Frau Merkel regiert die CDU mit der SPD

Mehrere Schneebälle liegen schon ganz oben im politischen Hang. Einer, den ich und Sie noch nicht genau ausmachen können, wird die Lawine auslösen. Setzen sich Lawinen einmal in Bewegung, hält sie nichts mehr auf.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Hier bei TE stand gestern nicht zum ersten, sondern Xten Mal, aus der Feder einer ganzen Reihe von Autoren, worum es Angela Merkel immer einzig und allein ging und geht: um sich selbst.

Gestern Nacht schrieb BILD online:

«Ungezählte Male ist Kanzlerin Angela Merkel vorgeworfen worden, man könne nicht erkennen, um was es ihr in der Politik eigentlich geht. Das kann nun niemand mehr behaupten.

Angela Merkel geht es in der neuen Regierung um: Angela Merkel.

Um ihre Macht zu erhalten, hat sie den Sozialdemokraten die wichtigsten Ministerien überlassen und damit die erste SPD-Regierung unter Führung einer CDU-Kanzlerin geschaffen.»

Zum weiteren Procedere steht bei Welt online: «Die CDU will bei einem sogenannten ordentlichen Parteitag mit 1001 Delegierten am 26. Februar in Berlin über die Koalition abstimmen. Bei der SPD haben die 463.000 SPD-Mitglieder das letzte Wort. Sie stimmen bis zum 2. März über den Koalitionsvertrag von Union und SPD ab, am 4. März wird das Ergebnis bekanntgegeben.»

Koalitionspartner MSM
Nach der Kanzlerwahl hat der Kanzler Narrenfreiheit
Dass Frau Merkel in Wahrheit seit langem immer nur einen Koalitionspartner hatte, nämlich die Meinungsführer-Medien, habe ich hier auch einmal beschrieben: Die Bestätigung dieser Behauptung konnte jeder jeden Tag seit dem 24. September in den Mainstreammedien (MSM) verfolgen und kann das bis zum Ergebnis der Mitglieder-Abstimmung der SPD weiter tun. Wenn die MSM nun rauf und runter melden und kommentieren, dass die SPD ihre Chance genutzt und der CDU zentral wichtige Ministerien wie das Finanzministerium und so weiter weggenommen hätten, beeinflussen sie die Abstimmung in der SPD massiv zugunsten der SPD-Führung und damit für eine erneute Kanzlerschaft von Frau Merkel. Je mehr das Personenkarussell der künftigen Ministerriege gedreht wird, desto mehr wird die NoGroKo-Kampagne der Jungsozialisten übertönt.

Voll in dieses Horn stößt etwa Nikolaus Blome: «Operation gelungen, Patient (fast) tot. Doch der Patient, das ist nicht die SPD, sondern die CDU – und Angela Merkel.» Auch Holger Steltzner, der mit seiner negativen politischen Folgenabschätzung in der FAZ weitgehend recht hat, hilft der Folgenverursacherin Nr. 1 ins Amt, wenn er den Ausgang der GroKo-Verhandlungen als Sieg der SPD darstellt. Egal wer in welchem Medium, allein mit der Wahl der Themen befördern sie das einzige Ziel von Frau Merkel: im Kanzlersessel sitzen bleiben zu können. Ich traue übrigens so gut wie niemandem in den Chefredaktionen hinter dem allen Strategie zu. In erster Linie schreiben sie alle nicht für Leser und senden nicht für Zuschauer, sondern für die anderen Journalisten.

Herles fällt auf
Merkel, Steinmeier und Jahresendgelaber
Es ist ein unglaublicher Vorgang, dass die Wahl eines Parteivorsitzenden durch einen Parteitag – womöglich mit mehreren Kandidaten – ausgerechnet bei der SPD nun zum zweiten Mal in Folge durch die Erbfolge-Entscheidung des noch auf dem Königsthron sitzenden geregelt wird. Von hoher Symbolik ist das für den Niedergang der ehemaligen Arbeiterbewegung und darüber hinaus für den Bankrott des ganzen Parteiensystems. Aber in den MSM ist das kaum mehr als ein Randthema.

CDU, CSU und SPD führen den Bürgern vor, dass sie nichts mehr sonst sind als die Jobbörse der Berufspolitiker, dem Personal des Parteienstaats. Wie lange dauert es eigentlich noch, bis die Zahl der Wähler solcher Parteien identisch ist mit den von ihnen in ihrer beruflichen Existenz direkt oder indirekt Abhängigen in öffentlichen Verwaltungen, NGOs, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Medien, Kirchen, subventionierten Unternehmen und so weiter und so weiter?

Dass Andrea Nahles SPD-Vorsitzende wird, stand hier bei TE auch schon. Das drängte sich beim SPD-Parteitag, der den Weg für GroKo-Verhandlungen freigab, auf, als sie sich lautstark in die Wortschlacht warf und einen aus Brüssel keinen Widerspruch gewohnten, schwach argumentierenden Schulz ausstach.

