Die Deutsche Bank als Menetekel der deutschen Wirtschaft

Die Deutsche Bank feuert Tausende ihrer Investmentbanker und will zurück zur Industriefinanzierung. Doch die Nullzinspolitik der EZB macht auch das zum Hochrisikogeschäft. Ist die Deutsche Bank nur der Anfang einer tiefgreifenden Krise?

TOLGA AKMEN/AFP/Getty Images

Nach der monatelangen Schrumpfkur an der Börse und tagelangem Brodeln der Gerüchteküche, kam die Nachricht nicht sehr überraschend: Die Deutsche Bank wird nun auch personell deutlich kleiner. 18.000 Angestellte von weltweit rund 91.000 sollen das Unternehmen bis 2022 verlassen. 

Betroffen sind, auch das keine Überraschung, wohl vor allem Investmentbanker in den außendeutschen Niederlassungen. In New York und London haben heute hunderte Deutsche Bank-Mitarbeiter ihre Kündigung erhalten. In einigen asiatischen Standorten sind Berichten zufolge schon zahlreiche Schreibtische des Bereichs Equity Capital Markets leer. In Hongkong wurden ganze Büroetagen schon geräumt. 

Die soziale Katastrophe hält sich vermutlich in Grenzen. Die meisten der betroffenen Mitarbeiter dürften Gut- bis Sehrgutverdiener sein, die nicht ins Bodenlose fallen, auch wenn die Zeiten für die Stellensuche in ihrem Gewerbe gerade suboptimal sind. Dies und die Tatsache, dass der Großteil von ihnen nicht in Deutschland lebt, dürfte auch ein Grund dafür sein, dass in der deutschen Politik keine Alarmstimmung herrscht. Ob allerdings die unternehmerische Katastrophe der größten und wichtigsten Bank Deutschlands mit diesem Einschnitt nun endlich beendet werden kann, ist eine andere Frage. Möglicherweise ist das, was nun geschieht, nur ein Menetekel für eine umfassendere Krise, die der deutschen Finanzwirtschaft noch bevorsteht. 

Radikale Kurskorrektur – zurück in die Vergangenheit

Was Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing nun eingeleitet hat, ist eine radikale Kurskorrektur, ein Wendemanöver, wie es selten ist in der Wirtschaftsgeschichte. Was zwei bis drei Jahrzehnte lang als Zukunft der Deutschen Bank (und nicht nur ihre) galt und vor der Finanzkrise auch tatsächlich Milliardengewinne einbrachte, wird nun offen zum gigantischen Holzweg erklärt: das internationale Investmentbanking. Mit Hilmar Kopper als Vorstandsvorsitzenden von 1989 bis 1997 hatte es mit der fatalen Neuausrichtung angefangen, er kaufte sich mit der US-Bank „Bankers Trust“ in das bislang von US-Unternehmen betreiben Geschäft ein.

Seither wurde die Bank buchstäblich von den Gangs aus New York und London ausgeplündert, die als Dealer die Kunst beherrschten, die phantastischen Gewinne als noch phantastischere Boni unter sich zu verteilen und die Risiken in der Bankbilanz zu verstecken. Aber ihre Kunst galt als zukunftsstark; seither wurde das Geschäft mit Privat- und Firmenkunden vernachlässigt. Es schien bieder, langweilige, provinziell. Unter Rolf.-E. Breuer (19097 bis 2002) erreichte dieses Modell seinen schaurigen Höhepunkt, als er die Bonität seines Kunden, des Kirch-Konzerns (Pro7, Sat1), bezweifelte, um an der Zerschlagung mitzuverdienen. 10 Jahre später wurde rund eine Milliarde an Strafzahlung dafür fällig; der Rufschaden ist schwer zu beziffern.

Unter Josef Ackermann schließlich kippte die Bank während der Finanzkrise vom grandiosen Sockel des Weltmarktes in die Flut der roten Zahlen. Es ist einer jener schlechten Treppenwitze, dass eine der Hauptverursacher des Debakels, Anshu Jain, schließlich als Co-Vorstandschef (2012–2015) damit beauftragt wurde, die Scherben zusammenzukehren und die Vase zu kitten – schließlich müsse man den Dieb fragen, wie er reingekommen sei, so damals die eher seltsame Begründung in Hintergrundgesprächen.

Zurück auf Null – aber zu spät

Alle Hoffnungen ruhen nun wieder auf dem, was zuvor jahrzehntelang das Geschäftsmodell der Deutschen Bank war: die Finanzierung der heimischen Wirtschaft und die Vermögensverwaltung für heimische Privatkunden. 

Die Börse schien diesen vermutlich längst überfälligen Rückschritt zunächst gut und richtig zu finden und verschaffte der leidgeprüften Aktie eine kurze Atempause – doch noch heute ging es gleich wieder in die gewohnte Richtung: steil abwärts. Die langfristigen und vagen Hoffnungen wurden wohl schnell überlagert von den kurzfristigen und konkreten Aussichten: Allein schon die Abfindungen für all die geschassten Investmentbanker zwischen New York und Hongkong werden in diesem und im kommenden Jahr für sichere Verluste sorgen. 

