Gestern Prophetin, heute Jesus – was morgen?

Der Erzbischof von Berlin verglich die schwedische Klima-Kämpferin mit Jesus. Politiker sehen die Klimaproteste als Wiederaufleben der Bürgerrechtsbewegung in der DDR. Die nach oben offene Begeisterungs-Skala ist nur noch mit Galgenhumor (=Klimaketzerei) zu ertragen.

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Wo soll das noch hinführen? Bis vor ein paar Wochen war Greta Thunberg, die 16-jährige Klima-Kämpferin aus Schweden, „nur“ eine Prophetin. Zumindest konnte man bei dieser Diagnose von Katrin Göring-Eckardt noch auf mangelnde Qualifikation verweisen: Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag hat ihr Theologiestudium schließlich abgebrochen und ist somit, was Göttliches und Biblisches angeht, nur Laie. Zumal sie ja auch eine andere Zielgruppe hat und eher dem Tierreich als dem Gottesreich zugewandt scheint, wie sie im Wahlkampf 2017 beteuerte: „Wir wollen, dass in diesen vier Jahren jede Biene und jeder Schmetterling und jeder Vogel in diesem Land weiß: Wir werden uns weiter für sie einsetzen!“

Und jetzt das: Greta Thunberg wurde von „Prophetin“ auf der Leiter der Bewunderung noch einmal deutlich höher gestuft – und auch noch von jemand, bei dem man sich nicht mehr darauf herausreden kann, dass ihm die theologische Kompetenz fehlt: Es war kein geringerer als der Berliner Erzbischof Heiner Koch (64), der die jugendliche Schwedin jetzt mit keinem geringeren als dem Sohn Gottes verglich: Jesus.

„Mich erinnern die Freitagsdemos ein wenig an die biblische Szene vom Einzug Jesu in Jerusalem“, sagte seine Exzellenz in seinem „Radiowort“ im RBB (im Wortlaut hier): Jesus Einzug in Jerusalem sei für viele „eine Art Triumphzug für einen Volkshelden, der bei den Menschen große Erwartungen ausgelöst hatte und auf den sich viele Hoffnungen auf Besserung richteten“ gewesen. Und dann folgt der entscheidende Satz des hochrangigen Katholiken: „Es geht mir jedoch nicht darum, die jugendliche Klimaschützerin Greta aus Schweden zu einem weiblichen Messias zu machen, indem ich sie mit Jesus von Nazareth vergleiche.

Was für eine Dialektik – sie könnte fast von einer marxistisch-leninistischen Hochschule stammen. „Nicht zu Messias machen“ – und gleichzeitig noch einmal explizit den Vergleich mit Jesus von Nazareth bestätigen. Wobei das Wort „Vergleich“ ja im deutschen Sprachgebrauch längst seine ursprüngliche Bedeutung verloren hat und meist als „gleichsetzen“ verstanden wird. So zumindest scheint es auch der Bischof gemeint zu haben, zumindest unterbewusst. Denn sonst hätte er hinzufügen müssen, dass der Vergleich von Jesus und Greta zur Erkenntnis führt, dass sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Zumindest wäre dieser Schluss unvermeidlich gewesen, wenn der Erzbischof die Heilige Schrift kennt. Aber vielleicht fällt ja auch er – obwohl vom Fach – unter das Urteil der Bundeskanzlerin, die ihren Landsleuten vor gar nicht allzu langer Zeit vorwarf, sie seien nicht mehr bibelfest. Aber schlimmer noch: Der Glaubensgrundsatz „Tu solus sanctus, Tu solus Dominus, Jesus Christus“ („nur Du bist heilig, nur Du bist Gott Jesus Christus“) ist einer der Grundpfeiler der katholischen Glaubens und Teil jeder Messe. Dieser Glaubensgrundsatz schließt jeden Vergleich von Jesus mit anderen kategorisch aus; er ist Gott und damit mit niemandem vergleichbar. Mit seinem Ausspruch falle der Erbischof streng genommen vom christlichen Glauben ab, moniert ein Geistlicher, der anonym bleiben möchte.

Manchen Medien wurde die Aussage des Oberhirten offenbar zu heiß. Die „Welt“ etwa ruderte zurück. Am Samstag hatte sie noch die Schlagzeile in die Welt gesetzt: „Berlins Bischof Koch vergleicht Greta Thunberg mit Jesus“.

