Die Bundeswehr tritt trotz Milliardenaufwandes auf der Stelle

Die seit Jahren anhaltende defizitäre Einsatzbereitschaft der Bundeswehr verbessert sich - wenn überhaupt - nur im Schneckentempo. Das ist die Quintessenz des amtlichen Berichts zur „Materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr“, der soeben öffentlich wurde.

Getty Images

In äußerst knapper Form deuten darin der Generalinspekteur, die Inspekteure der drei Teilstreitkräfte, die Inspekteure der Streitkräftebasis und des Sanitätsdienstes sowie die Präsidentin des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) auf ganzen 19 Seiten die Lage an. 19 Seiten Bericht – das ist für einen riesigen Komplex wie die Bundeswehr dürftig, es ist zudem im Rückblick auf die ins Auge gefassten vergangenen sechs Monate ein bisschen Wahrheit, ein bisschen Eigenlob und viel Vernebelung. Und nicht zuletzt eine Reihe von Sprechblasen, wenn beispielsweise von einer „Effizienzsteigerung unter anderem durch konzentrierte Vertragsbearbeitung“ die Rede ist. Was denn sonst, ihr Helden, reibt sich der verwunderte Leser die Augen. Anscheinend waren derartige Selbstverständlichkeiten bisher die Ausnahme, sonst stünden Banalitäten dieser Art nicht in einem ministeriellen Bericht.

Die Baustellen sind geblieben. Die Einsatzbereitschaft aller 68 Hauptwaffensysteme liegt „bei knapp über 70 Prozent“. Das ist dürftig, zumal sich hinter diesen durchschnittlich 70 Prozent sehr unterschiedliche Quoten verbergen. Wörtlich ist von einer „materiellen Einsatzbereitschaft zwischen 30% bis 93%“ die Rede. Bei den fabrikneuen Lastwagen sind es laut Bericht zwar 90 Prozent Einsatzbereitschaft. Was in diesem Fall nicht weniger als eine Binse sein sollte. Der Standard-Panzer Leopard 2 liege „endlich wieder bei über 70 Prozent.“ Für das Kampfflugzeug Eurofighter werden fast 60 Prozent angegeben. Beim Transportflugzeug A400M – einer Endlosbaustelle – werden überhaupt keine Quoten angegeben, es wird nur gesagt, die Zahl der Flugstunden habe sich seit 2017 vervierfacht und das System wäre erfolgreich als Transporter für COVID-Patienten eingesetzt worden. Wenn man dann noch erfährt, dass sich die Luftwaffe im März 2020 (!) für die beiden Hauptwaffensysteme Eurofighter und A400M ambitionierte Ziele gesetzt hat, deren Erreichen ein gemeinsames und zielgerichtetes Wirken auf allen Ebenen erfordert, fragt sich der interessierte Leser, was bitte die Verantwortlichen bisher gemacht haben. Nach langen Jahren sich endlich ambitionierte Ziele zu setzen ist ein Eingeständnis der bisherigen Misswirtschaft, die anscheinend allerorten klaglos akzeptiert wurde. Gerade zu ein Hohn für den Steuerzahler!

Miserabel schaut es auch in anderen Bereichen aus. Hubschrauber sind nur zu 40 Prozent einsatzbereit. Wie Pfeifen im Keller klingt hier der Satz: „Der letzte Berichtsmonat zeigt bspw. beim NH90 und Kampfhubschrauber (KH) TIGER erste kleine Verbesserungen.“ Als „stark verbesserungswürdig“ wird die Lage beim Schützenpanzer Puma, bei Tankschiffen der Marine und mobilen Sanitätseinrichtungen benannt.

Ein generelles Manko der Bundeswehr war all die letzten Jahre die mangelnde Ersatzteilbevorratung. Dazu heißt es im Bericht nicht gerade optimistisch: „Die Investitionen u.a. in weitere Ersatzteilpakete, der Abschluss der technischen Dokumentationen und die Beschaffung weiterer Sonderwerkzeugsätze sollen sich ab Mitte des Jahres 2020 für uns auswirken.“ Darüber hinaus werden alle Hoffnungen auf eine spürbare entsprechende Besserung auf die lange Bank geschoben. Zwar wurde höchstministeriell der Aufbau eines zusätzlichen 30-Tage-Einsatzvorrates an Ersatz- und Austauschteilen angewiesen. Aber, so der Bericht wörtlich: „Der Einsatzvorrat wird schrittweise für die im Fähigkeitsprofil der Bundeswehr festgelegten Kräftedispositive in den Zwischenschritten 2023, 2027 und 2031 aufgebaut und im Logistischen System der Bundeswehr vorgehalten werden.“

