Michael Theurer: „Energiepreiserhöhungen wären Gift für Wirtschaft und Arbeitsplätze“

Die Bundesregierung von Angela Merkel (CDU) begeht in der Corona-Krise viele Fehler und die Energiebeschlüsse vom Dezember 2019 sind in der Corona-Krise eine zusätzliche Gefahr für Deutschland, kritisiert FDP-Vizeparteichef Michael Theurer im Interview mit TE.

imago images / photothek
Herr Theurer, warum schaut die Opposition so brav dem Handeln der Bundesregierung zu?

Michael Theurer: Wir haben das Regierungshandeln konstruktiv begleitet. Wo sie nicht gehandelt hat oder zu spät in die Gänge kam, haben wir das kritisiert. Zum Beispiel, dass wir bis heute auf einen Krisengipfel des Bundeswirtschaftsministers warten, und der Bundesgesundheitsminister fast täglich eine neue Lage konstatiert und dann endlich das tut, was er zwei Tage zuvor noch kategorisch ausgeschlossen hat.

Und es gibt noch mehr Kritikpunkte: Es hat zu lange gedauert, bis die Kanzlerin eine Stellungnahme abgegeben und die Corona-Krise zur Chefsachen gemacht hat. Auch dass die Liquiditätshilfen bei den mittleren Unternehmen komplett durch das Raster fallen, kritisieren wir scharf.

Hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) denn rechtzeitig und richtig gehandelt?

Das ist eine Frage, die nach der Krise kritisch analysiert und bewertet werden muss. Schon jetzt aber steht fest, dass die Bundesregierung in den ersten Wochen der Krise nicht besonders koordiniert wirkte. Es wurden zunächst nur die Ressorts Innen und Gesundheit für zuständig erklärt, statt alle betroffenen Ressorts einzubinden. Es hat zu lange gedauert, bis es ein Corona-Kabinett, Bund-Länder-Taskforces und regelmäßige Ministerpräsidentenkonferenzen mit der Bundeskanzlerin gab. Als ich das Ende Februar in einem Neun-Punkte-Plan gefordert habe, wurde das noch als Panikmache abgetan – danach wurde es eins zu eins umgesetzt.

Frau Merkel hätte auch früher persönlich Rede und Antwort stehen und ihr Handeln der Bevölkerung erklären müssen. In anderen Ländern stellt sich der Regierungschef jeden Tag den Fragen der Journalisten, das fehlt hier komplett. Wenigstens strahlt sie Ruhe und Sachlichkeit aus, das ist derzeit ein Pluspunkt.

Seit 3. Januar 2013 liegt dem Bundestag (Drucksache 17/12051) eine Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ vor. Eine Analyse dessen, was genau heute passiert – obendrein mit entsprechenden Empfehlungen dazu. Merkels Bundesregierung hat sich nach Ansicht von Experten darauf seit fast acht Jahren offensichtlich nicht entsprechend vorbereitet, oder sehen Sie das anders?

Unter den FDP-Gesundheitsministern hat das Bundesgesundheitsministerium noch einen starken Wert auf Katastrophenschutz gelegt. In dieser Zeit entstand auch diese Analyse. Die Ähnlichkeiten sind frappierend – jedoch gibt es auch große Unterschiede, so scheint das Sterblichkeitsrisiko in der Realität glücklicherweise niedriger zu liegen. Es gab auch Fehleinschätzungen, zum Beispiel dass die Arbeitsfähigkeit des Bundestags überhaupt nicht betroffen sei. Da wir Abgeordnete mit extrem vielen Menschen im direkten Kontakt sind, hätte klar sein müssen, dass ein solches Virus sich auch sofort im Bundestag verbreitet.

Warum die Studie von den Folgeregierungen nicht aufgegriffen wurde, ist mir völlig unerklärlich – die FDP gehörte ja in den Folgejahren dem Bundestag nicht an. Sicher wurde ein solches Szenario als extrem unwahrscheinlich eingestuft – ein verheerender Trugschluss, wie sich jetzt herausgestellt hat.

Präsident Trump oder Premier Johnson werden fast täglich durch deutsche Medien kritisiert. Dabei hakt es in Deutschland ebenso an vielen Stellen beim Krisenmanagement: Keine Schutzmasken, keine Desinfektionsmittel, Iraner durften bis vor wenigen Tagen aus einem Hotspot unkontrolliert nach Deutschland wegen des muslimischen Neujahrsfestes einreisen, und vieles mehr. Warum gibt es keine Kritik an Merkels-Regierungsarbeit?

