Energieexperte: Hochfahren des Stromnetzes nach Blackout wird problematisch

Bei einem Blackout würde ab Tag 3 Anarchie auf der Straße herrschen, meint Professor Schwarz im TE-Interview. Den Rat des Wirtschaftsstaatssekretärs Graichen an die Industrieunternehmen, sich Notstromaggregate und Treibstoffvorrat für drei Tage zuzulegen, hält der Energieexperte für völlig unrealistisch.

Cottbus. Bei einem möglichen Blackout des deutschen Stromnetzes wird das Hochfahren des Netzes mehrere Tage dauern und zu erheblichen Problemen in der Industrie und Privathaushalten führen. Der Energieexperte Prof. Harald Schwarz, Spezialist für Energieverteilung und Hochspannungstechnik an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, erinnert an die Blackout-Studie von 2011 für den Deutschen Bundestag. „Die Autoren haben exzellent recherchiert, damals aber nur den Tag 1 eines Blackouts untersucht – denn man wusste, spätestens ab Tag 3 herrscht im Prinzip Anarchie auf der Straße“, so Prof. Schwarz im Gespräch mit dem Monatsmagazin Tichys Einblick. „Aber selbst zum Tag 1 stellte die Studie fest: Der Großteil der Notstromanlagen in den deutschen Krankenhäusern befindet sich nicht in einem Zustand, dass sie gesichert anspringen.“

TE-Interview 09-2022
Harald Schwarz: Politik ist für Desaster der Energiepolitik verantwortlich
Sollte Deutschland die Kernkraftwerke und Kohlekraftwerke wirklich abschalten, sieht Prof. Schwarz sogar große Probleme, das deutsche Stromnetz nach einem Blackout wieder hochzufahren. „Heute gilt beim Wiederhochfahren des Netzes: Erst einmal wird alles, was regenerativ ist, weggeschaltet. Denn deren schwankende Einspeisung ist in dieser Phase absolut kritisch“, so Prof. Schwarz. Deutschland brauche auch in Zukunft konventionelle Energieträger. „Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir auch im Jahr 2050 noch ausreichend konventionelle Erzeugung haben müssen. Anderenfalls gäbe es beim Hochfahren des Netzes ein erhebliches Problem, wenn es nur noch Tausende Anlagen mit schwankender Erzeugung gibt, aber kaum noch gesicherte Leistung.“

Den Rat des Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium, Patrick Graichen, an die Industrieunternehmen, sich mit Blick auf den kommenden Winter Diesel-Notstromaggregate und einen Treibstoffvorrat für drei Tage zuzulegen, hält Schwarz für völlig unrealistisch. „Das ist ja völlig unvorstellbar. Die Industrie verbraucht etwa 20 bis 25 Prozent des Stroms. Wir reden über etwa 10 bis zu 20 Gigawatt. Handelsübliche Notstromaggregate in der Größe eines Lkw­-Anhängers haben eine Kapazität von einem halben bis einem Megawatt. Jetzt also zu argumentieren, die deutsche Industrie solle eben mal für 20 Gigawatt Gesamtleistung Notstromaggregate kaufen, ist völlig jenseits dessen, was überhaupt irgendwie machbar ist.“


Das ganze Interview in Tichys Einblick 09-2022 >>>


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Kommentare ( 83 )

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Rabuff
1 Jahr her

Wer gute Hintergrundinformationen möchte, muss auf YT den Stefan von Outdoor Chiemgau anschauen. Der warnt seit langem genau vor dieser Situation.

OlchiOpa
1 Jahr her

Es wäre auch interessant nachzuverfolgen, was JETZT schon los ist in unserem Stromnetz. Für den Großraum Köln sehe ich derzeit fast täglich Stromausfälle in der Größenordnung einige 1.000 – 100.000 Betroffene. Mal hat ein Bagger angeblich eine Leitung getroffen, dann ein 16-jähriger mit seinem Traktor einen Hochspannungsmast umgelegt. Heute soll in der Innenstadt ein Trafohäuschen „explodiert“ sein, auch der Dom hatte danach keinen Strom mehr. Schlimmer war es, als die Shell-Rafinerie vor einigen Tagen vom Stromausfall betroffen war. Nach Wiederanlauf der Produktion musste Gas abgefackelt werden und die daraufhin einsetzende Russproduktion führte zu einer Warnung über NINA. Jedes Ereignis für… Mehr

Robert Tiel
1 Jahr her
Antworten an  OlchiOpa

Die Aluhütte ist regelmäßig bei Abschaltungen dabei.
Auch sonst gibt es Stromausfälle, teilweise ohne Erklärung.
Es gab mal eine Seite, die listete die täglichen Stromausfälle haarklein mit Begründung, wo vorhanden, auf: wa stromerzeuger Seit 2021 gibt es sie „aus Redaktionellen Gründen“ nicht mehr.
Sonst könnte jeder sehen, dass die Kurven von sehr wenigen Ausfällen (und damit verbundenen geringen Regelkosten) bis 2010 – ab 2011/12 dem Beginn der „Energiewende“, stark nach oben geht.

Last edited 1 Jahr her by Robert Tiel
fatherted
1 Jahr her

Herr Graichen scheint ja ein ganz besonderer „Experte“ zu sein. Wahrscheinlich denkt er, mit einem kleinen „Moppel“ kann man ein ganzes Unternehmen mal so für 2-3 Tage weiter mit Strom versorgen….solange der Strom für die Kaffeemaschine reicht….tja….so ist nun mal die Denke in unseren Ministerien…..

