Giffey und Feldmann: Ehe-Skandale verschiedener Qualität

Der Ehemann einer Bundesministerin verliert wegen Betrugs seinen Beamtenstatus. In früheren Zeiten wäre auch die Ministerin damit unhaltbar. Im Fall Feldmann ist die Verantwortlichkeit des Politiker-Ehemanns viel deutlicher. Aber die SPD will offenbar ohnehin beide nicht entbehren.

Sean Gallup/Getty Images

Damals im bürgerlichen Zeitalter, das auch das Zeitalter der Ehe und der Ehre war, hat der Verlust der letzteren bei dem einen Ehepartner ganz unvermeidlich auch den anderen hinabgezogen. Ein Fall wie der des Ehepaares Giffey wäre damals allerdings ohnehin undenkbar gewesen. Sie Bundesministerin, er „nur“ Referent als Experte für Tierimpfstoffe und Lebensmittelsicherheit im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales.

Karsten Giffey hat bei seinen Arbeitszeiten offenbar betrogen und Dienstreisen abgerechnet, die es nicht gab. Das Berliner Verwaltungsgericht hat entschieden, dass er aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen sei. Giffey hat offensichtlich seinen Diensteid gebrochen und den sprichwörtlichen silbernen Löffel gestohlen. Früher, in jenem vergangenen bürgerlichen Zeitalter, blieb einem „Ehrenmann“ in so einem Fall fast nichts anderes übrig, als auszuwandern oder sich umzubringen. Die gesamte Familie war dann „entehrt“. 

Dass es Sippenhaftung in freiheitlichen Rechtsstaaten und modernen Gesellschaften nicht mehr gibt, ist uneingeschränkt gut. Das moralische Urteil der Öffentlichkeit sollte ebenso wie ein etwaiges juristisches nur nach persönlichen Verantwortlichkeiten fragen, nicht nach Bluts- oder Wahlverwandschaften. Für den Betrug Karsten Giffeys ist nur er selbst verantwortlich. Man mag sich allenfalls unwillkürlich fragen: Hätte seine Frau ihn nicht, falls sie von dessen Betrug wusste, davon abhalten können? Aber die Antwort darauf kennen vermutlich nur die beiden Ehepartner und sie geht auch niemanden etwas an. 

Andererseits: Bei Politikern ist die Trennlinie zwischen öffentlich und privat eben nicht immer so eindeutig und unmissverständlich zu ziehen. Personalpolitische Fragen sind immer auch Fragen nach der nicht nur fachlichen, sondern auch charakterlichen Eignung der Kandidaten. Von der potentiellen Erpressbarkeit durch Vergehen, die sich eben auch auf Familienangehörige beziehen kann, zu schweigen. Noch vor einigen Jahren waren die Öffentlichkeit und vor allem der politische Betrieb selbst da sehr viel sensibler. 1993 etwa trat nicht nur Jürgen Möllemann als Bundeswirtschaftsminister zurück, nachdem er auf offiziellem Briefpapier für eine Geschäftsidee eines Vetters seiner Ehefrau geworben hatte. Im selben Jahr trat auch Verkehrsminister Günther Krause zurück: Seine inzwischen von ihm geschiedene Ehefrau hatte eine Putzhilfe mit staatlichen Geldern für Dauerarbeitslose bezahlt. Krause, der in der Wendezeit einer Pressesprecherin namens Angela Merkel zu einem Wahlkreis verholfen hatte, wird demnächst im RTL-Dschungel-Camp dabei sein. Da wird man vielleicht mehr erfahren aus jenen lang vergangenen Zeiten, da Ehepartner noch für die Vergehen ihrer Gatten in Mithaftung genommen wurden. 

Teil 3: AWO sicher vor Kontrolle?
Der AWO-Skandal 3: Verwicklungen des Oberbürgermeisters und der Behörden?
Der Fall des Ehepaars Giffey in Berlin ist moralisch und personalpolitisch anders gelagert als der zeitgleiche Skandal um das Ehepaar Feldmann in Frankfurt. Franziska Giffey kann für sich zu Recht in Anspruch nehmen, dass es keine Sippenhaft gebe. Bei Feldmann dagegen liegt der Verdacht nahe, dass der Ehemann als Oberbürgermeister und SPD-Politiker seiner Ehefrau zu finanziellem Vorteil bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) verholfen hat. Es geht also nicht nur um persönliches Fehlverhalten der Zübeyde Feldmann, wie ihr Ehemann mit der lapidaren Aussage, er kontrolliere nicht die Papiere seiner Frau, zu insinuieren versucht. Nun ist sogar in der AWO ausgesagt worden, dass es „klare Order vom Römer“, also aus dem Frankfurter Rathaus, wo Peter Feldmann regiert, gegeben habe, Informationen über das Beschäftigungsverhältnis von Zübeyde Feldmann nicht herauszugeben. Damit werden die Beteuerungen von Peter Feldmann, einst selbst bei der AWO in leitender Position, immer unglaubwürdiger, dass er nichts mit der Einstellung seiner Ehefrau und deren Eingruppierung in eine unverhältnismäßig hohe Gehaltsstufe zu tun gehabt habe. 