Vermutlich hat die Börse mal wieder recht. Denn die Hoffnung, mit der Finanzierung robuster deutscher Industrieunternehmen verlässlich gute Geschäfte zu machen, könnte in absehbarer Zeit enttäuscht werden. Nicht nur, aber auch aufgrund der jüngsten Personalentscheidung aus Brüssel: Mit der künftigen Präsidentin Christine Lagarde dürfte nämlich klar sein, dass die Niedrig- bis Negativzinspolitik der EZB auf absehbare Zeit fortgeführt, wenn nicht verschärft wird. Da dürfte sich die Französin und Macron-Vertraute von den Zwischenrufen der Vorsitzenden der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer wenig beeindrucken lassen.

Nullzinsen verheißen nämlich, wie der Ökonom Markus Krall im TE-Interview deutlich macht, nur kurzfristig und vordergründig Gutes für die Wirtschaft. Der längerfristige Effekt ist, dass immer mehr Unternehmen zum Zombie werden. Sie sind eigentlich auf einem Holzweg und nicht mehr wettbewerbsfähig, können sich aber durch billiges Geld auch ohne anstrengende Reformen trotzdem über Wasser halten. Für eine Volkswirtschaft bedeutet das: ein wachsender Anteil des Kapitals ist in schlechten, also nicht marktgerechten Verwendungen gebunden. Irgendwann platzt dann natürlich die Illusionsblase doch – und mit ihr verfaulen Bankkredite. 

Ohnehin ist an den Krediten kaum mehr was zu verdienen. Null-Zinsen bedeuten: Das Risiko, das in jedem Kredit schlummert, wird nicht angemessen bepreist. Im harten Konkurrenzkampf wird gutes Geld an schlechte Schuldner verliehen. Das rächt sich dann.

Krall befürchtet, dass dann Banken, die ohnehin schon auf schwachen Füßen stehen, vollends zusammenbrechen. Das droht dann nicht nur der Deutschen Bank, sondern es könnte vielleicht auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken erwischen. Und die könnten dann den Immobilienmarkt mitsamt der Hypothekenschuldner mit sich reißen. Verglichen mit solchen Aussichten, wäre die bisherige Krise der Deutschen Bank nur Peanuts. Ihr Niedergang ist möglicherweise nur der Anfang einer schweren Krise.

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Kommentare ( 73 )

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Winni
4 Jahre her

Herman Joefs Abs und Alfred Herrhausen werden sich im Grab umdrehen über die Verkommenheit ihrer Nachfolger und die Dummheit und Ahnungslosigkeit der deutschen Politiker/innen.

Achso
4 Jahre her

Klar,ein Menetekel mit der Deutschen Bank.
aber warum fallen mir da bloß die Landesbanken mit ihren Milliardenverlusten ein?
Saßen in den Vorständen nicht massenhaft SOZEN ?
Bei der DB wird es die Gier gewesen sein, bei den LB die Dummheit der Sozen.
Naja, im Ergebnis kein Unterschied.

89-erlebt
4 Jahre her

Jedem rot/rot/grünen Träumer mit wachsender Anhängerschaft in der Merkel Truppe sollte endlich klar werden, dass in dieser Welt niemand auf das borniert moralische Lemmerland wartet, geschweige denn angewiesen ist oder gar hört ! Das was mit der Zerstörung der Bundeswehr begonnen, mit der Energie Wende fortgeführt und mit der Welt Klima Rettung in die Endphase der Ruinierung der heimischen Wirtschaft letztlich zur Zerstörung der Lebensgrundlage der hiesigen Bevölkerung führt, wird bald soweit vorangetrieben sein, dass es kein Zurück mehr geben wird. Der Niedergang der Banken steht symbolisch für den Niedergang der Sparer, auch derer, die über Kassen oder Anlagen für… Mehr

bkkopp
4 Jahre her

Als die Bank 2010 die Postbank übernahm wussten Bankanalysten in New York zu kommentieren, dass diese Übernahme unverständlich sei, weil die Bank für seine rückständige IT bekannt war. Letztes Jahr ist das IT-Vorstandsmitglied mit dem Kommentar ausgeschieden, dass die Bank die “ verrückteste Firma sei die sie kennt „. Es soll mehr als 40 IT-Systeme gegeben haben, die sie zwar deutlich reduzieren konnte, aber es waren immer noch mehr als 30 wo 5 ausreichend sein sollten. Die aktuelle Schrumpfung wird viel Geld kosten. Es steht in den Sternen, ob dann noch genug Geld und Managementkapazität da ist, um die betriebliche… Mehr