Nun also geht es in die Abstimmung bei den Mitgliedern der SPD. Bei dieser wird nicht über die 177 Seiten Koalitionsvertrag abgestimmt, weil das schon technisch nicht geht. In Wahrheit wird abgestimmt über das Attest, das die MSM der SPD-Führung in diesen Tagen und Wochen ausstellen. Mit dem Bild des Sieges der SPD über die CDU, mit dem Bild des Sieges von Frau Nahles über Frau Merkel verhelfen sie Frau Merkel zum einzigen Sieg, an dem diese interessiert ist: zum Sitzenbleiben im Kanzlerstuhl.

Übrigens: Wie die künftigen Bundesminister heißen, ist belanglos, Frau Merkel, als Kanzlerin wiedergewählt, macht, wenn sie will, was sie will. Sie hat sogar formal die Richtlinienkompetenz. Und das Parlament braucht sie nicht, wo es kein Gesetz braucht, sondern einfach nur Regierungshandeln. Wäre Frau Merkel nicht so feige, hätte sie das in einer Minderheitsregierung viel einfacher haben können.

Sollte die Mitgliederabstimmung der SPD zu meinem Erstaunen negativ ausgehen, kann Frau Merkel Herrn Steinmeier noch immer sagen: ich kandidiere. Es bliebe dem wohl nichts übrig, als sie dem Bundestag als Kandidatin vorzuschlagen.

Wie auch immer: 2018 ist das Jahr der Lawine. Mehrere Schneebälle liegen schon ganz oben im politischen Hang. Einer, den ich und Sie noch nicht genau ausmachen können, wird die Lawine auslösen. Setzen sich Lawinen einmal in Bewegung, hält sie nichts mehr auf.

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Kommentare ( 179 )

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Silas
6 Jahre her

Lawinen löst Merkel mit unschöner Regelmässigkeit selber aus und natürlich hält die niemand mehr auf, schon gar nicht die Mandatsdarsteller von der CDU/CSU. Auch die Feuerwehr AfD, die als Brandstifter diffamiert wurde, wird nur noch die Trümmer begutachten und Bericht erstatten können. Merkel regiert die CDU (und CSU) mit der SPD, bingo, und das schon seit 2013.

Heinz Stiller
6 Jahre her

Viele Foristen sind hier skeptisch, dass die Lawine ins Rollen kommen wird. Ich bin eher optimistisch. Einfach wegen der Umfragetendenzen der Parteien (Herr Goergen hat die in einem anderen Artikel aufgezeigt). Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder gibt es irgendwann bei weiter sinkenden Zahlen eine Angst-Revolte, oder wir müssen im schlimmsten Fall eben bis zu den nächsten Wahlen warten, bis CDU, SPD (und evtl. Grüne) zusammen dann auch keine Mehrheit mehr haben – grosse Koalitionen schrumpfen fast immer die daran beteiligten stark. Gerade die Aussicht auf die zweite Möglichkeit muss ja wie ein Damoklesschwert über den Köpfen gerade der… Mehr

Marc Hofmann
6 Jahre her

Der Zeitpunkt ist jetzt gut die Merkel in der CDU zu stürtzen…Friedrich Merz müsste sich nur ein Herz nehmen und gegen Merkel zu Felde ziehen…einer muss in der CDU den Anfang machen…einer muss endlich die Machtfrage in der CDU stellen…Merz könnt die nötige Mannschaftsstärke hinter sich vereinen um gegen Merkel ins Gefecht zu ziehen. Mit dieser Groko hat Merkel der CDU Partei den Fehdehandschuh hingeworfen…die CDU als Partei muss jetzt handeln und Merkel absägen bevor Merkel die CDU komplett an die Wand fahren lässt.

Gero Hatz
6 Jahre her

So sehr ich ihre Artikel schätze, Herr Goergen, diese Schneeballparabel gefällt mir nicht. Lawinen haben etwas sehr schicksalhaftes, ausser unserer Kontrolle Liegendes. Man kann nichts tun, bis es zu dem Naturereignis kommt, also wartet man ab. Untertanengeist und Obrigkeitsgläubigkeit sind in der Tat starke Hemmnisse für Veränderungen in Deutschland, deshalb müssen wir auch auf den Berg klettern um selbst die Lawinen loszutreten. 1989 hat sich gezeigt, dass selbst ein sehr tief eingegrabenes Regime verjagt werden kann, wenn die Bürger ein wenig Mut aufbringen.

dunkelstrasse48
6 Jahre her

„Laßt dicke Männer um mich sein, mit glatten Köpfen, und die nachts gut schlafen.“
Na,das hat sie ja, dicke Männer und Männinnen, Eierköppe sowieso.
Caesar hatte es indes nichts genützt.
Bis Aschermittwoch haben nun die Narren freien Lauf.
Da ist das Volk beschäftigt.
Es gibt ja nicht nur weiße Lawinen.
Gerölllawinen bewegen gerne mal zigtausende Kubikmeter Material.
Da helfen dann auch keine Merkelpoller.
Schlammlawinen, wenn der Staudamm bricht, der Möglichkeiten sind viele.
Vielleicht reicht ja schon ein Golfschläger, der einen Schneeball trifft.
Wer weiß.

