Deutscher Friedenspreis für ukrainischen Antisemiten

Der umstrittene linke Verein „Aachener Friedenspreis“ verleiht seine Auszeichnung an einen Ukrainer, der den Holocaust schönredete – und mit Verschwörungstheorien und Nationalismus von sich reden machte. Ein Ausrutscher ist das nicht: Der Verein hat seit Jahren ein Antisemitismus-Problem.

(L) Screenprint Aachener Friedenspreis / (R) Mykola Vasylechko.Світлина Миколи Василечка., CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=44324570

Empörung in der Ukraine: Der Aachener Friedenspreis geht in diesem Jahr an ukrainischen Journalisten Ruslan Kotsaba. Der künftige Friedenspreisträger ist unter anderem bekannt für seine Aussage: „Die Juden haben Stalin und Hitler gezüchtet – der Holocaust war die Strafe dafür“. Hört man sich einschlägige Aussagen des 52-jährigen an, so ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass er ein stramm antisemitisches Weltbild hat (mit deutscher Übersetzung hier zu finden). Unter anderem sagte der Westukrainer: „Die Juden erinnern sich an diese Periode“ (den Holocaust, Anm. der Redaktion) „vermutlich mit Trauer, daran, wie sie wie Schafe dahinliefen, und zu Tausenden erschossen wurden, obwohl sie nur von ein, zwei Maschinengewehrschützen bewacht wurden, obwohl sie doch mit ihren Körpermassen jeden Konvoi hätten erdrücken können. Aber sie spürten eben, dass sie eine Strafe zu verbüßen haben, dafür, dass sie den Nationalsozialismus heranzüchteten, den Kommunismus heranzüchteten.“

Der Aachener Friedenspreis wird von einem gleichnamigen, 1988 gegründeten Verein verliehen, den Kritiker als „linksradikal“ bezeichnen und dem unter anderem die Stadt Aachen, der SPD-Unterbezirk, der Kreisvorstand der Grünen und die „Linke“ in der Städteregion Aachen angehören. Der Verein hatte 2006 Strafanzeige gegen Kanzlerin Merkel und Verteidigungsminister Jung erstattet wegen „Vorbereitung eines Angriffskrieges“.

Er war schon wiederholt im Zusammenhang mit Antisemitismus in die Schlagzeilen geraten. Bernhard Nolz, Preisträger von 2002, hatte mit einer antisemitischen Karikatur für eine heftig umstrittene Ausstellung über Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948 geworben: Dort war eine Krake zu sehen, die am Kopf eine israelische Flagge trägt, auf der statt des Davidsterns ein Hakenkreuz gezeichnet war.

Ebenfalls mit antisemitischen Karikaturen machte Walter Herrmann von sich reden, der den Preis selbst 1998 erhalten hatte und auch Mitglied im Verein war. Unter anderem stellte er eine Zeichung aus, in der eine mit US-amerikanisch-jüdisch-israelischen Motiven und Symbolen gekennzeichnete Person ein palästinensisches Kind verspeist”. Kritiker sahen darin Analogien zu jener Propaganda, „in der Juden als Kindermörder geschmäht werden”.

„Das Antisemitismus-Problem im Aachener Friedenspreis ist lange bekannt“ – mit diesen Worten zitierte die Aachener Zeitung 2011 den Vorsitzenden des Vereins Karl Heinz Otte. Vorstandsmitglied Matthias Fischer kam damals mit weiterreichenden Anträgen wegen des Problems im Verein nicht durch und beklagte, dass „sich Teile der Linken und (Vorstands-)Mitglieder des Aachener Friedenskreises” mit latentem Antisemitismus „nicht hinreichend auseinandersetzen wollen”. „In unseren Reihen gibt es Antisemitismus“, sagte Fischer: „Das Thema ist nicht zu Ende. Der eigene Antisemitismus muss kritisch aufgearbeitet werden, wenn wir als Friedensinitiative glaubwürdig agieren wollen.” Die Mehrheit im AFG-Vorstand versuche, antisemitische Ausfälle als Ausrutscher darzustellen. „Das entspricht aber nicht der Realität. Es ist ein Dauerproblem.” Die Warnungen von vor acht Jahren wirken heute auf bittere Weise prophetisch.

