Eine Stimme für die CSU ist eine Stimme für und gegen die Obergrenze

Wer wählt, weiß, dass er nicht weiß, wen oder was er wählt. Die CSU führt es ebenso vor wie die AfD. Wer weiß, vielleicht liegt darin sogar das Geheimnis guter Wahlergebnisse?

Wer bietet mehr? Laut Allensbach liegt die CDU/CSU bei der „Sonntagsfrage“ bei 39,5 Prozent, Forsa meldet 40 Prozent. Nur INSA macht da nicht mit und taxiert die Union auf 36 Prozent. Die SPD kommt in den aktuellen Umfragen nicht über 25 Prozent hinaus. Auch wenn es noch 67 Tage sind bis zur Bundestagswahl: Dass die SPD am Ende vor der Union liegen wird, scheint ziemlich ausgeschlossen.

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Das verwundert umso mehr, als von einem Unions-Wahlkampf wenig zu spüren ist. Marcus Maurer, Leiter des Lehr- und Forschungsbereichs für politische Kommunikation an der Uni Mainz, bewertet das so: „Bei der Union sehe ich im Augenblick am wenigsten schon eine Kampagne. Das muss auch gar nicht sein, weil Partei und Kandidatin wieder weit vor der SPD liegen und im Grunde erstmal nur aufpassen müssen, dass sie keine Fehler machen“, sagte er „meedia,“ dem Medienbranchendienst von Verlagsgruppe Handelsblatt.

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Offenbar stört es die Wähler nicht, dass CDU und CSU in der Frage der Flüchtlingspolitik unverändert zerstritten sind. Die CSU hält an ihrer Forderung nach einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr fest. Horst Seehofer: „Die Obergrenze ist und bleibt ein Ziel der CSU“. Das sagte der CSU-Chef bei der Vorlage des „Bayernplans“ seiner Partei, einer Ergänzung zum gemeinsamen „Regierungsprogramm“ der Unionsparteien. Angela Merkel hat dagegen in der ARD ihre Haltung bekräftigt:  „Zur Obergrenze ist meine Haltung klar: Ich werde sie nicht akzeptieren“. In einem Punkt ist die CSU allerdings kleinlaut geworden: Den Satz, er werde keinen Koalitionsvertrag ohne Obergrenze unterschreiben, verwendet Seehofer nicht mehr. Der Ober-Bayer scheint erkannt zu haben: Die sonst so flexible CDU-Vorsitzende ist in diesem Punkt hart.

Die Wähler in Bayern haben also folgende Wahl: Sie können die CSU wählen, weil sie eine Obergrenze wollen. Oder sie wählen CSU, damit Merkel Kanzlerin bleibt und es keine Obergrenze gibt. Das ist zwar nicht logisch. Aber was zählt schon Logik, wenn aus Sicht der CSU die Umfragezahlen stimmen?

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Mit Logik nichts zu tun hat auch das, was sich bei der AfD tut. Wohin man auch schaut: In der AfD bekämpfen sie sich untereinander noch härter als die von ihnen so verabscheuten „Altparteien“. In fast allen ihren 13 Landtagsfraktionen gibt es Richtungskämpfe, Ausschlüsse und Austritte. Die auf dem Parteitag in Köln abgemeierte Parteivorsitzende Frauke Petry ist mehr oder weniger abgetaucht. Nun hat auch ihr Co-Vorsitzender Jörg Meuthen schon mal angekündigt, zusammen mit Petry werde er sich nicht noch einmal an die Parteispitze wählen lassen. Die Formel der Altparteien „Feind, Todfeind, Parteifreund“, hat die Neupartei schnell und voll verinnerlicht.