Definitiv wurde die Krise von vielen anfangs unterschätzt – als ich vor gut zwei Monaten Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier aufgefordert habe, einen Krisengipfel einzuberufen, erfuhr ich starken Gegenwind.

Die Problematik der Schutzmasken und Desinfektionsmittel ist seit langem bekannt. Wir haben das im Gesundheitsausschuss seit Anfang des Jahres regelmäßig angemahnt. Man hat uns erklärt, das Problem sei den Regierungen in Bund und Ländern bekannt. Man arbeite an Lösungen. Leider kamen die versprochenen Masken lange vor Ort nicht an, hier herrscht noch immer große Knappheit. Offenbar haben die Verantwortlichen nicht schnell genug in den Krisenmodus geschaltet. Dass an Flughäfen nicht systematisch kontrolliert wird, ist skandalös – vor allem bei Fernreisenden aus Hochrisikoländern wie China und dem Iran.

Fallen die Medien als kritisches Korrektiv der Regierenden aus?

Hier gibt es in der Tat berechtigte Kritik, dass besonders die öffentlich-rechtlichen sich in der Krise zu sehr als Sprachrohr der Regierung verstünden. Dieser Kritik wurde sogar im Deutschlandfunk Platz eingeräumt – einem öffentlich-rechtlichen Sender.

Ab 2021 sollen die Energiepreise (Sprit, Heizöl, Erdgas) für den Klimaschutz stark ansteigen. Es wird die Wirtschaft und das gesamte Leben verteuern. Müssen Bundesregierung und Länder diesen Beschluss angesichts der Corona-Krise revidieren?

Dass die Grünen zum jetzigen Zeitpunkt fordern, die ausgehandelten Preise unbedingt beibehalten zu wollen, halte ich für wahnwitzig. Energiepreiserhöhungen wären jetzt Gift für Wirtschaft und Arbeitsplätze. Ein Emissionshandelssystem hingegen, wie von uns vorgeschlagen, wäre diesen staatlich festgesetzten Preisen überlegen. Dadurch würde auch in einer Krise der Preis für CO2 billiger und das wirkt konjunkturstabilisierend.

Muss der Klimaschutz jetzt eine Pause zugunsten des Wiederaufbaus der Gesellschaft einlegen?

Die Corona-Krise wird die Bürger schier unvorstellbar viel Wohlstand kosten. Hemmnisse für unseren Wohlstand müssen hintenanstehen. Die Linderung von Existenznöten hat absolute Priorität. Auch Armut und Arbeitslosigkeit sind gesundheitsschädlich. Es geht jetzt um das Überleben des ganzen Landes. Hinzu kommt: Das Ziel der CO2-Reduktion wird als Nebeneffekt des Shutdowns ohnehin verstärkt erreicht.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 47 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

47 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Jule Krause
4 Jahre her

„Warum gibt es keine Kritik an Merkels Regierungsarbeit?“ Leider hören wir auch von diesem Herren keine klare Antwort. Wie immer.

Silverager
4 Jahre her

Ganz einfach: nichts.

hoho
4 Jahre her

„Wir haben das Regierungshandeln konstruktiv begleitet. “ – der war gut.
Ist er einfach naiv oder hat er nicht bemerkt dass FDP nix aber schon gar nix gegen Mutti unternehmen kann und will? Weitest wie die Partei sich zugehen erlaubt, ist aus der Verhandlungen nach dem BTW 2017 auszuziehen. Das war wohl auch das letzte mal GDP sich erlaubt hat eine andere Meinung zu haben.

Silverager
4 Jahre her
Antworten an  hoho

Die FDP könnte schon eine vernünftige Opposition machen, wenn sie denn wollte. Aber viel lieber kämpft sie -im Verein mit der linksgrünen Bundesregierung- gegen die AfD. Lindners Redebeiträge sind zum Fremdschämen.