Der Verein sorgte auch anderweitig für Schlagzeilen. So verlieh er seinen Preis vor einigen Jahren auch an drei Schulen, weil sie keine Bundeswehr im Unterricht haben wollten – wobei eine der Schulen den Preis ablehnte mit dem Hinweis, dass die „dargestellten und für preiswürdig empfundenen Umstände weder rechtlich noch tatsächlich zutreffen. Neben Kotsaba sollen den Preis, wie am Mittwoch bekannt wurde, dieses Jahr am 1. September der „Initiativkreis gegen Atomwaffen“ und die Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt!“ erhalten. Sie setzen sich für den Abzug von US-amerikanischen Atombomben auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel ein, lautet die Begründung.

Der WDR berichtete über die die Ankündigung der Preisverleihung, ohne allerdings auch nur mit einem Satz die Problematik der Person Kosabas zu erwähnen. Auch darauf, dass der Verein und damit auch sein Preis umstritten sind, wird nicht hingewiesen – vielmehr klingt der Artikel so, als handle es sich um einen renommierten Preis wie etwa den Aachener Karlspreis – wobei hier gerade wegen der Namensähnlichkeit ein expliziter Hinweis ratsam gewesen wäre.

In dem WDR-Beitrag heißt es: Mutiger Einsatz für Frieden Der 52 Jahre alte Journalist Ruslan Kotsaba wird für seine Friedensbemühungen im Osten der Ukraine ausgezeichnet. Der Aachener Friedensverein sagt: „Kotsaba hat den Mut, als Einzelner gegen den Krieg und für friedliche Lösungen einzutreten.“ Seit nunmehr fünf Jahren herrsche in der Ostukraine Krieg. Kotsaba spreche von einer humanitären Katastrophe. Der Wiederaufbau werde Jahrzehnte dauern.

Kein Wort steht in dem WDR-Artikel darüber, wie extrem umstritten Kotsaba in seiner Heimat ist: Seine Kritiker werfen ihm vor, Nationalist und Verschwörungstheoretiker zu sein; damit sei er auch in Deutschland zum Kronzeugen geworden, gerade in den Kreisen jener Linken, die Russlands Invasion in der Ukraine als „Bürgerkrieg“ verharmlosen und den ukrainischen Widerstand dagegen als „unpazifistisch“ abtun.

Kotsaba-Kritiker werfen ihm vor, der „Wegbereiter der Kreml-Sichtweisen“ im Krieg in der Ostukraine zu sein. Kotsaba mache „Stimmung für den Aggressor“ und fordere die Ukraine de facto zum Aufgeben des Widerstandes gegen den Angriff auf das eigene Land auf, klagt etwa der ukrainische Journalist Oleg Kudrin.

Kotsabas Unterstützer rechnen ihm genau das hoch an: Dass er sich gegen eine militärische Lösung des Konfliktes und vor allem gegen den Einsatz des ukrainischen Militärs aussprach. Der 52-Jährige veröffentlichte auf YouTube ein mehrere hunderttausend Mal angeklicktes Video. Darin erklärte er, er wolle nicht zur Armee gehen und rief zum allgemeinen Boykott der Mobilisierung auf mit dem Hinweis, diese sei gesetzeswidrig, da kein Kriegszustand verhängt worden sei. Während Wladimir Putin selbst einräumte, dass russische Militärs in der Ostukraine aktiv sind („Wir haben nie gesagt, dass keine Leute dort seien, die bestimmte Aufgaben ausübten, einschließlich im militärischen Bereich“) betonte Kotsaba, es handle sich um einen Bürgerkrieg.

