„Die Türkei ist auf dem Weg in einen radikal-islamistischen Staat“

Die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün kommentiert die Umwidmung der Hagia Sophia – sie sei nur ein erster Schritt zu einem neuen Kalifat.

imago Images/Xinhua

Die Umwidmung der Hagia Sophia zu einer Moschee wurde bisher weder von Vertretern der deutschen Kirchen noch von den meisten Politikern klar verurteilt, auch nicht die „Schwertpredigt“, die der Präsident der obersten türkischen Religionsbehörde dort hielt. Zu den wenigen Ausnahmen zählt die SPD-Politikerin und langjährige Bundestagsabgeordnete Lale Akgün, 66, die sich seit langem für einen liberalen Islam einsetzt und vor dem wachsenden Einfluss des reaktionären Islam warnt. Die Kölnerin schied 2009 aus dem Bundestag aus.

Auf Facebook kommentierte sie die Umwandlung der Hagia Sophia. TE dokumentiert diesen Text:

„Heute Mittag ist die Hagia Sophia nach 86 Jahren offiziell als Moschee, als Ayasofya Kebir (die größte, die unvergleichliche Moschee) eröffnet worden.
Dieses Ereignis möchte ich folgendermaßen kommentieren:
1. Die Eröffnung der Hagia Sophia als Moschee ist kein Ablenkungsmanöver von wirtschaftlichen Problemen, wie es manche gutmeinenden Menschen darstellen wollen. Es ist der symbolische Beginn des islamischen Staates Türkei. Die Symbolik, mit der heute die Eröffnung inszeniert wurde, zeigte das in aller Schärfe.

Einige Zitate:

‚Hagia Sophia als Moschee ist ein Symbol für die Stärke und die Wichtigkeit der Türkei in der islamischen Welt’; ‚Sie ist das Erbe des Kalifats und des Islams’, ‚Sie ist das Symbol für den Kampf gegen den Imperialismus’. Gut zu wissen! kann ich da nur sagen.

Präsident Erdogan hat zuerst eine Sure aus dem Koran rezitiert; allein das demonstrierte, wie die weltliche und die religiöse Macht in einer Person zusammenlaufen. Der Imam ist ja nach islamischer Tradition religiös-politisches Oberhaupt der Muslime. Da die Kalifen diesen Titel für sich beanspruchten, hat sich der Begriff Kalifat für das religiös-politische System eingebürgert. Erdogan hat sich also als Imam betätigt und seinen Anspruch als der religiös-weltliche Führer noch einmal hervorgehoben.

Der Vorsitzende der Diyanet, der Religionsbehörde der Türkei, Ali Erbas, hat nach Erdogan und vor dem Freitagsgebet eine „Schwertpredigt“ gehalten. Das wiederum ist eine Tradition bei den Eroberungen der Osmanen gewesen. Wenn der Eroberer mit dem Schwert in eine Kirche ging und es auf die Kanzel legte, dann war das sein ‚Schwertrecht’, und die Kirche war danach eine Moschee. Schwert auf der linken Seite bedeutete Frieden. So können wir noch von Glück reden, dass Erbas das Schwert in der linken Hand trug. Danach wurde die Sure 48 rezitiert, deren Vers 29 ‚Mohammed ist der Gesandte Gottes. Und die, die mit ihm sind, sind hart gegen die Ungläubigen, doch barmherzig zueinander’ von einigen gern als Aufforderung genommen wird, mit den Ungläubigen abzurechnen. Ungläubig sind im Übrigen alle, die sich diesem islamistischen Diktat nicht unterordnen. Der stellvertretende Rektor der Universität Istanbul, Ilyas Topsakal bezeichnete während der Life-Übertragung der Eröffnung die Kritiker als ‚Die Fremden unter uns’, die sich dem Westen unterworfen hätten“.. Auch einige Funktionäre der Oppositionsparteien leben gefährlich, weil sie nicht bei der Eröffnung erschienen sind.