Jack Black
4 Jahre her

Merkels Fehler ist in erster Linie ihre vollkommene Unfähigkeit Regierungsgeschäfte zu führen und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. IHR Fehler war es von Anfang an Regierungskompetenzen komplett an NGO’s auszulagern. Dadurch hat sie eine Schattenregierung der NGO’s ermöglicht, die ihr schnell über den Kopf gewachsen ist. Die Situation wäre nur dadurch zu ändern, wenn die gesamte „Opposition“ die Forderung an die GroKo richten würde, sich sofort von grossen Beratungsunternehmen zu verabschieden. Das würde dann allerdings Merkels, Seehofers und die Unfähigkeit vieler anderer bloß stellen. Diese Regierung ist am Ende – ob mit oder ohne Beratungsfirmen. Deutschland braucht einen kompletten Neuanfang OHNE… Mehr

Heinrich Niklaus
4 Jahre her

Nach der Corona-Krise muss alles, aber auch alles auf den Prüfstand! Es geht nicht nur um Energiepreissteigerungen, sondern um deutliche Senkung der Energiepreise. Dazu muss die Atomkraft aktiviert werden und alle anderen die Wirtschaft einschränkenden Maßnahmen.

Die dazu erforderlichen Kursänderungen dürfen nicht wieder zugunsten klima-ideologischer Vorstellungen zunichte gemacht werden.

teufelsknecht
4 Jahre her

die Sprüche wie:“ Deutschland verrecke…“ aus Berlin und das entsprechendes Handeln müssen ein Ende haben sonst, kommt der wirtschaftliche Niedergang zwangsläufig wie Ostern, Pfingsten , Weihnachten und der Strom aus der Steckdose.

Silverager
4 Jahre her
Antworten an  teufelsknecht

Erzählen Sie das bitte den grünen ** Roth und Göring-Eckardt.

drnikon
4 Jahre her

CO2? Kompletter Müll für nützliche Idioten, die gerne viel Geld sinnlos hergeben und damit die Taschen weniger füllen.

Regenpfeifer
4 Jahre her

Interessant ist, dass die NOx und Feinstaubwerte in Stuttgart und anderen Städten derzeit trotz fehlenden Autoverkehrs nicht zurückgehen -davon liest man in den „Qualitätsmedien“ auch nichts. Ja, es wird ein Moratorium zugunsten des Wiederaufbaus brauchen, in dem man dann aber nicht nur die im Artikel benannten wahnwitzigen Grünen-Ideen sistieren muss, sondern auch ~3/4 der Bürokratie bzgl. Bau- und Inbetriebnahmegenehmigungen, Berichtspflichten, Transgender-WCs und sonstigem Beamtenirrsinn. Nur: Wie man an Hr. Habeck exemplarisch sieht, muss es erst noch viel schlimmer kommen, bevor solche verbeamteten Luxusproblemerfinder mit garantiertem Luxuseinkommen auf Steuerzahlerkosten das einsehen (bzw. der Steuerzahler das einsieht und sie in die HartzIV-Wüste… Mehr

Florian Schulz
4 Jahre her
Antworten an  Regenpfeifer

Dass man nichts davon liest, liegt wahrscheinlich daran, dass es nicht stimmt. Die Luft ist sehr wohl besser geworden. Hier 2 von vielen Quellen:
https://futurezone.at/science/coronakrise-macht-die-luft-sauberer/400785401
https://www.zamg.ac.at/cms/de/umwelt/news/corona-und-die-auswirkungen-auf-die-luftqualitaet

Geezer
4 Jahre her

Also ich habe schon vor über drei Wochen hier geschrieben, dass man an einer Corona-Steuer basteln wird. Scholz hat sich bisher nur zu Andeutungen hinreißen lassen. Diese zusätzlich zur CO2 Steuer im nächsten Jahr, wird die Wirtschaft über Jahre in der Rezession verharren lassen. Die entsprechenden Begleiterscheinungen werden ihr Übriges tun. Hinsichtlich einer kritischen Berichterstattung bezüglich des Agierens der Bundesregierung sowie der Kanzlerin ist zu konstatieren, dass jegliche Kritik an Merkel negiert wird. Der ÖRR lobt sie für ihr Handel und gleichzeitig wird Trump und Johnson unentwegt Tatenlosigkeit vorgeworfen. Exemplarisch sagte Mascolo: er sei froh in dieser Krise in Deutschland… Mehr

friedrich - wilhelm
4 Jahre her

…..welche plattheiten werden hier abgesondert! dabei genügt es zu überlegen, wie man sich am besten schützt. meine frau sagt dazu: raus an die frische luft. die uv – strahlung des sonnenlichtes töten das virus. und wenn du meinst , einem menschen nahe zu kommen, dann ziehe deinen schal hoch über mund und nase. und fürchte dich nicht. diese krankheit ist genauso gut und so schlecht wie jede andere infektion durch viren! und meine frau ist nur chirurgin! doch auch ich als naturwissenschaftler finde ihre argumentation und ihre guten ratschläge richtig und wende sie sogar selbst an!