Neben den veränderten Sitten wird möglicherweise aber im Falle Giffey (und vielleicht auch Feldmann) ein banalerer Grund mit ausschlaggebend sein dafür, dass sie wohl Ministerin bleiben kann: Der SPD (und anderen Parteien) fehlt schlicht das Personal, um Skandalverluste zu ersetzen. Und letztlich stürzen Spitzenpolitiker immer erst dann, wenn ihnen in der eigenen Partei der Rückhalt verloren gegangen ist. Giffey gilt aber offenbar als unersetzliche Zukunftshoffnung der verschlissenen Sozialdemokraten. Sie wird auch als Nachfolgerin für den Berliner Regierenden Bürgermeister Müller gehandelt. Das wird ihr vermutlich auch geholfen haben, zu schaffen, was den früheren Bundesministern zu Guttenberg und Schavan nicht gelang: Sie saß die Plagiatsvorwürfe gegen ihre Doktorarbeit einfach aus. Offenbar geht mittlerweile ohnehin niemand mehr davon aus, dass der Doktortitel eines Spitzenpolitikers irgendeine Kompetenz bezeugt. 

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 118 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

118 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Aljoschu
4 Jahre her

Ich glaube, dass es tatsächlich so ist, wie im Artikel dargestellt, dass es konkret Personalengpässe sind, die die Reste-SPD und mit ihr die gesamte linke GroKo-Öffentlichkeit nötigt, selbst Skandalnudeln und anrüchige Trickser, Schacherer und Beutelschneider in ihren Funktionärsreihen zu dulden und zu behalten. Es geht ja schließlich um den Endkampf und -sieg gegen die Mächte der Dunkelheit, da zählen eben nur noch Haltung und zu jeder unpassenden Gelegenheit die richtigen Textbausteine. Alles andere wird vertuscht. Aber wie so oft wird diese Strategie der Koalition mit allem möglichen sich anbiedernden ehr- und prinzipienlosen Gesox die Fahrt in den Tunnel schräg nach… Mehr

Christa Wallau
4 Jahre her

Ich kann „Schwabenwilli“ (weiter unten) nur zustimmen: Die gesamte Gesellschaft ist daran schuld, daß Lügner und Betrüger nicht sofort von öffentlichen Ämtern zurücktreten müssen. Das Gefühl dafür, daß es Dinge gibt, die sich absolut nicht gehören, ist bei vielen unserer Zeitgenossen total verloren gegangen, und zwar deshalb, weil sie selber im Kleinen auch mehr oder weniger lügen und betrügen. Das einzige Prinzip, das noch gilt, lautet: Du darfst dich nicht erwischen lassen! Und wenn doch – dann versuche, die Sache auszusitzen. Wenn du Glück hast bzw. es geschickt machst, dann klappt es! Was in unserer Gesellschaft noch wirklich zählt, das… Mehr

Epouvantail du Neckar
4 Jahre her
Antworten an  Christa Wallau

Gerade aktuell haben wir, das Pack, die Gelegenheit uns boxbeinig zu zeigen. Sämtliche Spendenkonten an die sog. kirchennahen oder weltlichen „Sozialen Einrichtungen“ à la AWO, ASB etc. einstellen (habe ich getan). Den automatischen Einzug der Rundfunkgebühren entziehen, mit Verzögerung händisch zahlen Habe ich gemacht). Aus einer der Politkirchen kann man ja nur einmal austreten (bereits 1990 erledigt).
Und über die Wahlen ist eh alles gesagt.

Gondwana
4 Jahre her

Man stelle sich den Shitstorm vor es hätte sich um Politiker(gatten) von der AfD gehandelt……auwei…..

Christa Wallau
4 Jahre her
Antworten an  Gondwana

Ja, die einzigen, bei denen man noch (angeblich) moralische Maßstäbe anlegt, das sind
Leute von der AfD. Hier darf man so richtig empört und heftig draufschlagen und sich als Moralapostel aufspielen.
Diese total verlogene, heuchlerische Moral Gesellschaft, die sich auch in den MEDIEN spiegelt, **

Dill Schweiger
4 Jahre her

Die „Giffeys“ gehören sicher auch zur Berliner Clankriminalität!!

