Berliner Senat stoppte klammheimlich Stasi-Überprüfung

Laut Parlamentsbeschluss müssen Senatoren und Staatssekretäre eigentlich auf MfS-Kontakte untersucht werden. Jetzt kommt heraus: seit 2017 verzichtet die Regierung darauf.

imago images / Christian Ditsch

Eine kuriose Szene spielte sich im Berliner Abgeordnetenhaus ab, als der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe von der Regierung in der Fragestunde zur Sitzung am 5. März wissen wollte, ob sie neue Senatoren und Staatssekretäre nach frühen Stasi-Kontakten durchleuchtet habe – und zu welchen Ergebnissen sie dabei gekommen sei. Die generelle Überprüfung der Regierungsmitglieder hatte das Abgeordnetenhaus 2017 einstimmig beschlossen. Sie war auch einmal durchgeführt worden: im Frühjahr 2017. Seitdem kamen allerdings durch Personalwechsel 10 neue Staatssekretäre ins Amt.

Zunächst überlegten die Senatsmitglieder, wer die Frage beantworten sollte, schließlich erhob sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und meinte, er könne dazu nichts sagen, er wisse es nicht: „Das kann ich nicht spontan beantworten.“

Dagegen wusste der FDP-Mann Luthe schon aus anderer Quelle die Antwort – aus einer kleinen Anfrage, die er gestellt hatte, und auf die er kurz vor der Parlamentssitzung Auskunft bekam. Die Frage hatte er im Plenum wiederholt, um mehr Öffentlichkeit für das Thema herzustellen. Das Haus von Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte Luthe mitgeteilt:

„Das Abgeordnetenhaus hat am 9. März 2017 eine Überprüfung aller Mitglieder des Senats sowie aller Staatssekretärinnen und Staatssekretären beschlossen. Diese Prüfung ist negativ ausgefallen. Über dieses Ergebnis hat der Präsident des Abge- ordnetenhauses die Fraktionsvorsitzenden unterrichtet. Eine weitere Überprüfung hat nicht stattgefunden, so dass für seit März 2017 veränderte Personalien eine Beantwortung der Frage nicht möglich ist.“

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Mit anderen Worten: Für alle nach März 2017 neu in die Regierung eingetretenen Staatssekretäre unterließ der Senat klammheimlich die verbindlich beschlossene Stasi-Überprüfung. Geisel musste erstens einräumen, dass er von der Antwort seiner eigenen Senatsverwaltung an den FDP-Mann nichts gewusst hatte, und sagte zweitens, die Überprüfung werde jetzt nachgeholt – ohne zu erklären, bis wann.

Zu dem Überprüfungsbeschluss war es 2017 gekommen, nachdem Bausenatorin Katrin Lompscher den Linkspartei-Politiker Andrej Holm ein Jahr zuvor zum Staatssekretär ernannt hatte. Holm war im September 1989, also noch kurz vor dem Zusammenbruch der SED-Herrschaft, noch als Offizier der Staatssicherheit vereidigt.

Seine hauptamtliche Tätigkeit für das MfS hatte der Linken-Politiker erst geleugnet. Erst nach öffentlichen Protesten trat Holm 2017 zurück. Der Fall Holm war nicht singulär. Eine andere Verqickung zwischen Berliner Regierungspolitik und alten Stasi-Kadern flog 2019 auf: der grüne Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt förderte großzügig den „Verein Kooperationsnetzwerk Friedrichshain“, in dessen Vorstand ein ehemaliger Major der Staatssicherheit saß. Der Verein wiederum arbeitete eng mit der linken und von Lompscher unterstützten Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ zusammen.

Für eine fortgesetzte Stasi-Überprüfung der Senatsebene gäbe es also nach wie vor gute Gründe.

„Während Extremisten von allen Seiten immer stärker den demokratischen Rechtsstaat bedrohen, hat ausgerechnet der Berliner Senat den einstimmigen Beschluss des Parlaments zur Überprüfung auf Stasi-Tätigkeiten vergessen“, kommentiert der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe gegenüber TE das Eingeständnis des Senats. Zum Senat Müllers, so Luthe, gehöre die Linkspartei, die immer noch verfassungsfeindliche Gruppierungen in ihren Reihen habe – vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet, vom Berliner Landesamt nicht. Diese Regierung, so der Freidemokrat, halte es „nicht für untersuchenswert, wenn der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg einem Verein um einen ehemaligen Stasi-Major – zuständig für subversive Akte gegen die Bundesrepublik – die Mittel für ein Stadtteilbüro zur Verfügung stellt, in dem zufällig der „Deutsche-Wohnen-Enteignen“-Verein ansässig ist. Dieser Senat ist auf dem linken Auge blind.“

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Kommentare ( 50 )

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Wilhelm Cuno
4 Jahre her

Gähn. Wen soll das in dieser sozialistischen Republik, wo die Union Druck auf Herrn Kemmerich von der FDP macht, damit er zugunsten eines Kommunisten Platz macht, noch hinter dem Ofen hervor holen? Jetzt noch Planwirtschaft bei Landwirtschaft, Immobilien und Autos – fertig.