Dass sich die Lage da und dort überhaupt minimal verbessert hat, ist wohl ein Ergebnis von „Corona“. Denn während der Corona-Einschränkungen wurden viele Waffensysteme weniger genutzt – bei gleichzeitig gleichgebliebener „Instandsetzungskapazität.“ Wörtlich heißt es dazu: „Die Monate März/April 2020 setzen diesen Trend weiter fort, leider bisher auch durch die ersten Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beeinflusst, da weniger Ausbildungen und Übungen in den Einheiten und Verbänden zu einem geringeren Nutzungs- und Nachfrageverhalten der jeweiligen Hauptwaffensysteme führten.“

Öffentlich ist nur der erste Teil des Berichts. Ein zweiter Teil ist als geheim eingestuft; angeblich könnten sonst die Sicherheitsinteressen Deutschlands beschädigt werden. So heißt es als Begründung. Nun denn, was die Einsatzfähigkeit betrifft, pfeifen die Spatzen von den Dächern, was mit der Bundeswehr los ist. Auch ohne den geheimen Bericht dürfte von Paris über London bis Washington, aber auch bis Moskau und Peking bekannt sein, wie die deutsche Armee dasteht.

Transparenz bleibt daher das Gebot der Stunde, die Unzulänglichkeiten gehören in die Öffentlichkeit. Nebelkerzen wie dieser angebliche Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr helfen niemandem. Dahinter wird mehr verborgen als erläutert. Dabei könnte das Eingeständnis der Defizite den öffentlichen Druck zum Beispiel auf die wehrtechnische Industrie erhöhen helfen, die für jeden Trippelschritt einen neuen Vertrag verlangt und ihn sich teuer bezahlen lässt. Die Medien dürfen es dem Verteidigungsministerium nicht durchgehen lassen, die Rüstungsmisswirtschaft hinter einer Geheimhaltungswolke zu verstecken. Die zahlreichen „Experten“ mit MdB-Mandat werden die Probleme nicht lösen können, ihnen fehlt der Sachverstand. Die neue Wehrbeauftragte Eva Högl des Deutschen Bundestages kann hierfür als abschreckendes Beispiel gelten.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 36 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

36 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Britsch
3 Jahre her

Wenn ich mich recht entsinne habe ich es auch hier schon meine Erkenntnis dargelegt. Diese begründet sich auf dem was einige Bekannte die schon vor längerer Zeit als auch in jüngerer Zeit in der bundeswehr an vorderster Front in der Instandsetzung bei verschiedenen Waffensystemen / Waffengattungen tätig / im Einsatz waren. durchweg hat es an wirklichen fachlich fähigen Praktikern / Instandsetzern gefehlt! Als erstes muß man einmal wissen wo die Ursache liegt, Manchmal nur Kleinigkeit. Wenn man das niocht weiß werden oft ganze Baugruppen erneuert und dann ist der Fehler eventuell immer noch und man versucht die nächste Baugruppe zu… Mehr

der_chinese
3 Jahre her

Ach was waren das für schöne Zeiten zu meiner Wehrdienstzeit, 98/99, bezahlter Urlaub, ab und an ballern gehen und das beste, die genialen Bergstiefel von HAIX, die haben mir fast 10 Jahre weiter gute Dienste geleistet, obwohl ich sie kurz vor meinem Ausscheiden noch stark beschädigt habe und gehofft habe noch ein neues Paar zu bekommen, wurde leider abgelehnt.

Ach selbst zu meiner Zeit war es genaugenommen ein Trauerspiel

Oekologische Nische
3 Jahre her

Wer seine Schwerter zu Pflugscharen schmiedet, wird eines Tages den Pflug führen müssen, für den der es nicht getan hat.

fatherted
3 Jahre her

Das Grundproblem der BW sind nicht die einzelnen Waffensysteme….sondern dass nach dem kalten Krieg bis heute keine Grundentscheidung über die Neuausrichtung der BW getroffen wurde. Wenn man die BW als Verteidigungsarmee haben möchte, darf man nicht die Wehrpflicht abschaffen. Wenn man keine V-Armee mehr braucht, dann was? Sondereinsatz Ausland? Humanitäre Hilfe (also ein bewaffnetes THW)? Nato Partner….und sich damit an der Nato Doktrin ausrichten….oder nicht? Zur Zeit hat man den Eindruck, dass selbst bei einem Konflikt mit Luxemburg, Deutschland in 2 Tagen „fallen“ würde. Solange man sich nicht in die eine oder andere Richtung entscheidet und den Weg konsequent geht,… Mehr