2. Es ist eine Frage der Zeit, wann die Türkei auch legislativ ein islamischer Staat wird. Dieser neue (alte) islamische Staat wird an die Tradition des osmanischen Reiches anschließen. Und sie wird eine unsägliche Mischung von Islam und türkischen Nationalismus als Staatsideologie haben. Die säkulare Republik Türkei wird als ein unerwünschtes Intermezzo der Geschichte betrachtet, die spätestens 2023, also 100 Jahre nach der Gründung der säkularen Republik , beendet werden soll. Dabei sehen die Islamisten die Türkei als führenden Staat in der islamischen Welt. Auch wenn die Al-Azhar Universität sich sofort von der Schwertpredigt distanziert hat. Aber auch denen wird das Regime in der Türkei zeigen, wo der islamische Hammer hängt. Nämlich in Istanbul.

Ich setze 100.- Euro darauf, dass im nächsten Schritt Istanbul als Hauptstadt etabliert wird. Ist natürlich ein wenig aufwändig, aber bekanntlich versetzt der Glaube Berge, da wird man doch noch eine Hauptstadt versetzen können.

3. Die Aufklärung, der ‚Westen’, die Säkularität, all das wird als eine imperialistische Macht angesehen, die seit 200 Jahren erst das osmanische Reich, dann die Türkei ausgebeutet und umfunktioniert haben. Und all das gilt es jetzt abzuschütteln. Der Aufbruch zurück in die verklärte Vergangenheit kann losgehen.
Fazit: die Türkei ist im 21. Jahrhundert auf dem Weg zu einem radikal islamisch-nationalistischen Staat, der keine Gegner und keine Kritiker duldet. Das betrifft auch uns in Deutschland, mit mehr als 1000 Moscheevereinen der türkischen Religionsbehörde und weiteren 600 Moscheevereinen von Milli Görüs und ATIB.
Ich fürchte, es werden Zeiten kommen, da wird man Erdogan als den ‚gemäßigten’ Islamisten noch vermissen.“

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Kommentare ( 83 )

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bfwied
3 Jahre her

Erdogan hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er das Osmanische Reich zurückhaben will. Er verhehlte auch nicht, dass er die Welt in eine islamische Welt führen will. Alle Reden, alle Handlungen, alle Aufforderungen an die in Deutschl. lebenden Türken, Türken zu bleiben und auf die Weise der Heimat zu leben, waren doch klare Aussagen an alle, dass es zu einem Machtkampf kommen wird. Leute wie M. Dreyer begreifen das alles offensichtlich nicht, sie können keine Zeichen, keine Trends erkennen, sie sind so naiv gutmenschlich deutsch, dass sie die Krawalle in den Städten, all die Übergriffe, statt als genauso wie… Mehr

Ali
3 Jahre her

Was heißt hier auf dem Weg! Die Türkei IST längst ein radikal islamistischer Staat!

Marie-Jeanne Decourroux
3 Jahre her

Und weil sie genau diese Entwicklung für Deutschland nicht wollen, sind die Identitäten im Visier unseres Mielke.

Marie-Jeanne Decourroux
3 Jahre her

… und lautes Schweigen der Kirchen ?.

LadyGrilka55
3 Jahre her

Was kann man auch sonst von Kirchen erwarten, deren Vertreter „aus Respekt vor dem Islam“ ihre Kreuze ablegen? Diese feige Kriecherei ist so bodenlos!

Ich habe ganz bestimmt keine Sehnsucht nach dem Mittelalter, als die Kirche noch über große weltliche Macht verfügte. Ich bin auch nicht religiös. Aber dass heute die höchsten Kirchenvertreter den Kotau vor dem Islam machen, statt ihren Glauben und ihre Überzeugungen (haben die überhaupt noch welche?) zu verteidigen, ist einfach nur erbärmlich. Und die wundern sich, dass immer mehr Menschen aus den Kirchen austreten?!