Dill Schweiger
4 Jahre her

Bitte bleiben Sie dran, liebe Tichyredaktion. Laut „Tagesspiegel“ gibt es brisante Neuigkeiten. Auch die Berliner Senatsverwaltung hat hier Ihre Finger mit im Spiel. Es geht um Beeinflussung des zuständigen Gerichts!!

Epouvantail du Neckar
4 Jahre her
Antworten an  Dill Schweiger

Der Hessische Rundfunk hatte gestern sogar eine Sondersendung zum AWO-Schurkenstück. Respekt. Das zieht wohl seine Kreise. Gut so.

Alter weiser Mann
4 Jahre her

Sicher, jeder ist für seinen Betrug verantwortlich. Aber seltsam, wenn bei einem Ehepaar beide betrügen (und der Doktortitel ist sogar noch ein Selbstbetrug). Das ist dann ein Betrugsehepaar. Gleich und gleich gesellt sich gern. Aber was haben solche Betrüger in Staatsämtern und -funktionen zu suchen? Gegen die freie Meinungsäußerung eines Sarrazin geht man vor. Kriminelles Handeln eines Ehepaares läßt man gewähren. Eine Heuchler-SPD ist das geworden. Es kommt wohl vom weiblichen Anteil am neuen SPD Vorsitz, was als „demokratischen Soziaismus“ beschrieben werden soll. Obwohl es rein sprachlich und inhaltlich einen „demokratischen Sozialismus“ gar nicht geben kann. Oder haben Sie schon… Mehr

Ulrich
4 Jahre her

„Der SPD (und anderen Parteien) fehlt schlicht das Personal, um Skandalverluste zu ersetzen.“ Hallo Herr Knauss, jetzt haben Sie aber die Personalie „Giffey“ überschätzt. Mir fallen da schlagartig eine Reihe SPD-Mitglieder ein, die diese Frau problemos ersetzen könnten. Angefangen bei unseren SPD-Gemeinderäten und das Ende ist mit Frau Esken noch lange nicht erreicht. Wie sagt doch der Pessimist so treffend: „Es kann nicht schlimmer kommen!“ und der Optimist darauf: „Oh doch!“. In diesem Sinne, lasst uns 2020 optimistisch in die Zukunft schauen.

Epouvantail du Neckar
4 Jahre her
Antworten an  Ulrich

Eigentlich hätte die Giffey-Mausi schon nach der Stasi-Kahane „Handreichung“ auf´s Abstellgleis gehört.

Johannes Streck
4 Jahre her

Der Ruhm kann erworben werden und bleibt, jedoch die Ehre darf nicht verloren werden, denn die ist dann für immer weg.

fatherted
4 Jahre her
Antworten an  Johannes Streck

sorry….aber Begrifflichkeiten wie Ehre werden heute nur noch von einer Bevoelkerungsgruppe verwendet….und das meist als Entschuldigung andere Leute zu verpruegeln oder tot zu schlagen. Ansonsten ist Ehre unter Politiker, Journalisten und Herrschaften die in der Oefffentlichkeit stehen weitgehend unbekannt.

Joerg Baumann
4 Jahre her

Meiner Ansicht nach hat sich bei den Folgen eines solchen Betrugs nicht wirklich viel geändert. Früher hätte man den involvierten Politiker „entfernt“, dadurch dann aber die Zustimmung der Wähler erhalten. Heute hält man am Politiker fest, verliert dadurch aber wieder einige 1000 oder mehr Wähler. „Gemeinsam in den Untergang“ scheint das Motto zu heißen. Aber man sagt ja auch „Reisende soll man nicht halten“. Also viel Spaß in der Bedeutungslosigkeit liebe SPD.

Muensteraner
4 Jahre her

Geld wie Heu und dann bei den Dienstreisen be**. Ich verstehe diese Raffgier nicht, dieses unerträgliche Verhalten der Moralapostel. Der einzige Grund, warum sowas heut zu Tage vermutlich ausgesessen werden kann, ist, dass man da oben unter seines gleichen ist. Wer greift nicht heimlich in die Steuerkasse von denen? Anscheinen macht es wohl jeder. Ich erinnere da auch mal an den 100 Prozent Schulz, der in einem Jahr angeblich an 360 Sitzungen im Eu-Parlament teilgenommen hat und die Sitzungsgelder dafür eingestrichen hatte. Und was war die Folge? Man wollte ihn zur Wahl als Bundeskanzler aufstellen. Sie werden immer dreister, weil… Mehr