut 280.000“ korrigiert. Wobei auffällt, dass aus den einstmals sehr konkreten Zahlen plötzlich „Circa-Angaben“ wurden. So viel zum Thema Kontrollverlust.

„Es kommen ja kaum noch Flüchtlinge“? Laut offizieller Statistik wurde im März 2017 ein Zugang von 14.976 Asylsuchenden nach Deutschland registriert. In den ersten drei Monaten summiert sich die Zahl der nach Deutschland Gekommenen auf 47.249. Hochgerechnet auf das ganze Jahr dürften es rund 190.000 werden. Das entspricht einer Stadt von der Größe Kassels. Womit wir wieder auf dem Niveau von 2014 wären. Die Zählweise wurde zwar etwas verändert. Doch die Größenordnungen sind eindeutig: Zwischen 2014 und 2017 wächst die Bundesrepublik um vermutlich 1,56 Millionen Zuwanderern aus fremden Kulturkreisen. Abschiebungen und freiwillige Rückkehrer fallen nicht sonderlich ins Gewicht, da im Wege des Familiennachzugs wohl mehr kommen, als gehen müssen.

Rund 1,5 Millionen Asylberechtigte, Schutzsuchende und illegale Migranten innerhalb von vier Jahren: Das ist so, als wäre mitten in Deutschland ein zweites München entstanden – oder es wären zwei neue Städte von der Größe des hessischen Frankfurts hinzukommen. Natürlich mildert die regionale Verteilung der Zuwanderer die Wirkung der Zahl von gut 1,5 Millionen. Doch kann keine Rede davon sein, dass das Thema Zuwanderung in der Bevölkerung an Bedeutung verloren hätte. Im aktuellen Politbarometer bezeichnen 47 Prozent der Befragten „Ausländer/Flüchtlinge/Asyl“ als „wichtigstes Problem“. „Soziale Gerechtigkeit“, der vermeintliche Wahlkampfschlager von Martin Schulz, folgt mit 13 Prozent auf Platz zwei, das Thema Rente mit 11 Prozent auf Platz drei. Ach ja: Arbeitslosigkeit betrachten nur noch 9 Prozent als „wichtigstes“ Problem.

Würde man die Befindlichkeit der Bevölkerung anhand dessen beurteilen, was in den Medien besonders viel Platz einnimmt, dann käme man zu dem Ergebnis, nichts bewege die Deutschen mehr als die Frage, wie gerecht beziehungsweise ungerecht es hierzulande zugehe. Das entspricht zwar nicht der Wirklichkeit, ist aber ganz im Sinne all der politischen und kirchlichen Kreise, die fröhlich verkünden: „Es kommen ja kaum noch Flüchtlinge“.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 125 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

125 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Poco100
6 Jahre her

Dr. Müller-Vogg, Sie wissen doch ganz genau, daß Massenmedien die Meinung „machen“ u. da die dummerweise inklusive der FAZ, für die Sie ja auch mal tätig waren, bis auf wenige Aussnahmen, wie CICERO oder neue Blätter wie Tichy oder …….. Broders Achse des Guten, u.a. komplett auf Linie zu CDU bis Linke sind, freiwillig oder nachgeholfen, ist die Meinung d. Masse in diesem Land deren Meinung u. die ist wiederum die, der Linksverdrehten von Merkel über Gabriel bis Maas, Schwesig u. Roth etc. Also hat die Bevölkerung in der Mehrheit genau diese Meinung, die zu Ihrem Thema besagt, es kommt… Mehr

Wolleus
6 Jahre her

Naja, aber zum Mond haben die Russen es bis heute nicht geschafft. Also war der erste Flug ins All wohl mehr Risiko als professionelles Wissen und Können. Alles zum Ziele der Propaganda. So war das im kalten Krieg. Dennoch haben Sie schon recht, es war sicher nicht alles schwarz oder weiß und es gab auch im Sozialismus hervorragende Wissenschaftler. Aber wie Sie selbst schreiben, es waren einige wenige. Die haben sich sicherlich mehr um ihre Wissenschaft gekümmert als um die Politik. Bei denen war Politik sicher nur Mittel zum Zweck. Die Merkel geb. Kaser zähle ich aber nicht zu dieser… Mehr

Murxel
6 Jahre her

Bei den Zahlen muss man sich auch nicht wundern, dass Seehofer seine Merkel jetzt so lobt. Der Kuhhandel sieht wohl so aus: „Du kriegst deine Obergrenze, aber wir reden einfach nicht mehr darüber.“ Nichts passiert hier zufällig.