Rolfo
1 Jahr her

Das ist nun der Merkel-Maas-Nachlass: „Es gibt keine Abhängigkeiten Deutschlands von Russland, schon gar nicht in Energiefragen. … Wir werden auch nicht müde werden, die echten Fakten dem entgegenzusetzen…“

Rueckbaulogistik
1 Jahr her

Wir machen uns doch viel zu viele Sorgen. Alles ist mit Logik zu lösen.
Wenn Robert Habeck Putin schwächt, indem er kürzer duscht, dann ist Russland besiegt, wenn wir alle nicht mehr duschen.
Und wenn bei -20 °C gelagerte Tiefkühlhähnchen (statt bei -22 °C) Strom erzeugen, dann heizen aufgetaute Hähnchen unsere Wohnungen.
Wo ist das Problem?

Niklot
1 Jahr her

Schlimm genug, dass in einem hochindustrialisiertem Land mit absoluter Versorgungssicherheit durch Elektroenergie für Jahrzehnte, Notstromaggregate empfohlen werden. Wer es noch nicht verstanden hat: die Politil gesteht ihr Versagen ein. Auf die nicht ausreichende Leistung aller Aggregate kommt es doch gar nicht mehr an.

Robert Tiel
1 Jahr her

Meines Wissens muss jedes EU Land 7,5% seiner Kapazitäten für einen möglichen Ausfall in einem der anderen Land bereithalten und Deutschland kann das schon nicht mehr. Die Schwungmasse der großen Generatoren und Turbinen sind in der Lage, einen Blackout für wenige Minuten zu verzögern. In der Zeit müssten die 10% Notreserven bereits laufender Grundlastkraftwerke hochgefahren werden. Deutschland kann das meines Wissens nicht mehr, da zu viele Kohle/- bzw Kernkraftwerke abgeschaltet wurden. EE eignen sich nicht, da sie sich auf die dringend nötige 50 Hz Frequenz der konventionellen Großkraftwerke „aufschwingen“ müssen, die sie selber nicht stabil erzeugen können. Ich fürchte, wir… Mehr

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  Robert Tiel

Damit nähmen Sie „der Regierung“ die Verantwortung für das, was sie anrichtet. Nicht nur in D gibt es derart viele Fachleute, die „der Regierung“ seit Jahren vorrechnen, dass sie das Land in den Abgrund steuert – alleine, sie werden nicht gehört, sondern sogar diffamiert! Hören tut man auf Latif, Rahmstorf, Schellnhuber oder einen wie Mounk und Harari, von einem Knaus ganz zu schweigen. Hinsichtlich Corona nutzen sie Drosten und Wieler und sonstige Scharlatane, die so nichtnutze wie falsche Modelle am Computer erstellen. Die gehören vor Gericht. Alle. Auch deshalb, weil sie hinischtlich von Menschen im Donbass, die auch heute wieder… Mehr

Robert Tiel
1 Jahr her
Antworten an  Kassandra

Hm. Da muss mir ein letzter Satz wohl entfallen sein…
Habe gestern mit einem Stück Ohr mitbekommen, wie bei Plasberg einige heldenhaft mit der Ukraine frieren wollen.
Da wird denen bestimmt warm ums Herz.
NS2 aufmachen und niemand muss frieren.

Alf
1 Jahr her

rnd – Laut einer repräsentativen Umfrage sind die Mehrheit der Menschen in Bayern unzufrieden mit der Arbeit des Ministerpräsidenten. Ein Drittel ist sogar sehr unzufrieden.
tagesschau – Habeck hat die Gasumlage als die gerechteste unter den möglichen Optionen verteidigt. Es sei aber klar, dass die dadurch entstehenden Mehrkosten für manche Menschen das Fass finanziell zum überlaufen bringen könnten – „und es darf nicht überlaufen“
Welche Optionen nennt Habeck nicht. Dabei gibt es doch eine durchschlagende Option. Rücktritt der Ampel und aller Politdarsteller.
Worauf wartet Ihr noch. Die Bürger wollen sich nicht erst im Dezember freuen.

Last edited 1 Jahr her by Alf
Konservativer2
1 Jahr her

Herr Professor Schwarz, ist Ihnen klar, dass Herr Reul Sie als radikalen Staatsfeind einstuft? Ja, ja, die Regierenden bauen vor. Die normale Demo war gestern. Der Staat hat gemerkt, dass Teile der Bevölkerung wegen seiner verfehlten Politik sauer werden.

Wer also dagegen ist, wird prophylaktisch mal so nebenbei zum Staatsfeind erklärt. Es gab Zeiten, in denen hatte man eine andere Meinung und wählte dementsprechend. Heute ist man Staatsfeind.

Überlegen Sie sich also, ob Sie die profunden Ratschläge des GröEnExaZ Graichen kritisieren.

(GröEnExaZ = Größter Energieexperte aller Zeiten)

Last edited 1 Jahr her by Konservativer2
Cubus
1 Jahr her

Ja, die Schwungmassen, vielleicht kann da jemand aushelfen?
Soll ja Expertinnen auf dem Gebiet geben, die Sagen, wir hätten kein Stromproblem.