Angela Merkel: Der Nebel weicht

Dass Angela Merkel jeder Klarheit entflieht, ist weder neu noch verboten. Dass so viele Journalisten und Experten und so weiter ihr das erlauben, ist ein Problem, das auch nach Merkel weiter besteht.

Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

»Keinen Zentimeter weicht die Bundeskanzlerin wieder, wenn es um ihre Flüchtlingspolitik geht: Nicht 2015 war falsch, sondern: „Mein Fehler lag vor der Ankunft der Flüchtlinge.“« Schreibt Andrea Dernbach im Tagesspiegel über Merkel in Chemnitz: »Sie habe die Menschen erst wahrgenommen, als sie nach Europa kamen, nicht aber, als sie in den Lagern in Jordanien, dem Irak und der Türkei verzweifelten und nach Europa aufbrachen. Dass das nicht mehr vorkomme, daran arbeite sie seit damals. Auch mit dem EU-Türkei-Vertrag, „der mir so um die Ohren gehauen wurde“.«

Es geht Merkel nicht um „ihre Flüchtlingspolitik”. Es ging ihr noch nie um Politik in der Sache. Sie agiert so, wie sie – oft richtig – glaubt, an der Macht zu bleiben. Also tut sie so, als würde sie einen Fehler zugeben, aber den weniger gewichtigen, nicht so fassbaren, je länger her, je weiter weg, um so besser.

Dernbach berichtet weiter:

»Deshalb sei auch der UN-Migrationspakt so wichtig: Der verpflichte Länder in aller Welt zu Standards, Grenzschutz, der Ausgabe von Dokumenten und ordentlicher Behandlung von Migranten. „Weil wir von Migration besonders betroffen sind, ist der Pakt für uns von elementarem Interesse. Wenn wir immer warten, bis ein Problem uns erreicht, dann wird der Migrationsdruck bleiben.“«

Getroffen Frau Merkel. Das ist zeitlich und räumlich noch weiter weg. Keiner der Bürger, denen Merkel das in Chemnitz sagte, hat eine Chance, noch zu erleben, ob und was daraus wird. Auch Merkel selbst muss die Probe aufs Exempel nicht fürchten – auf so lange Sicht schon aus rein biologischen Gründen nicht. Wie sagte doch John Maynard Keynes? Auf lange Sicht sind wir alle tot.

Seit dem Artikel im Tagesspiegel tritt Schlag auf Schlag und immer klarer zu Tage, dass der UN-Migrationspakt eine Initiative der Kanzlerin, der Bundesregierung ist.  Indirekt kann man das aus dem Tagesspiegel-Beitrag herauslesen. Aber eben nur indirekt.

Wenn der UN-Migrationspakt der Plan wäre, von dem Frau Merkel bei Anne Will weiland sagte, dass sie einen habe, warum hat sie das nicht von Anfang an offen ausgesprochen und dafür in einer demokratischen Debatte öffentlich geworben? Weil sie und die classe politique das Volk nicht „beunruhigen” wollen (Thomas de Maizière)?

Die Nebel lichten sich langsam. Aus der Bundestagsdebatte notiert Ansgar Graw, dass Merkels Argumentation in sich widersprüchlich bleibt:

»So offensiv wie nie zuvor verteidigte die Kanzlerin den UN-Migrationspakt. Die Flüchtlingskrise habe gezeigt „wie wichtig es ist, Flucht, aber auch Migration im Zusammenhang des internationalen Kontextes zu lösen und nicht zu glauben, irgendein Land könnte das alleine“. Deshalb liege der Migrationspakt im „nationalen Interesse“, weil er die Bedingungen für Flucht und Arbeitsmigration verbessern könne. Man wolle, „dass die Menschen, die in Katar Fußballstadien bauen, vernünftig behandelt werden“, so Merkel, die einen Moment später die Versicherung wiederholte, der Pakt sei „rechtlich nicht bindend“. Aber für Katar soll er’s sein?«