Am Sonntag war dann in der gleichen „Welt“ eine ganz andere Schlagzeile zu lesen – ohne dass die Änderung erläutert worden wäre: „Bischof – Mich erinnern die Freitagsdemos an die biblische Szene vom Einzug Jesus“. Die explizite Bestätigung des Vergleichs durch keinen geringeren als den Erzbischof selbst hat die Redaktion offenbar nachträglich ignoriert – vielleicht wollte sie den Gottesdiener auch einfach vor sich selbst schützen. Und vor dem eigenen, kirchlichen Populismus. Sozusagen ein Presse-Airbag, ein Bremsassistent für Dummsprech. Denn selbst manchen, die durchaus Sympathien für Greta Thunberg haben, geht der religiöse Zirkus zu weit.

Ohne eine Drosselung der Superlative wie jetzt durch die „Welt“ könnte es auch eng werden in der nach oben offenen Begeisterungs-Skala für die junge Schwedin. Zumindest, wenn man nach religiösen Lobpreisungen sucht. Nach Prophetin und Jesus wäre ja selbst eine Heiligsprechung schon ein Rückschritt. Auch eine Steigerung ist nicht mehr möglich, denn Jesus ist in der christlichen Theologie Gott (fraglich indes scheint, ob dem Erzbischof das bewußt ist.).

Aber auch die säkularen Heiligsprechungen stehen den himmlischen an Absurdität nicht allzu sehr nach. Wer glaubte, die Nominierung zum Friedensnobelpreis und die Verleihung der „Goldenen Kamera“ seien nicht mehr zu toppen, wird gerade eines Besseren belehrt.

Angelas Merkels früherer Generalsekretär Ruprecht Polenz, der seit langem wirkt wie die Ständige Vertretung der Grünen in der CDU auf twitter und facebook, adelt den Klimaprotest, indem er ihn auf eine Stufe stellt mit den historischen Bürgerrechtsbewegungen. Simone Peter, Ex-Vorsitzende der Grünen, denkt das konsequent zu Ende und setzt die Freitagsdemos de facto mit dem Widerstand gegen das DDR Regime gleich – als die Menschen auf die Straßen gingen und dabei um ihre Freiheit und ihr Leben fürchten mussten, weil niemand wusste, ob nicht volkseigenes oder sowjetisches Militär gegen sie eingesetzt werden würde – womöglich mit Schießbefehl. Heute werden die Demonstranten von der Regierung gehätschelt und gelobt, und man hat schon Angst, dass Angela Merkel eines Tages noch eine Tribüne aufbauen und die „Protestierenden“ winkend vor sich vorbeiziehen lässt.

Im Ausland wird kräftig der Kopf geschüttelt, dass die Deutschen wieder einmal mit so viel Fanatismus und Eifer einem Heilsbringer hinterher rennen. Roger Köppel von der Schweizer Weltwoche spricht von Hysterie und vergleicht den Kult um Greta Thunberg mit der Komödie „Das Leben des Brians“ – einem Klassiker der legendären britischen Comedy-Truppe Monty Pythons um einen Zeitgenossen Jesus, der wider Willen zum Messias gemacht und auf absurde Weise verehrt wird.

— Roger Köppel (@KoeppelRoger) April 14, 2019

Einziger Trost: Wurde bisher auf nachdenkliche Stimmen, die von „Klima-Ersatzreligion“ sprachen, noch oft mit dem Finger gezeigt, so hat ihnen nun ausgerechnet der Berliner Erzbischof einen Beweis für ihre These geliefert. Auch der Umgang mit Andersdenkenden hat leider unschöne Züge einer Religion in der Phase vor der Aufklärung: Schon allein der Begriff „Klimaleugner“ erinnert an „Gottesleugner“, und damit auch an Ketzerverfolgung und Inquisition. Die Geschichte zeigt: Wo religiöser Wahl überhand nimmt, ist Gewalt gegen „Ungläubige“, also Andersdenkende, meist nicht mehr fern.

So weit sind wir noch nicht – im Moment müssen Ketzer, sprich „Klimaleugner“, im schlimmsten Fall mit Ausgrenzung, Verhöhnung oder beruflichen Nachteilen rechnen, aber Gott sei Dank nicht mit Folter und Scheiterhaufen. Oder dem GULAG wie im Kommunismus. Dennoch – es gilt, den Anfängen zu wehren.

Und sei es nur mit Galgenhumor – schließlich ist Humor das Mittel, um eigentlich unerträgliches wenigstens halbwegs erträglich zu machen. Und so bleibt in diesen absurden, finsteren Zeiten, die in ihren Auswüchsen schon fast etwas Mittelalterliches haben, nur zu hoffen, dass der Jesus-Vergleich wirklich nur auf Unwissenheit und Unbedarftheit zurückzuführen ist.


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