Christian aus Hessen
4 Jahre her

Die Umkehr kommt viele Jahre zu spät. Geführt von unfähigen Vorständen (ich kann mich seit Herrhausen an keinen mehr erinnern der auch von der Intelligenz her zur Deutschen Bank gepaßt hätte) schlingert die Bank von einem Gerichtsverfahren zur nächsten Geldwäsche und zu was weis ich noch von kriminellen oder wirtschaftlichen desaströsen Aktivitäten. Da sie diese jedoch in keiner Bankbilanz abbilden können und dürfen (es werden ja nur Rückstellungen für die Verfahren gebildet die schon laufen) ist es um die DB noch viel schlechter besstellt als man glaubt. Früher war es mal eine Auszeichnung sagen zu können, dass man bei der… Mehr

karel
4 Jahre her
Antworten an  Christian aus Hessen

Mein erstes Bank-Konto habe ich vor über 50 Jahren bei der
Deutschen Dank eröffnet.
Nachdem jedoch deren Kunden nahegelegt wurden,
sich lieber von ihren Daimler-Benz-Aktien zu trennen,
habe ich die Bank gewechselt.
Mir war klar,
der größte Einzel-Aktionär wird die Deutschen Bank.
Was sie ja dann auch wurde.

Cui bono ….
wurde für mich ein zuverlässiger persönlicher Wegweiser…

drnikon
4 Jahre her

Annahmen: In Deutschland ändert sich die Stimmungslage. Die Kinder der geburtenstarken Jahrgänge sind endlich fast vollzählig im deutschen Arbeitsmarkt angekommen. Deren Eltern arbeiten noch 5-10 Jahre. Danach beginnt ein starker Braindrain im Inneren. Die Wirtschaft verliert in nicht unerheblichem Ausmaße ein großes Potential williger und fähigster Arbeitskräfte. Es handelt sich um einen Zeitraum, der für jüngere Politiker von Bedeutung für ihre weitere Karriere ist. Einige derer begreifen, was auf uns zukommen wird. Nun geht es darum, sich und andere aus den freitäglichen Hüpfburgen zu bekommen und in die Realität zurückzuführen. In dem Moment, wo die Jüngeren arbeiten und erstmals Steuern… Mehr

Wilhelm Cuno
4 Jahre her

Na ja, jetzt lassen wir doch bitte mal die Kirche im Dorf. Sewing macht die Investmentabteilung in London und New York platt, die seit Jahren den Laden zu einem unkalkulierbaren Risiko macht und außerdem permanent große Verluste produziert, die aber regelmäßig erst mit Zeitversatz wirksam werden. Er macht nichts anderes, als den verlustbringenden und auch noch riskanten Teil der Bank abzuwickeln und sich auf den stabilen Teil zu konzentrieren. Was soll er auch sonst machen, wenn er nicht eines Tages vor dem Insolvenzrichter stehen will? Nur dass der Laden etwas größer ist als die breite Masse von Unternehmen in Schwierigkeiten.… Mehr

Peter Gramm
4 Jahre her

Herr Dr. Krall hat dies ja schon vorhergesagt. Die Luft entweicht so langsam aus dem Ballon. Die angedachte CO 2 Steuer ist ein Vehikel die steigenden Staatsausgaben zu finanzieren und hat aber rein gar nichts mit dem Klima zu tun. Die Wahrheit sind die steigenden Pensionslasten wenn die Babyboomer in die Altersversorgng kommen und die Wirtschaft schrumpft. Dafür hat der Staat keine Vorsorge getroffen. Die Überversorgungen muß ja jemand finanzieren. Bin gespannt wie lange sich die Bevölkerung dieses Schauspiel ansieht und sich an der Nase herumführen läßt. Jetzt wo ein Wirtschaftsminister Führungsstärke zeigen sollte hört man von dieser saarländischen Luftpumpe… Mehr

Achso
4 Jahre her
Antworten an  Peter Gramm

„Bin gespannt wie lange sich die Bevölkerung……..“
Na,bis zum bitteren Ende ! Oder sind in Ihrer Familie und im Bekanntenkreis Menschen
die sich auch nur ein Jota um Wirtschaft kümmern? Eben!

schukow
4 Jahre her

Ich bin mit meinen 7-12 Penunsen nur ein kleines Würstchen für einen Bankier. Damit habe ich kein prinzipielles Problem. wenn mich der Herr Bankier aber schnöselig in die Resterampe (Bank24, erinnert sich noch wer?) verschiebt, darf er mich hinfort …. also Goethe: ‚Götz von Berlichingen‘, Sie wissen schon. Nun und als Heide bin ich auch nicht zur Vergebung der Sünden gehalten. → Götz!

Thomas Hellerberger
4 Jahre her

Wir sind inzwischen alle ein bißchen verwöhnt, wenn wir die jetzige Lage der Wirtschaft für eine Krise halten. Ist denn vergessen, wie viele Arbeitslose Deutschland noch vor 25 Jahren hatte, als die Sechsmillionenmarke erreicht wurde? Ist vergessen, wie festgezurrt der völlig überregulierte Arbeitsmarkt für Einsteiger und Arbeitslose damals war? Mancher ist wohl schon zu jung, um diese Zeiten noch zu erinnern. Da ist noch sehr viel Luft nach unten. Aber Panik wird viel eher einsetzen – gerade weil wir alle vergessen haben, wie es sich mit Arbeitslosengeld und 250 unbeantworteten Bewerbungen lebt. Ich kenne das Gefühl noch von früher, es… Mehr