Werner
6 Jahre her

Vielleicht gibt es noch mehr NOCHSPDmitglieder, die nicht auf die MSM reinfallen, sondern selbstständig denken können. Und die dann wie ich, demnächst das Kreuz bei NEIN machen um im Anschluss aus der Partei auszutreten. Ich habe da allerdings Zweifel.
Der Oberhit für mich wäre eine 2. Heide Simonis. Die Merkel bekommt keine absolute Mehrheit. 2 Wochen lang nicht. Ein Traum

Schwarzseher
6 Jahre her

Den Lawinen-Optimismus von Herrn Goergen würde ich gern teilen, kann dies aber leider nicht. Zu oft habe ich geglaubt, in der CDU und CSU säßen noch genügend Abgeordnete, die den Alptraum Merkel bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit endlich beenden. Alle Gelegenheiten blieben ungenutzt. Daß die CDU und CSU mehrheitlich von selbstgefälligen Opportunisten beherrscht werden, zeigt doch die Preisgabe der wichtigsten Ministerien als Morgengabe an eine unbedeutende Partei mit einem abgehalfterten Parteivorsitzenden. Und natürlich macht Merkel letztlich was sie will, nur will sie absolut nichts anderes, als Kanzlerin zu bleiben und wird ihren Ministern alles durchgehen lassen, um nicht die… Mehr

Giovanni
6 Jahre her

Wer soll denn eine Lawine in Gang setzen?? Frau Merkel kann nur durch eine Palastrevolution innerhalb der CDU gestürzt werden. Aber dafür sind die Schoßhündchen in der CDU nicht in der Lage. Sie sind einfach feige. Frau Merkel hat bisher einen Wächter namens Kauder, der jeden der aus der Reihe tanzt, brutal in diese zurück getrieben wird. Daß unsere Bundes-Mutti vor Ende der nächsten Legislaturperiode den Stuhl räumt ist doch nur reines Wunschdenken. Ihr Machthunger ist riesig, Sollte die CDU in den nächsten Landtagswahlen weiterhin abstürzen, wird sie dennoch nicht aufgeben. Warum sind wir über den Ausgang der Koalitionsverhandlungen so… Mehr

Horst
6 Jahre her

Irgedein Mitkommentator hat hier mal einen sehr treffenden Beitrag verfasst, den ich gerne wiedergebe, leider fällt mir sein Name nicht ein, ich bitte darum, dass er sich als Autor dessen meldet, da ich mich nicht mit fremden Lorbeeren schmücken will. Er meinte jedenfalls: Die Deutschen sind wie eine Flasche Ketschup. Erst kommt lange gar nichts, dann sind sie nicht mehr zu halten. Ich wage zu prognostizieren, dass es zum Schluss raus sehr unruhige vier Jahre werden. Sobald eine kritische Masse derer, die schon länger hier leben, das Gefühl haben, durch Stillhalten mehr zu verlieren als durch Aktion, geht der Kessel… Mehr

Eichhörnchen
6 Jahre her

„Und das Parlament braucht sie nicht, wo es kein Gesetz braucht, sondern einfach nur Regierungshandeln.“ Über Gesetze setzt sich Merkel bekanntlich ebenfalls hinweg, ebenfalls über Koalitionsverträge oder Parteitagsbeschlüsse.

De facto haben wir eine Monarchie.

nachgefragt
6 Jahre her
Antworten an  Eichhörnchen

Jedenfalls wäre der Export DIESER Demokratie in die Welt eher eine Kriegserklärung als eine Bereicherung für die beschenkten Völker dieser Erde.

Man muss sich das vorstellen: In Deutschland werden mehr Inhalte bei Twitter geblockt als in der Türkei, Russland oder Iran, obwohl alle drei Länder mehr Einwohner haben. Und unsere Politiker lehnen den Beitritt der Türkei zur EU neuerdings nur deshalb überhaupt ab, weil es dort Probleme mit Presse- und Meinungsfreiheit gibt.

Peper
6 Jahre her
Antworten an  Eichhörnchen

Nee, in Europa haben wir längst den real existierenden „Finanz – Feudalismus“ mit Operetten Regierungen in Westeuropa die längst Ihre Bürger verkauft und verraten haben. Die „Marios“ der EZB und EU-Zentrale machen was Sie wollen und wir werden nur noch verarscht.

Captain Buck Rogers
6 Jahre her
Antworten an  Eichhörnchen

Früher habe ich mir das demokratische System folgendermaßen schöngeredet: einen unfähigen Monarchen muß man stürzen, einen unfähigen Bundeskanzler kann man abwählen. In den letzten 10 Jahren bin ich zu dem Schuß gekommen, daß es eher lauten sollte: Einen unfähigen Monarchen kann man stürzen, einen unfähigen Kanzler muß man abwählen. Seit dem Machtantritt des fleischgewordenen Hosenanzuges wurde die Demokratie durch eine Regierungsform ersetzt, die mit einer Monarchie zu vergleichen vielen europäischen und vor allem deutschen Monarchen der Vergangenheit grobes Unrecht tun würde. Vielmehr enstand hier die groteske Entstellung eines Amtes, welches einst großes Ansehen genoß, durch Inhaber wie Bismarck, Max von… Mehr