Ungeachtet des innerparteilichen Chaos liegt die AfD in den meisten Umfragen stabil bei 7 bis 8 Prozent; INSA hat sogar 10 Prozent gemessen. Die Zeiten von stabilen, zweistelligen Zustimmungsraten scheinen jedoch vorbei zu sein. Das könnte sich höchstens ändern, wenn es in nächster Zeit zu einem Ansturm von Flüchtlingen käme, was aber wenig wahrscheinlich ist. Offenbar gibt es einen stabilen Kern von Wählern, denen es völlig gleichgültig ist, ob die neue Kraft am rechten Rand politikfähig ist oder nicht: ihre Proteststimme ist der AfD sicher. Zweierlei ist deshalb wahrscheinlich: dass die AfD in den Bundestag kommt  – und dass sich ihre Fraktion dann bald spaltet.

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Wahlkampfweisheit zum Tage: Wenn Politiker sagen, wir tun, was wir können, ist das nicht einmal gelogen.

Hugo Müller-Voggs Countdown zur Wahl erscheint immer dann, wenn sich an der Wahlkampffront Interessantes tut.

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Kommentare ( 49 )

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49 Comments
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Cornelius Angermann
6 Jahre her

Da haben Sie recht!

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her

…ist die Gefahr, dass man bei Allen außer der AfD wählen kann, was man will, man weiß nicht, ob durch die Koalitioniererei am Ende nicht genau die Politik herauskommt, die man abwählen wollte. Der Witz an dieser Meinung ist, dass genau dies passieren kann, wenn man AfD wählt! Wenn nämlich dadurch eine Koalition aus Union + FDP verhindert wird und somit eine der drei Linksparteien in der Regierung sitzt. Die AfD wird nichts verhindern, wenn sie im Parlament sitzt. Mit einer linken Partei in der Regierung ist jedoch das Ende von Energiewende, Genderismus, Flüchlingskrise, Entfinanzierung linker NGOs usw. auch die… Mehr

Cornelius Angermann
6 Jahre her

„Merkel hätte ihre Politik nicht so gemacht, wenn es im Parlament keine linke Sitzemehrheit gegeben hätte.“ Das halte ich für eine unbewiesene Behauptung. Und was Ihren Vorwurf angeht, die Wahl der AfD würde wiederum ein linkslastiges Regierungsbündnis produzieren: Sie unterschätzen, wie linkslastig Merkel selber ist, sie braucht gar keine Unterstützung seitens der Linken, denn im Zuge ihres unbedingten Machterhalts übernimmt sie einfach diese Positionen und verzwergt dadurch den Widerspruch und die Position anderer Parteien. Eine starke AfD würde sie jedoch aus demselben Grund zwingen, auch AfD-Positionen zu übernehmen. Damit hätte die AfD schon viel erreicht, auch ohne Regierungsbeteiligung. Deshalb brauchen… Mehr

as140
6 Jahre her

„Petry hatte die richtige Idee, was den Umgang mit den Rechten in der AfD angeht“
Nein, hatte sie nicht, wenn ihre Idee darin zu bestehen scheint, die Parteivorsitzenden mit der höchsten Anhängerschaft rauszukicken.

Und was den gärigen Haufen betrifft: Man darf nicht vergessen, dass die Partei erst 4 Jahre alt ist. Wenn man an eine neue Partei eine perfekte Aufstellung als Maßstab legt, würde nie wieder eine neue Partei ins Parlament einziehen.

Countdown-Leser
6 Jahre her

Wenn ich sehe, wie Herr HMV fast jeden seiner Wahl-Countdowns dazu nutzt (missbraucht?), um der AfD und ihren Wählern eine Watschen zu verpassen (gerne auch zwei oder drei), muss ich doch leise in mich hinein schmunzeln. Denn Herrn HMV dürfte ja wohl nicht entgangen sein, dass etliche der hier kommentierenden Tichy-Leser zu den von ihm so verachtetenen rechten Dumpfbacken gehören, die der AfD bei der nächsten Wahl ihr Kreuzchen ausleihen wollen. Ich gehöre auch zu den nolens-volens-AfD-Wählern, sehe mich aber keineswegs als harten Kern einer am rechten Rand herumdümpelnden, in sich zerstrittenen Rechtsaußen-Partei. Ich sehe die AfD als noch ziemlich… Mehr