Genau diese Haltung gefiel auch den Friedenspreis-Organisatoren. „Anders als die meisten seiner Kolleg*innen bemühte Kotsaba sich um objektive Berichterstattung“, begründete der Verein seine Entscheidung.

Nach einem Auftritt in einem russischen TV-Sender, in dem der Journalist seine Ansichten wiederholte, wurde er Zuhause wegen Hochverrats angeklagt. Ein Gericht sprach ihn zwar von diesem Vorwurf frei, verurteilte ihn aber 2016 zu dreieinhalb Jahren Freiheitsentzugs wegen „Behinderung der rechtmäßigen Aktivitäten der Streitkräfte der Ukraine“. Amnesty International erkannte Kotsaba als „Gewissenhäftling“ an und forderte die Ukraine auf, ihn frei zu lassen. Bürgerrechtsorganisationen und Menschenrechtler schlossen sich dieser Einschätzung an.

Es gebe unterschiedliche Meinungen in der ukrainischen Journalisten- und Bürgerrechtlerszene darüber, ob das Verfahren gegen Kotsaba gerechtfertigt gewesen sei, sagt der Journalist Kudrin: Aber es bestehe Einigkeit darüber, dass er „moralisch zu verurteilen sei dafür, die Sichtweisen des Angreifers im angegriffenen Land zu propagieren.“

Mit der Preisverleihung sei die „Grenze linker Idiotie“ in Deutschland erreicht, klagt Kudrin: „Man kann sich vorstellen, wie viele Exkremente im Lauf der Preisverleihung über die Ukraine vergossen werden, ein Land, dass sich gegen einen Angreifer von außen wehrt, der dabei von solchen linken Idioten unterstützt wird.“

Dem Verein „Aachener Friedenspreis“ gehören ca. 400 Mitglieder an, darunter rund 350 Einzelpersonen, sowie etwa 50 Organisationen. Unter diesen die Stadt Aachen, der DGB-Bezirk Nordrhein-Westfalen, die katholischen Organisationen Misereor und Missio (letztere mit ruhender Mitgliedschaft), die in Aachen ihren Hauptsitz haben, der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen, der evangelische Kirchenkreis Aachen, zahlreiche weitere kirchliche Organisationen, und SPD-, Grünen- und „Linke“-Verbände.

In den sozialen Netzwerken löste die Entscheidung heftigen Unmut aus.


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Lesen Sie auch Reitschusters Kolumne «Berlin extrem – Frontberichte aus Charlottengrad»: Darin lüftet der Autor ironisch den Blick hinter die Kulissen der russisch-ukrainisch-jüdischen Diaspora an der Spree, deren Außeneinsichten oft ungewöhnliche Perspektiven eröffnen. Darüber hinaus spießt der Autor den Alltags-Wahnsinn in der Hauptstadt auf – ebenso wie die Absurditäten in der Parallelwelt des Berliner Politikbetriebs und deren Auswirkungen auf den bodenhaftenden Rest der Republik.

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Kommentare ( 12 )

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12 Comments
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Achmed mit dem Schachbrett
4 Jahre her

Mich beunruhigen mehr die Rechtsextremen in der ukr. Führung: Offen faschistische Positionen werden dort vertreten, Völkermord und ethnische Säuberungen nicht nur propagiert, sondern auch vollzogen. So wurden z.B. in Odessa Dutzende Menschen bei lebendigem Leib verbrannt, im Krieg gegen den Donbass ca. 40’000 Menschen umgebracht und das Majdan-Regime hat Russisch verbieten lassen. Es ist in der ukraine verboten, am Arbeitsplatz, in Behörden, in Cafés, Restaurants usw. Russisch zu sprechen.

Herr_Schmidt
4 Jahre her

Seine Einstellung, sich nicht in diesen Krieg einberufen zu lassen, kann ich verstehen. Es ist nicht klar, für wessen Interessen die jungen Männer dort ihr Leben lassen.
Aber einem unbelehrbaren Judenhasser dafür einen deutschen Friedenspreis zu verleihen, ist ein Unding.

