Auskunftsverweigerung und Automatismus beim Auswärtigen Amt?

Das Auswärtige Amt beantwortet keine Presseanfragen, obwohl es sich Fragen gefallen lassen muss: Wieso wurde die Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime Nurhan Soykan ausgewählt - gibt es gar einen Automatismus?

imago Images/Christian Spicker

Das Auswärtige Amt stellte als Religionsvertreterin für den Islam Nurhan Soykan, die Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime ein. Und das, obwohl der Zentralrat der Muslime (ZMD) seit Jahren in der Kritik steht, besonders wegen vorgeworfener Nähe zur islamistischen und antisemitischen Muslimbruderschaft. Vor kurzem ordnete der Bundesverfassungsschutz offiziell das ZMD-Gründungsmitglied und den ZMD-Mitgliedsverband „ATIB – Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa“ der türkisch-rechtsextremistischen „Ülkücü“-Bewegung, auch bekannt als „Graue Wölfe“, zu. Der stellvertretende Vorsitzende des ZMDs, Mehmet Alparslan Celebi, ist aktives Mitglied bei ATIB und in deren Vorstand. Celebis Vater ist nicht nur Gründer von ATIB, sondern benannte seinen Sohn M. Alparslan nach dem Gründer der Grauen Wölfe, mit dem er jene zusammen in der Türkei und Deutschland aufbaute. Es gibt ergo direkte Verbindungen.

Fragwürdige Personalie

Dadurch, dass Nurhan Soykan sich als eine strikte Anhängerin des Kopftuches offenbart, Kopftuchdebatten als „Scheindebatten“ sowie „Popularisierung“ relativiert und sich negativ gegenüber der vom Bundestag verabschiedeten Armenien-Resolution äußerte, wird der Eindruck vermittelt, sie vertrete einen türkischen Nationalismus in Kombination mit einem Politischen Islam. Diese Charakteristika könnten indirekt durch ihre offensichtliche Abneigung gegen Israel bestätigt werden.

Nurhan Soykan
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In einem Interview mit dem Deutschlandfunk, zu dem sogenannten „Al-Quards“-Marsch 2014 legte Soykan ihre Positionen zum Nahen Osten und Israel offen. Im Interview distanzierte sich Soykan nicht grundsätzlich den den al-Quds-Aktivisten, sondern bedauerte nur „niveaulose Parolen“ wie „Zionisten ins Gas“. Der Al-Quds-Tag, der von dem damaligen iranischen Religionsführer Ruhollah Chomeini als Kampftag der „internationalen muslimischen Solidarität“ eingeführt wurde, und die Märsche verfolgen das Ziel der Eroberung Jerusalems und der Vernichtung des Staates Israel. Als der Redakteur von Deutschlandfunk fragte „warum kommt Israel-Kritik im Gewand des alten Antisemitismus daher“, antworte Soykan im Interview: „Wir haben uns auch immer davon distanziert, Juden allgemein anzugreifen und zu beleidigen. Aber es muss auch möglich sein, die israelische Politik genauso wie die Politik anderer Länder kritisieren zu dürfen.“ Dies lässt die Vermutung aufkommen, als versuche Soykan im Interview die anti-israelischen, antisemitischen Al-Quds-Märsche zu verteidigen. Denn des Weiteren antwortete sie, dass man vor allem den jungen Leuten in Deutschland, „die sich auf diesem Weg der Demonstration Luft machen wollen und ihren Ärger auch mal zeigen wollen“ eine Möglichkeit zum äußern geben müsse. Antisemitische Demonstrationen werden eindeutig mit „Luft machen“ relativiert.

Verweigerung der Presseauskunft?

Durch diesen Hintergrund entwickeln sich immer mehr legitime Fragen bezüglich der Personalentscheidung, die das Auswärtige Amt sich gefallen lassen muss. Doch das Auswärtige Amt beantwortete nicht die Presseanfrage von TE, indem es auf keine Frage im Einzelnen einging, sondern eine Art Statement abgab:

Das Auswärtige Amt ergänzt seine klassische Außenpolitik zwischen Staaten seit vielen Jahren um eine Außenpolitik der Gesellschaften, seit 2016 konkret auch durch das Arbeitsfeld Religion und Außenpolitik.