Chloepfts
3 Jahre her

Das Konstrukt BRD sollte sich also schleunigst dem obersten Imam Erdowahn unterstellen und ihn vollumfänglich unterstützen, eine Westtürkei endlich anerkennen (vor 20 Jahren habe ich das schon gesagt, habe nur blöde Blicke erhalten), um vor Schlimmeren sich zu schützen. Nämlich vor Marx und Bedford-S.. Roth, Maas und Merkel. Was die anrichten kann am „Wir schaffen das“ und in der sog. Coronapandemie gesehen werden.
Die Symbiose Blockflöten/Wähler richtet die hiesige Kultur noch schneller zuschanden.

Jan
3 Jahre her

Nach 1945 im Prinzip alles nur, weil die USA Atomraketen in der Türkei stationiert hatten. Die Türken sind für die Amerikaner geostrategisch enorm wichtig, um Russland einzudämmen. Daher konnten die Türken auch Druck ausüben, Gastarbeiter nach Deutschland schicken zu dürfen. Die Initiative ging von den Türken aus, die Bundesrepublik sträubte sich dagegen.

Noch heute genießen die Türken aufgrund ihrer geostrategischen Lage bei den Amerikanern Narrenfreiheit. Nur so sind ihre ungehinderten Interventionen in Syrien und Lybien möglich.

Epouvantail du Neckar
3 Jahre her
Antworten an  Jan

Die Türkei ist neben Deutschland im rückwärtigen Raum die wichtigste Aufmarschbasis
a) gegen den Iran
b) gegen Rußland
c) in Zukunft gegen China

Jan
3 Jahre her

Ich hatte es schon vor ein paar Tagen unter einem anderen Beitrag formuliert: auch (aber nicht nur) vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen in der Türkei ist es fatal, hier 3 Millionen Türken angesiedelt zu haben und immer noch weitere hinzukommen zu lassen. Ebenso leben mittlerweile schon 800.000 Syrer in Deutschland (vor zehn Jahren noch eine Mini-Minderheit). Was ist, wenn Assad irgendwann mal stürzt und durch einen Muslimbruder ersetzt wird? Die Bevölkerungspolitik der Bundesrepublik ist schlichtweg verantwortungslos und dumm. Auch in geostrategischer Hinsicht. Man macht sich außenpolitisch völlig abhängig und angreifbar, wenn man solche starken islamischen Minderheiten im Land… Mehr

Marie-Jeanne Decourroux
3 Jahre her
Antworten an  Jan

Was in ihr vorgeht? Nach mir die Sintflut!

LadyGrilka55
3 Jahre her

Die will einfach ihren Posten behalten, bis sie von allein vom Stuhl fällt. Danach dann die Sintflut.

bfwied
3 Jahre her
Antworten an  Jan

DAs ist der Schlüssel zum Sieg über das westliche, kapitalistische Deutschland! Ihre Wunschgesellschaft konnte nicht bestehen, dann soll die westliche auch nicht überleben.

Peter Silie
3 Jahre her

Das Osmanische Reich rückt uns wieder auf den Pelz. Unterschied zu den letzten beiden Malen: sie haben schon viele Millionen Trojaner platziert. Herbeigejubelt, kann man das glauben? Wie würden uns unsere Vorfahren unser Fell auf links ziehen, könnten sie davon erfahren?

LadyGrilka55
3 Jahre her
Antworten an  Peter Silie

Das habe ich auch schon so oft gedacht. Unsere Vorfahren hatten noch so viel Verstand, sich ihres schlimmsten Feindes mit allen Mitteln zur erwehren. Wir dagegen füttern seine zahlreichen Nachkommen, die unseren Untergang schon fest im Blick haben, mit unseren Steuergeldern. Die ganz Dummen und die ganz Dreisten unter den muslimischen Migranten sagen schon seit mindestens 15 oder auch mehr Jahren genauso laut und deutlich wie Erdogan, dass sie „hier bald übernehmen werden“ und wir „Christen und Juden unter den Muslimen stehen“. Erzählen Sie das mal einem „Gutmenschen“. Können Sie erraten, wie die Antwort lauten wird? Genau: „Das sind doch… Mehr

Politkaetzchen
3 Jahre her
Antworten an  LadyGrilka55

Unsere Vorfahren hatten im Gegensatz zu der heutigen Gesellschaft auch wirkliche Probleme gehabt.