Birgit
4 Jahre her

Zur weiteren Information sehr zu empfehlen:

► Die DDR und ihre Auswirkungen bis heute! – Vera Lengsfeld, Angelika Barbe & Nicole Höchst
https://www.youtube.com/watch?v=WLohS40R3ww

SKB TV – Brandenburg
► Redaktionsbesuch | Hans-Georg Maaßen | Teil 1
https://www.youtube.com/watch?v=Nm2gYQc2jAA
► Redaktionsbesuch | Hans-Georg Maaßen | Teil 2
https://www.youtube.com/watch?v=24DFO4JCgdI

Cethegus
4 Jahre her

Hmm, verstehe gar nicht warum eine solche Maßnahme getroffen wurde, immerhin müßte doch das Vorhandensein von verdienten Genossen, die sich im Kampf gegen den Imperialismus bewährt haben doch inzwischen ein Qualitätsmerkmal für die Wähler der Linkspartei sein?????? Warum sollte man Stasischergen verschweigen?
Bei der Stimmung für die Linkspartei momentan ist das wohl überflüssig!

(*IRONIE AUS*)

wat nu
4 Jahre her
Antworten an  Cethegus

Lieber Cethegus, die Frage muss doch gar nicht ironisch sein, die Antwort – weil, wenn die ganz Linken, die fast Linken und die getarnten Linken öffentlich zugeben würden, dass sie sich in den „Führungspositionen“ und in der Zuarbeit für diese gänzlich aus ehemaligen Stasi-Mitarbeitern, deren indoktrinierten Kindern usw. rekrutierten, hier so manch ein Schnarch- und gutgläubiger Demokrat aufwachen würde. Ich hege also wieder einmal die Hoffnung, dass durch objektivere Presseberichte zu diesem Thema, unser ARD/ZDF-Publikum erschreckt aufwachen könnte. Der größte Unterwanderungsclou war nicht Walter Guillaume bei der SPD unter Brandt, sondern ich vermute IM Kasner bei der CDU. Die sind… Mehr

mr.kruck
4 Jahre her

Nur mehr ein weiteres Indiz; Blind auf dem nach links gerichteten Auge, das fürs rechte Spektrum dagegen hochgerüstet mit Spitzelpropaganda und willfähriger Medialer Unterstützung. Ganz so , wie es sich einst Honecker und nun seine Erben so vorstellen….

Regenpfeifer
4 Jahre her

In welcher Thematik man auch immer schaut: Berlin ist darin immer eine „failed city“ -das einzigste, was darin funktioniert, sind die Seilschaften.
Die Berliner Mauer neu zu errichten, den Schlüssel dafür wegwerfen und ~10..20 Jahre später mal nachschauen, was aus diesem Freiluftlager für rote Socken geworden ist, wäre noch die interessanteste Möglichkeit, den realkarikierenden Sozialismus bloßzustellen..

Cosa nostra
4 Jahre her
Antworten an  Regenpfeifer

Die gewissenlosesten und brutalsten Kommunisten würden in Dahlem wohnen und die Mehrheit der dummen Bevölkerung buckeln lassen. Was sonst ?

Don R. Balken
4 Jahre her

„ Seine hauptamtliche Tätigkeit für das MfS hatte der Linken-Politiker erst geleugnet.“ Wenn man Linken-Politiker durch SED-Politiker ersetzt, bekommt es sofort Sinn. De facto handelt es sich bei der Partei Die Linke um die rechtsidentische, juristische Person SED! D.h. die Partei, die von 1949 bis 1989 in der DDR das Sagen hatte und für zahlreiche Verbrechen während ihrer Herrschaft verantwortlich war, sitzt in den Ländern wieder in Regierungsverantwortung. Und fabuliert ganz offen, wie man seit Kassel weiß, in klassischer sozialistischer Manier schon wieder von Massenerschießungen und Konzentrationslagern, um das irdische Paradies der Arbeiter und Bauern zu erschaffen. Die Linke ist… Mehr

Peter Pascht
4 Jahre her
Antworten an  Don R. Balken

Es ist die SED! Das schlimme dabei, sie kämpft nicht für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, sondern nur für ihre eigene Machtergreifung. Sei gibt bloß vor dies zu tun, so wie die Grünen bloß vortäuschen für den Umweltschutz zu kämpfen. Deswegen sind sie für mich keine Linke Partei, sondern bloß die Attrappe einer linken Partei.