Wann wird Frau Merkel sagen: Der UN-Migrationspakt ist meine Initiative. Nie? Wenn meine Unterstellung stimmt, dass sie auch hier nicht der Sache wegen tätig wurde, sondern der Zustimmung in anderen Parteien und vielen Medien wegen, steckt in Merkels Handeln nicht der kleinste Widerspruch. Dann ist sie manchmal einfach nur unkonzentriert ungenau, ohne Engagement in der Sache nicht überraschend. Denn die Richtung, in die sie marschiert, bestimmen ja jene, deren Zustimmung Frau Merkel für den Machterhalt sucht.

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Kommentare ( 83 )

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83 Comments
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Echter Demokrat
5 Jahre her

„Weil wir von Migration besonders betroffen sind, ist der Pakt für uns von elementarem Interesse.“

Ließe sich sofort durch Grenzschließung beheben, also keine Reden schwingen.

IJ
5 Jahre her

Das, was sich alle Bundesbürger sich einmal anschauen sollten ist, wie Angela Merkel zur Deutschen Flagge steht. In einem seltenen Momemnt der Wahrhaftigkeit zeigt sie uns allen, was sie von uns und unserem Land tatsächlich hält … https://www.youtube.com/watch?v=_kgQF5rvpY0

PsychoChicken
5 Jahre her

Und täglich grüßt das Merkeltier…

RalledieQ
5 Jahre her

„Die Flüchtlingskrise habe gezeigt „wie wichtig es ist, Flucht, aber auch Migration im Zusammenhang des internationalen Kontextes zu lösen und nicht zu glauben, irgendein Land könnte das alleine“. Deshalb liege der Migrationspakt im „nationalen Interesse“, weil er die Bedingungen für Flucht und Arbeitsmigration verbessern könne. “
Hört dieser Frau eigentlich noch jemand zu? Diese Aussagen sind so sinnentleert und widersprüchlich, dass es eigentlich jeden Journalisten aus den Socken hauen müsste. „Im Zusammenhang des Kontextes“… vielleicht sollte man mal nachforschen, wie Merkel zu ihrem Abschluss gekommen ist.

Harry W
5 Jahre her
Antworten an  RalledieQ

Die Dr. Titel wurden von der Stasi an eine bestimmte Klientel vergeben um sie so erpressbar zu machen . Fragen Sie mal Vera Lengsfeld , die kennt sich aus .
Wie kann so eine ** wie Merkel ansonsten zu einem Dr. Titel kommen ?

benali
5 Jahre her

„… Plan … von dem Frau Merkel bei Anne Will weiland sagte, dass sie einen habe, warum hat sie das nicht von Anfang an offen ausgesprochen und dafür in einer demokratischen Debatte öffentlich geworben?

Antwort: Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen…

So war das in der DDR, und so ist es jetzt in der DDR 2.0: die Wahrheit ist das, was die Mächtigen als solche proklamieren. Friss Pöbel, oder stirb…

Schoenwetterschreiberling
5 Jahre her

Frau Merkels Interesse lag schon immer darin, keinen Fehler zuzugeben, weder kleine noch große.
Ihre Ansätze waren „alternativlos“, von der „normativen Kraft des Faktischen“ aufoktroyiert.
Fehler zuzugeben würde Angriffsfläche bieten, würde ihren Gegnern einen erzwungenen Rücktritt ermöglichen. Deshalb wird, wenn es sein muss, „aus Unrecht Recht“ gemacht:
Bestenfalls national (Energiewende), meist auf EU-Ebene (Griechenlandrettung), falls nötig auch international (Migrationspakt).

Man kann über Frau Merkel schimpfen, soviel man will, kann über ihre einfache Sprache kalauern, ihr Stochern im Nebel der Meinungsumfragen belächeln, doch ihren Machiavelli hatte sie gelesen.