AlNamrood
3 Jahre her
Antworten an  fatherted

Putin braucht nur ein paar tausend Soldaten an der Grenze aufmarschieren und sie „Asyl, Asyl!“ rufen lassen, dann kommen die Truppen ohne Widerstand ins Land. Dann einfach an einem Feiertag alle nach Berlin fahren und den Reichstag besetzen.

Kaltverformer
3 Jahre her

Und über allem steht eine Bundeskanzlerin Angela Merkel, als fünfte Kolonne und reibt sich zufrieden ob ihres Werkes die Hände.
Sie hat es geschafft, dieses Staat und die deutsche Gesellschaft, massiv zu beschädigen, die Weichen Richtung völliger Zerstörung zu stellen, ohne das sie vom deutschen Michl als Hauptverantwortliche wahrgenommen wird.

Aber der schläft sowieso solange, bis sie ihm nicht nur die Butter vom Brot, sondern auch das Haus weggenommen haben……

Lucius de Geer
3 Jahre her

Ist das nicht ein Schützenpanzer Marder im Hintergrund auf dem Foto? Der war doch schon zu Zeiten meines Wehrdienstes (PzGrenBtl. 51, Rotenburg, 1988/89) den russischen Modellen unterlegen. Könnten die Autoren einmal darlegen, was diese Bundeswehr-Folklore im 21. Jahrhundert noch soll? Also: gegen wen genau sollen wir uns mit der (hauptsächlich noch einsatzfähigen) Technologie des Kalten Kriegs verteidigen können? Müssen wir uns vor Schweizern, Franzosen, Belgiern, Niederländern, Dänen, Polen, Tschechen, Österreichern oder gar Italienern fürchten? Und gibt es für die Russen in diesem international in der Bedeutungslosigkeit versinkenden Land noch irgendetwas zu holen? Bis 1989 waren Wehrdienst und Bundeswehr noch sinnvoll… Mehr

schukow
3 Jahre her

Ein Staat, der kein Staatsvolk hat, keine Staatsgrenzen, keine Staatsverfassung, der nichts hat, was ihn im Inneren zusammenhält, der hat, Gott sei’s geklagt, andere Sorgen als die statistische Einsatzbereitschaft von Streitkräften ohne Auftrag. Ein Volk, das seine Kinder nicht liebt, vielleicht nicht lieben kann, das Ersatzenkel denen des eigenen Blutes vorzieht, das hat das Urteil gesprochen über sich selbst. Es wird sich verabschieden aus der Geschichte. Es wird Legende mit allem was es der Menschheit hinterläßt, im Guten wie im Schlechen.

Norbert Gerth
3 Jahre her
Antworten an  schukow

Danke, Sie sprechen mir aus dem Herzen.

Der Ketzer
3 Jahre her

Wer kauft denn Mio./Mrd. teure komplexe Technik ohne technische Dokumentationen? Oder gibts da Probleme bei der Übersetzung?

Onan der Barbar
3 Jahre her

Die Bundeswehr hat fertig, und das ist auch gut so. Wie Samwise in „Herr der Ringe“ knurrte: „Meinen Kochtopf hat er schon, mein Schwert kriegt er nicht auch noch dazu“ – es genügt, den Neubürgern und dem Islam das Land schlüsselfertig zu übergeben, sie brauchen nicht noch ein schlagkräftiges Militär dazu, um auch den Rest Europas noch zu brutalisieren. Machen wir uns nichts vor, jeder BW-Panzer und jeder BW-Lastwagen wird in absehbarer Zukunft von einem Jihadi gesteuert werden (die Flugzeuge und Hubschrauber weniger, „dazu sans zu deppert“) – das ist das Endziel des Großen Spru… der Großen Deformation, nein, wie… Mehr

EinDemokrat
3 Jahre her

@ ludwig67
Die Bundeswehr soll Deutschland verteidigen? :-)) Das ich nicht lache :-))
Die meisten Deutschen würden den Einmarsch russchischer Truppen erst dann mitbekommen, wenn sie morgen ihre Brötchen in Rubel bezahlen müssten.