Gabriel demonstriert an Schulz, was er unter Parteidisziplin versteht

Der Machtpolitiker Gabriel hat seinen untrüglichen Instinkt verloren und damit auch sein letztes großes Amt, wenn er nicht noch irgendwann in ferner Zukunft zum Bundespräsidenten gewählt werden wird, weil sich wieder keiner findet, der es machen will.

© Sean Gallup/Getty Images

Nach dem Ministerpräsidenten-, Umweltminister- und Außenministeramt, nach SPD-Parteivorsitz und Pop-Beauftragtem-Ressort, nun Sigmar Gabriels wohl letzte große Rolle: die des Betrogenen. Der Machtpolitiker Gabriel hat seinen untrüglichen Instinkt verloren und damit auch sein letztes großes Amt, wenn er nicht noch irgendwann in ferner Zukunft zum Bundespräsidenten gewählt werden wird, weil sich wieder keiner findet, der es machen will. Allerdings ist das Amt des Bundespräsidenten ein Abfindungsamt: Damit findet man Genossen ab, die eigentlich Anrechte auf höhere Posten haben, aber im Wege stehen. Gabriel steht nicht mehr im Weg, er ist einfach weg.

Und nun sein letzter großer Selbstversuch: Verrat und Verlust der Parteidisziplin. Das Pendant zum Wortbruch von Schulz. Denn natürlich ist die emotionale Reaktion Gabriels auf Martin Schulz’ Enterung des Außenministeramtes die des schlechten Verlierers. Wer sich über Jahrzehnte von Amt zu Amt hangelt, der sollte eigentlich wissen, wie es geht. Noch mehr, wenn man aus der Hannoveraner Kaderschmiede kommt, dort am Maschsee, wo der politische Klüngel parteiübergreifend immer schon ganz besonders intensiv ausgelebt wurde. „Ganz Berlin ist voller Niedersachsen“, titelte ganz früher einmal die taz. Nun ist es wieder einer weniger. Macht nix. Oder genauer: Macht weg.

Ende 2015 schrieb besagte linke Tageszeitung: „Wie eingemauert verharrt die SPD im 25-Prozent-Keller. Das ist auch das „Verdienst“ Gabriels: Er verkörpert das Elend der deutschen Sozialdemokratie. Es mangelt ihm an Substanz, an sozialdemokratischer Grundierung. Er ist ein Machtpolitiker ohne inneren politischen Kompass.“ Er könne nicht überzeugen. Weil es ihm an Überzeugungen fehle, heißt es da weiter.

Der Wortbrecher
Schulz demonstriert an Gabriel, was er unter Solidarität versteht
Damals hieß es sogar: „Unter Gabriels Führung gibt die SPD den perfekten Juniorpartner der Union.“ Martin Schulz wollte diesen Makel nun drehen, indem er Merkel beim GroKo-Geschacher tief in den Postenbeutel griff, aber auch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Merkel weiterhin Kanzlerin bleibt. Angela Merkel mag genau gewusst haben, was die SPD-Spitze benötigt, um die Mitgliederbefragung Richtung GroKo zu entscheiden.

Nun ist Gabriel sein Außenministeramt los. So wie er Ministerpräsident ohne Wahlen wurde ebenso wie Außenminister, so ist er sein Amt auf dem selben Wege los geworden, wie er es bekommen hat: Nicht durch Wahlen, sondern auf Basis internen SPD-Posten-Geschachers. Ausgeschachert.

Es dauerte kaum einen Tag, das letzte Mal die böse Trommel zu schlagen: Die des schlechten Verlierers. Alt, gedemütigt, entsorgt, aber immer noch fit genug in kürzester Zeit nachzutreten: der sich gerade vermeintlich vom Boden erhebenden SPD mitten in den Unterleib. Selbstverliebt, egoistisch ohne jede Parteidisziplin. Ein Nachtreter. Einer, der mit einem schlechten Blatt in der Hand in dramatischer Geste den Pokertisch umwirft. Also, mach’s nun gut Sigmar. Schade Genosse, eine beachtliche Karriere mit einem unappetitlichen, aber am Ende dann doch erwartbarem Abgang.

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Kommentare ( 77 )

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Michael Fischer
6 Jahre her

„Nun ist Gabriel sein Außenministeramt los. So wie er Ministerpräsident ohne Wahlen wurde ebenso wie Außenminister, so ist er sein Amt auf dem selben Wege los geworden, wie er es bekommen hat: Nicht durch Wahlen, sondern auf Basis internen SPD-Posten-Geschachers. Ausgeschachert.“

Vergessen Sie nicht das Amt des Pop-Beauftragten, das ihm ebenfalls zugeschustert wurde!