Über 80 Prozent der Weltbevölkerung bekennen sich zu einer Religion. Die Verantwortung der Religionen für Frieden will das Auswärtige Amt mit religiösen Gemeinschaften weltweit ansprechen, ihren möglichen Einfluss auf Gesellschaft und Politik besser verstehen und das konstruktive Potential stärken. Frau Soykan wird, ähnlich wie ihr christlicher und ihr jüdischer Kollege, das Auswärtige Amt zu Fragen der Verantwortung religiöser Gemeinschaften für Frieden beraten. Frau Soykan vertritt seit vielen Jahren Verbände und Gremien, die sich den Themen Religion, Verständigung und Integration widmen.

Der Tagesspiegel veröffentliche in einem Artikel über den Fall Soykan eine Äußerung des Auswärtigen Amts. Wie TE bestätigt wurde, handelt es sich dabei ebenfalls um eine Antwort des AA zur Presseanfrage des Tagesspiegel-Journalisten Hans Monath:

Aus dem Ministerium heißt es, man wolle die Verantwortung der Religionen für Frieden mit religiösen Gemeinschaften weltweit ansprechen, ihren möglichen Einfluss auf Gesellschaft und Politik besser verstehen und das konstruktive Potential stärken. Soykan werde, wie ihr christlicher und jüdischer Kollege, das AA „zu diesen Fragen beraten“.

Dies ist eindeutig dieselbe gegebene Antwort. TE wurde bestätigt, dass auf die Fragen der Presseanfrage des Tagesspiegels ebenfalls nicht eingegangen wurde. Das Auswärtige Amt antwortet also nicht individuell auf Presseanfragen, sondern schickt einheitliche, nichtssagende Statements an die Presse heraus. Die Mehrheit dieser Informationen sind sogar dieselben wie auf der Website des AA. Journalisten werden damit keine Auskünfte erteilt, die für die Öffentlichkeit von großem Belang sind, um über die tatsächlichen Vorgänge oder Verhältnisse unterrichten zu können. Doch noch einmal: das Auswärtige Amt muss sich Fragen gefallen lassen.

Auswärtiges Amt muss sich Fragen gefallen lassen

Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, über den tatsächlichen Vorgang der Personalentscheidung unterrichtet zu werden. Deshalb beginnt es bereits mit der Frage, auf welchen Grundlagen und mit welchen Kriterien die Religionsvertreter, besonders Nurhan Soykan, denn ausgesucht wurden. Gab es überhaupt andere Kandidaten, die für diesen Posten infrage kamen, oder wurde hier eine Entscheidung aufgrund einer vorgeschlagenen Person getroffen?

Die Entscheidung, Nurhan Soykan als Beraterin einzustellen, wirft ernsthaft die zentrale Frage auf, welche Rolle bei der Personalentscheidung der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) gespielt hat? Ist es möglich, dass bereits ein gewisser Automatismus bei den Ministerien und der Bundesregierung entstanden ist, Vertreter des ZMDs automatisch als vertrauenswürdige Partner zu wählen? Ist Nurhan Soykan eine Personalentscheidung, die auf der Grundlage eines Automatismus beruht, den ZMD seit vielen Jahren als einen Partner der Bundesregierung und Ministerien blind zu beanspruchen?