Enrico Stiller
4 Jahre her

Sind Deutsche mittlerweile wie Chinesen? Chinesische Historiker sagen, dass die chinesische Geschichte dadurch gekennzeichnet ist, dass den normalen Untertanen eigentlich alles vollkommen egal war, was der Kaiser und die Bürokratie machte. Hauptsache, sie hatten zu essen. Erst nach Hungersnöten gab es Aufstände, und ggf. Dynastiewechsel. –
Deutschland geht es gut. Ist uns deshalb völlig egal, dass wir uns zum Affen machen?
Hat dieses Land überhaupt keine Würde und kein Schamgefühl mehr?

elly
4 Jahre her

Diese ganze Preise sind eine Selbstbeweihräucherung der Eliten. Alleine der Friedensnobelpreis an den Kriegspräsidenten Obama zeigte allzu deutlich worum es geht.
Nichtbeachtung sollen sie sich doch die Schultern klopfen und unter sich bleiben. Bald geht auch das Geld dafür aus.

Ben Goldstein
4 Jahre her

Ich finde den Aachener Karlspreis fast noch anrüchiger!!!

Gisela Fimiani
4 Jahre her

Vor allem für die -nicht aufschreienden- Medien schäme ich mich zutiefst.

Alfonso
4 Jahre her

Zitat aus obigem Artikel: „ Der Verein hat seit Jahren ein Antisemitismus-Problem“

Der Verein ist offensichtlich antisemitisch, aber ein Problem hat dieser Verein doch damit ebenso nicht wie einige andere Organisationen (und bekannte Personen) in Deutschland, die sich ebenfalls antisemitisch verhalten.

Frank B.
4 Jahre her

Moment mal! Also wenn ich nicht irre, ist die Leugnung des Holocausts strafbar. Das tut dieser Wicht zwar nicht, macht aber das Andenken an die Opfer in schändlichster Weise verächtlich, was auch eine Straftat darstellt. Diesen ** zu ‚ehren‘ bedient also das Element, mit seiner Ansicht konform zu gehen und diesem Umstand voll und ganz zuzustimmen.
Da wäre es doch im Sinne der deutschen Stastsräson, dieses Vorgehen auf juristischer Ebene abzuurteilen, oder bin ich da auf dem braunen Holzweg?
Merkel bitte kommen!

Maria KH
4 Jahre her

Deutsche verleihen einem Menschen den „Friedenspreis“, der der Ansicht ist, dass die Juden sich den Holocaust redlich verdient haben. Und der WDR schweigt dazu. Haben die Jungs sicher gar nicht mitbekommen wie auch das Silvesterpogrom 2015 direkt vor ihrem Bürogebäude.
Da kann man sich wirklich nur noch nur der Beurteilung der o.g. Kommentatorin Irena Kisel anschliessen, die ich hier von ganzem Herzen wiederhole:

Zum Schämen. Und zum **.

Jo_01
4 Jahre her

Das dieser Herr von den Linken ausgezeichnet wird ist haarsträubend, aber auch typisch.
Zwei Anmerkungen aber doch:
1.
Die von Ihnen genannte ukrainische Armee im Kampf gegen die Bürger der Ostukraine bestand zu erheblichen Teilen aus dem sog. rechten Sektor und weiteren, privaten paramilitärischen Verbänden, die oft ganz ungeniert die Wolfsangel der ukrainischen Faschisten an ihren Uniformen trugen. Sie verehren Bandera und sind ebenfalls stramme Antisemiten.
2.
Die Mainstreammedien sprechen immer wieder in unklarer Sprache von „Kritiker sagen“ dies oder das. Diese sprachliche Unschärfe sollte bei TE nicht auch Einzug halten. Dies nur als wirklich gut gemeinter Hinweis.