Wenn aber heutzutage sich jeder irgendwie diskrimminiert fühlt und vor lauter Langeweile zig Geschlechter ausdenkt, wissen sie natürlich nicht damit umzugehen.

Peter Silie
3 Jahre her

Bin mal gespannt, wann oder ob überhaupt die NATO hier ne rote Linie zieht. Vielleicht ziehen aber vorher schon die Türken selbst die rote Linie. Für ein paar Milliarden Dollar Bakschisch lassen Sie sich dann gewiss wieder etwas milde stimmen. Für ein paar wenige Jahre jedenfalls.

Thorsten
3 Jahre her
Antworten an  Peter Silie

Die NATO ist ein Sanierungsfall. Die USA ist mit sich (BLM) und China beschäftigt. Großbritannien hat die EU vergrault, in Frankreich brennen christliche Kirchen und Deutschlands Armee ist ein Schrotthaufen.

Europa kann sich aussuchen, ob Putin oder Erdogan „einmarschiert“. Ich habe da klare Präferenzen …

bfwied
3 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Putin wird nicht „einmarschieren“! DAs ist das geliebte ablenkende Narrativ! Die Russen wären doch zu blöd, wenn sie dieses chaotische Land übernehmen würden! Keine Rohstoffe – haben sie doch selbst in Massen -, zunehmend weniger Intelligenz, zunehmend weniger Industrie und Patente, dafür zunehmend mehr islamisch Zivilisierte, die technologisch-wissenschaftlich nicht mithalten und die überall auf der Welt große Probleme bereiten. Die würden doch ein wildes Hornissennest in ein neues Staatenkonglomerat übernehmen. So dumm ist man hier, aber ganz sicher nicht in Russland!

Luzifer
3 Jahre her

Wenn in naher Zukunft der Kalif von Bayern auf seinem Teppich in Berlin einschwebt um die Kalifat-Filiale von Istanbul in Deutschland zu übernehmen werden die Abou-Chakers und der Rammo-Clan als Religionswächter Spalier stehen. Türkisch wird als Amtssprache eingeführt und Arabisch als Zweitsprache. Und die älteren weißen Männer werden alle zum Islam konvertieren und der Mann wird über der Frau stehen, die ab dieser Zeit keinen Platz mehr in der Politik der Männer hat. Hach wenn ich das noch erleben könnte…..

Thorsten
3 Jahre her
Antworten an  Luzifer

Was machen dann „Alte weiße Frauen“ wie AKK, Merkel und Lagarde? …

bfwied
3 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Die dürfen dann sie selbstgekochte Suppe auslöffeln – geschähe ihnen durchaus recht, und den feministisierten Männern ebenfalls.

LadyGrilka55
3 Jahre her
Antworten an  Luzifer

Obwohl ich mich nach wie vor als alte „Emanze“ verstehe, wünsche ich mir für die Altparteien-Damen – und natürlich speziell für die Grüninnen und Linkinnen, aber natürlich auch für Frau M. – dass sie wirklich keinen Platz mehr in der Politik haben. All diese Frauen haben meine schöne Illusion zerstört, Frauen würden es in der Politik besser machen als die Männer. Leider haben sie das Gegenteil getan. Trotzdem gibt es auch noch die Frauen, die über Vernunft und Augenmaß verfügen und die Fähigkeit zum Selberdenken nicht aufgegeben haben. Mich zum Beispiel. 😉 Also bitte nicht gleich das Kind mit dem… Mehr