Wolfgang Wegener
6 Jahre her

Ich war früher im Kreistag und im Stadtrat(jeweils als Sprecher) und habe heute noch gute Kontakte zu vielen ehemaligen Kollegen in anderen Parteien. Außerdem habe ich Vieraugen-Gespräche immer vertraulich gehalten. Es wurde also offen geredet. Während bei der CDU dabei reichlich und lustvoll über CDU-Kollegen abgelästert wurde, hielten die SPD-Kollegen im Wesentlich viel stärker zusammen auch in Gesprächen, bei denen Vertraulichkeit ja gerantiert war.

Vor diesem Sozialisationshintergrund dürfte Gabriel endgültig durch sein. Nicht nur wegen der Einbindung seines kleinen Kindes in die große Politik. Der wird Hinterbänkler oder er zieht sich ganz zurück. Darauf wette ich.

Wolfgang Ernd
6 Jahre her

Lieber Herr Wallasch, so schnell geht es, nach dem Rück-Rücktritt von Herrn Schulz ändert sich das Blatt schon wieder. Aber mal was anderes: Häme ist ja schnell vergossen, Gabriel gibt auch immer wieder mal Gründe dafür. Bei der Riege aktueller parteiübergreifender Politprominenz ist Gabriel für mich mehr als der Einäugige; hoch begabt, intuitiv, keiner der einfache Lösungen verspricht, engagiert, emotional, pragmatisch, und ein anständiger Mensch (mal abgesehen von ein paar schlechte Inszenierungen). Wäre schade, wenn seine Karriere zu Ende geht.

Marie C. Meyer
6 Jahre her

Also aus meiner Sicht sehe ich das ganz anders. Ich würde niemanden eine Alleinschuld attestieren. Es sind immer Wechselwirkungen im System. Für mich stellt es sich so dar: Herr Gabriel hat seinen Unmut über eine offensichtliche Alleinentscheidung von Herrn Schulz geäußerst. Dies ist sein gutes Recht. Herr Schulz hat möglicherweise vergessen, dass es bei einseitigen Vertragsänderungen immer Folgekosten gibt. Aus meiner Sicht würde ich Herrn Gabriel eine gute Entwicklung in seiner Tätigkeit als Außenminister zuschreiben und hätte es persönlich schade gefunden, wenn es hier einen Wechsel gegeben hätte. Zumindest habe ich den Eindruck, dass die SPD noch lebt. Und die… Mehr

Matthias Losert
6 Jahre her

Bei der Wende89 reagierte der Machtinstinkt von Hr. H. Kohl bemerkenswert: heute reicht der Machtinstinkt von Politikern bestenfalls zum persönlichen Erfolg!
Wir haben weltweite Milieuänderungen, aber keine Politiker mit vertrauenswürdigen Machtinstinkt!

Dragan
6 Jahre her

Ha, ha, ha, Hr. Wallasch. Ein schöner Artikel von Ihnen, leider etwas zu früh geschrieben. Bei dem Postengeschacher heutzutage ist es wirklich schwer, mit zu kommen. Gerade läuft über die Schlagzeilen, Schulz tritt das Amt als Außenminister nicht an. Offenbar ist ihm A. Nahles aufgrund offenen Widerstandes in den Verbänden in den Rücken gefallen. Wenn man dann noch die Umfragewerte Gabriels mit denen von Schulz vergleicht und berücksichtigt, das Nahles das „Ja“ der Parteibasis für die Koalition benötigt und das in mögliche weitere Posten für Parteifunktionäre umrechnet, eine sehr rationale Entscheidung. Über den Artikel musste ich deswegen lachen, weil er… Mehr

Jasmin Gerigk
6 Jahre her

Tja Herr Wallasch, und nicht ganz 5 Stunden später verzichtet Herr Schulz auf jegliches Amt (Mal sehen, wie lange das hält!), und Herr Gabriel nimmt dann doch wieder Termine als Außenminister wahr. Wenn der Herr Gabriel tatsächlich Wert darauf legt, dass Zusagen eingehalten werden, dann wäre die SPD in der Opposition, und er kein Außenminister mehr. Wenn Herr Schulz ihm jetzt eine Retourkutsche verpassen, und der SPD einen echten Gefallen tun will, dann rät er den Mitgliedern, gegen die Schrumpfko zu stimmen. Wir leben in interessanten Zeiten!

Udo Kemmerling
6 Jahre her

Eine unappetitliche Karriere mit beachtlichem Ende trifft es wohl eher!

Prissianer
6 Jahre her

Die SPD ist mittlerweile Windows Sauhaufen geworden . Schade das es die „Blaue Partei“ von Ton Geller nicht mehr gibt. Deren Vorsitzende, Maria Cron , garantierte beim Parteitag in Steinhagen immer 36 % ! Da standen die Steinhäger auf den Tischen. Das Motto dieser Partei war: Wir versprechen garnichts aber das halten wir auch. Die SPD macht es genau andersrum. Zum Glück gibt es die blaue Alternative mit zumindest 13% .☺

JP77
6 Jahre her

Na, so falsch war der Instikt wohl doch nicht? – Schulz ist weg!!!
Ich hoffe Gabriel bleibt Außenminister!