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Diese Automatismus-Theorie würde dadurch gestützt werden, dass es den Anschein erweckt, als habe sich das Auswärtige Amt weder mit der Person Nurhan Soykan noch mit dem Zentralrat der Muslime vor der endgültigen Personalentscheidung beschäftigt. Hat das Auswärtige Amt vor der Personalentscheidung Auskünfte über Frau Soykan eingeholt? Ein Automatismus würde erklären, weshalb eine Person als Religionsvertreterin des Islams ausgewählt wird, die einem Dachverband angehört, der weniger als 1% der in Deutschland lebenden Muslime vertritt. Auf diesen Punkt geht das Auswärtige Amt genauso wenig ein wie auf die Rechtsextremismus-Vorwürfe gegen den ZMD aufgrund des Mitgliedsverbandes ATIB. Am Auswärtigen Amt mag es wohl kaum vorbeigegangen sein, dass der Verfassungsschutz ATIB den rechtsextremistischen Grauen Wölfen zuordnet. Und dennoch wurde diese Personalentscheidung getroffen – was wiederum die Frage aufwirft: Wieso ist der ZMD ein so wichtiger Partner für das Auswärtige Amt, sodass über die rechtsextremistischen Verbindungen hinweggesehen wird? Wie stark arbeitet der ZMD mit den deutschen Ministerien zusammen, dass man ohne nur mit der Wimpern zu zucken, eine ZMD-Vertreterin als Beraterin einstellt?

Dass Nurhan Soykan womöglich über eine antiisraelische und antisemitische Haltung verfügt, scheint beim Auswärtigen Amt, eine der obersten Bundesbehörden, die zuständig ist für die deutsche Außen- und Europapolitik, anscheinend nicht von Belang gewesen zu sein. Wenn das Auswärtige Amt schreibt, dass Frau Soykan „seit vielen Jahren Verbände und Gremien, die sich den Themen Religion, Verständigung und Integration widmen“ vertritt, wird man skeptisch: Was für Gremien vertritt Frau Soykan genau seit vielen Jahren? Und inwiefern arbeitet die umstrittene ZMD-Generalsekretärin bei dem brisanten Thema Integration mit Ministerien oder Städten zusammen? Was die konkreten Aufgaben von Soykan als „Religionsvertreterin“ sind, lässt das AA ebenso nicht durchscheinen. In welchen Themen und Schwerpunkten die vielflach in Kritik stehende Religionsvertreterin das AA berät, ist für die Öffentlichkeit auch nicht klar erkennbar.

Der Fall Soykan lässt die legitime Frage aufkommen, wie sehr in Ministerien und seitens der Bundesregierung Automatismen vorhanden sind, mit Akteuren eines Legalistischen Islamismus und Politischen Islams ohne Prüfung blind zu kooperieren. Das Auswärtige Amt schuldet der Öffentlichkeit Antworten.

TE hat nochmals eine Anfrage an das Auswärtige Amt geschickt (Stand 27.07.2020).

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Kommentare ( 21 )

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November Man
3 Jahre her

Ich Danke Herrn Lindner von der FDP noch heute von ganzem Herzen, dass er uns vor einem Grünen Außenminminiister mit türkischem Migrationshintergrund aus Urach bewahrt hat.
Dann wäre es heute noch wesentlich schlimmer als jetzt schon.

Eberhard
3 Jahre her

Rechtsextrem in Deutschland bleibt nach wie vor den Eingeborenen vorbehalten. Warum gibt es auf einmal für Zugewanderte gesonderte und abweichende Quotenregelungen? Für ehemalige DDR Bürger, die über Jahrzehnte fast antifaschistischer rassistischer Behandlung ausgesetzt waren, wurde darüber nicht einmal nachgedacht. Waren und bleiben sie eben auch im wiedervereinigten Deutschland nur Eingeborene 2. Klasse, mit viel unangepasster Gesinnung?

Sonja Dengler
3 Jahre her

Wen wundert: das Auswärtige Amt hängt ja im „Netzwerk des Good Club“ – aus deren Sicht stimmt die Richtung also

RauerMan
3 Jahre her

Gab es bereits Reaktionen des Zentralrats der Juden in Deutschland ?