Ralf Pöhling
6 Jahre her

Zitat:“Abschiebungen und freiwillige Rückkehrer fallen nicht sonderlich ins
Gewicht, da im Wege des Familiennachzugs wohl mehr kommen, als gehen
müssen.“

Abschiebungen werden, entgegen der offiziellen Darstellung, politisch durch entsprechende Weichenstellungen sabotiert. Darum wird bei uns kaum jemand abgeschoben. Dabei ist es völlig egal, wie viel er oder sie auf dem Kerbholz hat. Prinzipiell ginge da deutlich mehr, wenn das Establishment es denn wirklich wollte.

Michael Basilon
6 Jahre her

Und die ganze Stadt lebt von Transfer Leistungen. Essen,Miete . Ärzte,das öffentliche Leben in dieser Stadt alles Bezahlt der Dumme Deutsche .

Meik Harms
6 Jahre her

Wer hat diesen einfältigen Schreiberling bloss eine Plattform gegeben? Anhand der Kommentare sieht man ja, welches Klientel Müller-Vogg explizit anspricht.Konservativ und Liberal wäre nachzubessern, nech.

Alditol
6 Jahre her
Antworten an  Meik Harms

Gibt es von Ihrem Beitrag auch eine Variante mit nachvollziehbarem Inhalt und – Gottbewahre! 😉 – irgendwie wahrnehmbaren Argumenten?

Henryke
6 Jahre her
Antworten an  Meik Harms

Es muss heißen
Davon abgesehen liegt „Einfältigkeit“ wohl immer im Auge des Betrachters…
Seien Sie doch froh, daß niemand Sie zwingt, hier bei dieser „Klientel“ zu bleiben;-)

Medley63
6 Jahre her

Ein „Fundstück“-Artikel von der Homepage der ehrwürdigen „Die Zeit“, der ganz hervorragend zum Artikelthema von Herrn Müller-Vogg: „Pippi Langfunk oder: Widiwidiwitt. Wir „Mainstream-Medien“ berichten von der Welt, wie es uns gefällt!“ passt(Leute mit koronarer Herzkranzverengung oder/und Ulcus Ventriculi bitte vor dem Lesen die entsprechenden Medikamente oder einen zweifach doppelten Wachholder nehmen. Wohl bekommt’s!) LINK: http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-04/schweden-fluechtlinge-integration-arbeitsmarkt-chancen-unternehmen Herrlich. Eine Wonne und eine Pracht, nicht wahr? So mittsommerschön ist das rosarote Diversity-Leben im hohen Norden, ja, wenn….wenn da nicht diese verbockten und verstockten blonden Ureinwohner mit ihrer merkwürdig kehlig-gurrenden Sprache wären, die offenbar alle in der Frühgeschichte Europas aus dem Westerwald und dem… Mehr

Sabine W.
6 Jahre her

Hier im Osten von Hamburg entsteht eines der größten Sozialexperimente überhaupt – in Billwerder, genauer gesagt im ‚Billwerder Gleisdreieck‘. Ein Stadtteil weit weg von besonderer Infrastruktur, ein bisschen S-Bahn-Anbindung, ein bisschen Busanbindung. Dort errichtet man seit Monaten im Eiltempo Expressbausiedlungen für tausende Migranten: http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Billwerder-Fluechtlingsunterkunft-vorgestellt,fluechtlinge6586.html https://www.welt.de/regionales/hamburg/article162078362/Hamburg-investiert-Millionen-in-Fluechtlings-Grosssiedlung.html Die ‚Ureinwohnerschaft‘ dort besteht aus gerade mal ca. 650 Menschen. Jeder Mensch kann hochrechnen, welche Entwicklung dort stattfinden wird, und da können noch so viele ‚Integrationscafés‘, ‚Begegnungsstätten‘, oder (schlimmer noch) ‚Jugendclubs‘ ( -> die Entwicklung solcher Einrichtungen hat sich spätestens nach der großen Grenzübertretung junger ‚Erlebnisorientierter‘ als Katastrophe erwiesen) etabliert werden. Ich habe vor ein… Mehr

Sabine W.
6 Jahre her
Antworten an  Sabine W.

Edit:
Das hat mir keine Ruhe gelassen, daher hier noch der Link zum besagten Leserbrief.
http://m.abendblatt.de/meinung/article209731859/Hoffen-dass-es-gut-geht.html

jackhot
6 Jahre her

In diesem Jahr entsteht eine „Flüchtlingsstadt“ von der Größe Kassels“
…ist doch geil. ..Alle(„Geflüchteten)“ da hin und machen lassen-großen Zaun drum herum…

Matthias Schulz
6 Jahre her

Am schlimmsten sind doch die vielen Deutschen, welche diesen Heimatraub wortlos und tatenlos ignorieren, sich in ihre Privatsphäre verziehen und so tun, als ob sie davon niemals tangiert würden. Diese schweigende Mehrheit ist der pure Horror. Man kommt sich vor wie unter Zombies. Endzeitstimmung.