UtaBuhr
5 Jahre her

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Merkel „Der Fürst“ von Niccolò Machiavelli gelesen hat. Das Werk ist nämlich nicht leicht zu lesen und zu verstehen. Und für besonders hell auf der Platte halte ich Angela nun wirklich nicht. Sie ist einfach von Haus aus machtgeil, und diese Eigenschaft zu perfektionieren bekam sie genügend Gelegenheit während ihrer Tätigkeit als für Agitation und Propaganda, kurz Agitprop, Zuständige im Dienst des MfS. Zu diesem mit Leidenschaft ausgeübten Job gehörte auch auch die Bewachung des Regimekritikers Robert Havemann. Ein veritables Glanzlicht ihrer Karriere! Und so eine Person ist seit 13 Jahren Regierungschefin dieses Landes.… Mehr

Eugen Karl
5 Jahre her

Also neulich hat uns hier noch Herr Spahn in vier langen Artikeln versichert, daß der Migrationspakt ein Ergebnis des Migrationskonzeptes der UN sei, das maßgeblich von dem Iren Sutherland betrieben wurde und dessen Uridee lange zurückliegt. Nun soll es ein kurzfristiger Einfall der Kanzlerin sein. Das sollte man einmal passend machen, denn ohne Vermittlung widersprechen sich beide Thesen. Möglicherweise ist die Kanzlerin hier nur auf einen längst mit Hochgeschwindigkeit fahrenden Zug aufgesprungen?

Eugen Karl
5 Jahre her
Antworten an  Redaktion

„…tritt Schlag auf Schlag und immer klarer zu Tage, dass der UN-Migrationspakt eine Initiative der Kanzlerin, der Bundesregierung ist.“ Eine Initiative nicht mehr der UNO, nicht mehr Sutherlands, sondern nun der Kanzlerin? „Kurzfristig“ mag von mir über/untertrieben sein; fest steht, daß Spahn von einem eher langfristigen Projekt in Endphase schrieb, einem „Migrationskonzept der UN“, hier dagegen ist es eine Initiative der Kanzlerin. Diese Initiative ist vielleicht ein paar Jahre alt (Illegalität in Legalität umwandeln!), sicher aber im Verhältnis zu der UNO/Sutherland-These weniger langfristig, um es vorsichtig auszudrücken. Egal, der Widerspruch läßt sich jedenfalls nur beseitigen, wenn man annimmt, Merkel sei… Mehr

Gabriele Kremmel
5 Jahre her
Antworten an  Eugen Karl

Merkel ist doch inzwischen bekannt dafür, dass sie auf allerlei fahrende Züge aufspringt und sie für ihre Interessen kapert, eben weil sie keine eigenen Ideen hat und ihr Fähnchen stets nach dem Wind richtet.

Gabriele Kremmel
5 Jahre her

Mit Verlaub – die Frau ist dumm wie Bhnnstrh. Das sage ich ganz bewusst. Ihr Motto scheint zu lauten: Ist meine Strategie nicht konkurrenzfähig, dann schalten wir die Konkurrenz eben gleich. Alle Staaten werden jetzt Hippiestaaten! Der Migrationspakt ist Merkels zweiter Versuch, Migranten auf andere Staaten zu verteilen (und sie gleich in andere Länder zu locken). Jetzt heißt es statt verteilen eben „steuern, ordnen, regeln“. Immerhin hat sie erkannt, dass Migranten von sich aus gar nicht in andere Länder als in die mit den besten Bleibe- und Versorgungsperspektiven wollen. Wie immer, denkt Merkel jedoch von ihrem visionären Wunschende her, denkt… Mehr

Kassandra
5 Jahre her

Mich erinnert das fatal an:
…und morgen die ganze Welt…

WojtekThomalla
5 Jahre her

Deshalb kann man durchaus sagen, dass der eingeschlagene Prozess nicht mehr änderbar ist. Auch nach Merkel. Ein zersetzender Prozess.