obo
3 Jahre her

»Die Verantwortung der Religionen für Frieden will das Auswärtige Amt mit religiösen Gemeinschaften weltweit ansprechen […].« Seit wann ist das Außenamt eigentlich für Religionen zuständig? Bisher dachte ich, das es für die diplomatischen Beziehungen zu anderen Staaten(!) zuständig wäre. Das es jetzt auch Beziehungen zu allen möglichen (Interessen-)Gruppen unterhalten will, insbesondere den verschiedenen Weltreligionen, ist neu. Das dürfte wohl zu einer Verdopplung des Personals führen. Wer wird die Religion(en) der Aborigines oder der Inuit vertreten? Wer die westafrikanischen und wer die südafrikanischen Naturreligionen? Werden die neuen Religionsbeauftragten ihre Arbeit ohne eigenen Stab und Abteilung bewältigen können? Und — wird es… Mehr

Marinero
3 Jahre her

Interessante Entwicklung … „Tichys Einblick“ steht nicht auf der Liste der künftig staatlich zu fördernden Medien. Eine mögliche Erklärung für die antwortunwillige Arroganz der eigentlich auskunftspflichtigen Behörde. Solche Sperenzchen gegenüber unabhängigen Publikationen werden mit Beginn der staatlichen Förderung ausgesuchter Medien mit Sicherheit eben so zunehmen wie gezielte Kampagnen zur Aufwertung der „Guten“ bzw. zur Abwertung der freien Konkurrenz. Was sich außerhalb der Liste bewegt, dürfte nach bewährter Methode als „umstritten“, „nicht vertrauenswürdig“, „populistisch“, „rechts“ und schlimmer denunziert werden. Auskunftsrechte und -pflichten?! Die Bürokratie, von oben politisch gedeckt, probt schon länger eine selektive Informationsbewirtschaftung und maßt sich willkürliche Verweigerungen an, wo… Mehr

Schorschi
3 Jahre her

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, ob man im AA vielleicht sogar sehr genau nach einer geeigneten Kandidatin gesucht hat? Ein überkritischer Blick auf Israel scheint in der Deutschen Politik ja zunehmen ebenso chique zu sein, wie ein tiefes Verständnis für die Belange von Palästinensern und deren politischen Freunden, die das selbe (End-) Ziel verfolgen. Kranzniederlegungen unseres Bundespräsidenten auf das Grab palätinensicher Antisemiten und die unverhohlene finanzielle Unterstützung anti-israelischer Terroreinheiten inklusive. Und wenn ich jetzt noch polemisch werden darf: Nurhan Soykan soll zuständig sein für „Frieden mit religiösen Gemeinschaften weltweit“. Das kann (und sollte) man auch aus dem Blickwinkel streng… Mehr

Biskaborn
3 Jahre her

Rechtsextremismus beginnt und endet u.a. für das AA bei der AfD, insofern kann es bei dieser dubiosen Dame auch keine Verbindung zu Rechtsextremismus geben. Fragen diesbezüglich zu beantworten erübrigt sich somit. Außerdem habe ich bei der deutschen, mehrheitlichen Öffentlichkeit nicht den Eindruck, das diese Personalia großes Interesse erregt. Ich vermute Umfragen würden ergeben: 90% kennen weder die Dame, diese Personalentscheidung des AA, noch wird es die Teilnehmer an dieser Umfrage überhaupt interessieren.

Embe
3 Jahre her

„Der Fall Soykan lässt die legitime Frage aufkommen, wie sehr in Ministerien und seitens der Bundesregierung Automatismen vorhanden sind, mit Akteuren eines Legalistischen Islamismus und Politischen Islams ohne Prüfung blind zu kooperieren. “

Das ist eine hochinteressante Frage, denn wie hat Frau Soykan denn überhaupt die Sicherheitsüberprüfung bestanden?

friedrich - wilhelm
3 Jahre her

…es war mir schon immer unbegreiflich, wieso man
von regierungsseite verbänden, die vertreter einer grund – undsind
menschenrechtswidrigen weltanschauung sind, von anfang an einen solch großen
einfluß einräumen konnte! das kann ich nur als strohdumm und verantwortungslos gegenüber dem einenen volk ansehen! warum beruft man eigentlich nicht die us medien allseits bekannte islamwissenschaftlerin dr. lamya kaddor ins außenministerium? – hinsichtlich kaddor ironie aus-!