Lara Berger
4 Jahre her

Dieser Senat paßt ins Bild: ganz Deutschland wird beherrscht von ultralinken Regierungen, bis hinunter auf Kommunalebene. Offenbar hat die Abkehr der Bürger von den ehemaligen Volksparteien dazu geführt, dass nur noch der „harte Kern“ übrigblieb, der nun wichtige Ämter besetzt und eine sehr deutschen/staatsfeindliche Politik etablierte. Offenbar zutiefst beseelt von der Scham über die unsäglichen Verbrechen des 3. Reiches, entwickelten diese Leute einen unheilvollen Hass auf ihr eigenes Land, ihre eigene Herkunft. Gleichzeitig setzte mit dem Zuzug vieler Gastarbeiter eine Verbrüderung dieser Deutschen mit sehr vielen Ausländern ein. Die Ressentiments gegenüber dem deutschen Staat verstärkte sich auf beiden Seiten. Deutschland… Mehr

Bummi
4 Jahre her

Nach 30 Jahren sollte damit auch Schluss sein. Zudem waren andere Geheimdienste keinen Deut besser und haben auch nichts anderes gemacht. Und da alle etablierten Parteien die gleichen Meinungen vertreten ist es doch Wurst wer da sitzt. Sehe da keine Unterschiede mehr zwischen einer Linken und der CDU etc.

Albert Pflueger
4 Jahre her
Antworten an  Bummi

Ihr Beitrag zeugt von tiefer Ahnungslosigkeit. Sicherlich gibt es andere Geheimdienste, die auch nicht besser waren. Den KGB z.B., auch in China und Nordkorea, in Venezuela und Kuba könnte man sie finden, aber gehen Sie mal ins Stasi- Museum, und wenn Sie da wieder rauskommen, dann beantworten Sie die Frage noch einmal, ob sie sich den Verantwortlichen oder Mitmachern von damals in der Rolle von Staatssekretären gegenüber sehen wollen, oder doch lieber nicht!

Ronaldo
4 Jahre her
Antworten an  Bummi

Klar. Nach 30 Jahren muss Schluss sein. Und wenn das minderbemittelte Parlament das nicht versteht und einstimmig etwas anderes bestimmt, muss die Regierung das natürlich ignorieren. (Achtung! Sarkasmus!)

Milliarden von Galaxien
4 Jahre her

Rote Bananenrepublik Deutschland.
Wenn ich dann noch die Werbung des Hauptstadtklubs im Olympiastadion „Die Zukunft gehört Berlin“ lese, wird mir noch schlechter.

Lara Berger
4 Jahre her

Mich tröstet nur eines: Berlin hat schon viele solcher „Zukunften“ überlebt. Auch wenn es einmal sehr weh tat, Berlin hat sich erholt. In der fast 800jährigen Geschichte dieser alten Stadt ist schon viel über sie gekommen. Aber unser Bärchen hat sich immer geschüttelt und weitergemacht.

Schwabenwilli
4 Jahre her

Sind wir mittlerweile nicht in einer Phase angelangt in der es dem Großteil der Einwohner dieses Landes egal ist was die da Oben alles verbrechen?

Lara Berger
4 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

Ja. Man kann einen Ermüdungseffekt überall erkennen. Genau das ist das gefährliche und kann den Verfassungsfeinden den Sieg bringen und uns unsere Lebensart kosten. Nicht mehr und nicht weniger. Nicht vergessen: wer gar nicht erst kämpft, der hat schon verloren. Nun muß er sich nur noch anpassen: an die Bedürfnisse fundamentaler Muslime (es gibt kein einziges Volk auf der Welt, das dies schafft, weil es unmöglich ist), an die Überwachung durch den Kampf gegen rechts/Stasi, an die Ungleichbehandlung: nur Sie zahlen, nur Sie werden ins Gefängnis geworfen (GEZ), nur Sie sind wertlos (ohne Kulturbonus vor Gericht). Aber ist gar nicht… Mehr