Otto N.
6 Jahre her

Ich wähle seit Jahrzehnten per Briefwahl. Ein „richtig gutes Gefühl“ hatte ich dabei schon ewig nicht mehr, vielleicht sogar noch nie. Ich wähle halt wie immer das aus meiner Sicht kleinste Übel (das ist heuer die AfD), auch wenn ich damit keinen Blumentopf gewinnen kann. Ich hätte aber ein noch viel schlechteres Gefühl, wenn es diese Anti-
Merkel-/Anti-Masseneinwanderungs-Protestpartei nicht gäbe und ich eine der Merkelparteien wählen müsste (oder gar keine).

klangschale
6 Jahre her

„nächste Zeit“ bedeutet „bis September“. So lange wird das Thema klein gehalten, und der Michel fällt drauf rein.

Alfred Ost
6 Jahre her

Zusatz: die nächste Landtagswahl wird Herrn Seehofer fortspülen, wenn ich die Meinungen meiner bayrischen wahlberechtigten Freunde so sammle.

PD
6 Jahre her

Sehr geehrter Herr Müller – Vogg; Sie pflegen wieder Ihr CDU – Narrativ wider die AfD! Mit der AfD im Bundestag gibt es wieder eine Opposition! Je mehr AfD – Abgeordnete im Bundestag sind, desto wenigen für die GanzGroßeGroKo – das wäre doch was! mfG PD

Johann Vetter
6 Jahre her

„Obergrenze“ scheint mir nur ein Ablenkungsmanöver der CSU zu sein.
Ich vermute bei der CSU auch keine Substanz bei „Obergrenze“.
Es wird nach der Wahl brav gemacht, was Frau Merkel sagt.

Wir brauchen auch gar keine „Obergrenze“ um die Migration zu begrenzen.
Würden die Regelungen von „Schengen“, „Dublin“ und die grundgesetzlichen Regelung genau eingehalten werden, wäre das Thema wegen der geringen Zahl an betroffenen Personen in Deutschland kaum relevant.

Rechtliche Regeln einhalten statt „Obergrenze“!

Man könnte ja CSU-seitig schon mal anfangen und Sebastian Kurz bei der sofortigen Schließung der Mittelmeer-Route entschieden unterstützen.

Arndt
6 Jahre her
Antworten an  Johann Vetter

Die Zahlen belegen Ihre Aussage eindeutig. 2016 erhielten von knapp 700 000 Asylentscheidungen etwa 2 000 den Asylstatus, das sind 0,3%. Man muss sich vergegenwärtigen, dass unter einer Million illegal unter dem Euphemismus „Asylsuchende“ Eingereisten sage und schreibe 3 000 am Ende asylberechtigt sind. Um das zu erkennen, genügt ein Blick in das GG Artikel 16. Auch für „Flüchtlinge“ nach der Genfer Konvention gilt die Drittstaatenregelung, sie sind „bereits an der Grenze zurückzuweisen“ (Quelle BAMF). Sie haben völlig recht, wenn man sich an das GG und bestehende Gesetze hält, dann zeigt sich, die gesamte Diskussion über die „Obergrenze“ ist nur… Mehr

Mata Hari
6 Jahre her

Die „Obergrenze“ bei der CSU ist nichts anderes als eine Farce. Seehofer fordert diese seit nun 2 Jahren. Da passiert nichts mehr.
Außerdem kommen sowieso fast 200.000 Afrikaner über die Mittelmeerroute jedes Jahr seit 2014, Tendenz steigend.
Tatsache ist, die 1,5 Mio Migranten seit 2015 haben wir nun herrin und werden auch bleiben, jeder Wahlkampfmeldung über Abschiebung zum trotz.
Der Zug ist abgefahren, da habe ich keine Hoffnung mehr.