Wochenschlussrally trotz Konjunkturängsten, Milliardenübernahmen

Die Bundesregierung und Wirtschaftsinstitute rechnen in diesem Jahr aufgrund der diversen Handelskonflikte und der Brexit-Angst mit dem geringsten Wachstum der deutschen Wirtschaft seit 2013.

JOHANNES EISELE/AFP/Getty Images

Fortschritte in den US-chinesischen Handelsgesprächen haben den Deutschen Aktienindex DAX am Freitag angetrieben. Der deutsche Leitindex schnellte um 1,9 Prozent auf 11.300 Punkte in die Höhe. Auf Wochensicht ergibt sich ein Gewinn von 3,6 Prozent – das größte Plus seit März 2018. Der MDAX, Index der mittelgroßen deutschen Unternehmen, stieg am Freitag um 1,7 Prozent auf 24.324 Punkte.

Zunächst hatte US-Finanzminister Steven Mnuchin getwittert, er sehe nach der jüngsten Verhandlungsrunde in Peking zumindest Fortschritte. Wenig später verwiesen Händler auf Medienberichte aus China, denen zufolge sich die USA und China offenbar in vielen Punkten des Zollstreits einig seien. Der Dow Jones Industrial ging deshalb mit einem Aufschlag von 1,7 Prozent auf 25.883 Punkte aus dem Tag. Damit konnte die Wall-Street erneut schwungvoll an ihrem Ende des vergangenen Jahres gestarteten Aufwärtstrend anknüpfen. Der Dow Jones nimmt wieder Kurs auf die 26.000-Punkte-Marke. Diese hatte er zuletzt im November geknackt.

Im Wochenverlauf stand für den Dow damit ein Plus von 3,1 Prozent zu Buche. Seit seinem Tief bei 21.713 Punkten am 26. Dezember hat er nun etwas mehr als 19 Prozent gut gemacht.

Der marktbreite S&P 500 stieg am Freitag um 1,1 Prozent auf 2.776 Punkte. Der technologielastige NASDAQ 100 rückte zugleich um 0,5 Prozent auf 7.055 Punkte vor.

Konjunkturseitig hellte sich zudem im Februar die Stimmung in der Industrie im US-Bundesstaat New York überraschend stark auf. Das wichtige, von der Universität Michigan ermittelte Verbrauchervertrauen, entwickelte sich zugleich ebenfalls stärker als erwartet. Ein robustes Konsumwachstum stehe damit mittelfristig nicht in Frage, kommentierte Analyst Patrick Boldt von der Helaba.

Unter den Einzelwerten im Dow legten die Aktien der Banken JPMorgan und Goldman Sachs an der Index-Spitze ohne besondere Nachrichten um jeweils 3,1 Prozent zu und setzten damit ihre Erholung fort. Apple Aktien indes büßten als zweitschwächster Dow-Wert 0,2 Prozent ein. Sie litten darunter, dass sich der Anteil am iPhone-Konzern der Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway von Börsenguru Warren Buffett, im vergangenen Quartal verringert hat. Schlusslicht war Coca-Cola mit minus 0,8 Prozent, die weiter unter dem am Vortag gegebenen schwachen Ausblick litten.

An der Nasdaq brachen die Anteile von Mattel um etwas mehr als 18 Prozent ein und büßten so heftig an Wert ein wie seit rund 20 Jahren nicht mehr. Nach dem positiv aufgenommenen Quartalsbericht in der vergangenen Woche verschreckte der Spielzeug-Gigant die Investoren nun mit einem negativen Ausblick auf das operative Ergebnis.

Die Papiere von NVIDIA gewannen nach etwas besser als befürchteten Quartalszahlen des Grafikkarten-Spezialisten, 1,8 Prozent. Die Aktien des Chipherstellers Applied Materials indes litten unter einem schwachen Geschäftsbericht und verloren knapp vier Prozent.

In Frankfurt stand unter anderem die Allianz mit Geschäftszahlen im Blick. Europas größter Versicherer fasst nach einem Gewinnplus im abgelaufenen Jahr für 2019 keine nennenswerten Zuwächse ins Auge. Ein Händler sagte, die 2018er-Zahlen hätten die Erwartungen übertroffen, der Ausblick liege aber darunter. Die Ankündigung eines neuen Aktienrückkaufprogramms überrasche nicht. Nach einem zunächst etwas schwächeren Start arbeitete sich der Allianz-Kurs kontinuierlich vor, so dass die Papiere am Ende gut drei Prozent mehr wert waren als am Vortag.

In dem wieder deutlich aufgehellten Umfeld waren auch andere Finanzwerte gefragt. So zogen die Anteilscheine der Deutschen Bank um fast fünf Prozent an. Im MDax zählte die Commerzbank mit einem Plus von 5,5 Prozent zu den größten Gewinnern. Börsianer verwiesen zudem auf Aussagen des EZB-Direktoriumsmitgliedes Benoit Coeure, wonach die Europäische Zentralbank Banken erneut mit längerfristigen Krediten versorgen könnte. Hintergrund ist die erwartete Abkühlung der europäischen Konjunktur.

Aktien aus dem Automobilsektor erholten sich im Zuge der positiven Entwicklung an der amerikanisch-chinesischen Handelsfront von ihren frühen Verlusten. Im Dax verbuchten Continental, BMW und Daimler ordentliche Gewinne.

Mehrere US-Finanzinvestoren haben milliardenschwere Übernahmepläne beim Lichttechnikkonzern Osram und beim Online-Kleinanzeigenportal Scout24 offengelegt und damit die Aktienkurse zweistellig in die Höhe getrieben. Am Freitag teilten Blackstone sowie Hellmann & Friedmann mit, dass sie über ein gemeinsames Investmentvehikel bei Scout24 einsteigen wollen. Sie bieten demnach 46 Euro je Aktie und so einen Aufschlag von 24,4 Prozent auf den Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate. Damit wird Scout24 mit 5,7 Milliarden Euro bewertet. Scout24 begrüßte das Angebot, die Aktie legte am Freitag um fast 13 Prozent auf 46,6 Euro zu. Bereits am Mittwoch hatten die Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle entsprechende Pläne für Osram offengelegt. Demnach wollen sie bis zu 100 Prozent der Anteile übernehmen. Ob es zu einem Einstieg komme, sei aber noch offen. Die Osram-Aktie stieg nach der Meldung um 15 Prozent auf ein Zweimonatshoch bei 40,20 Euro und lag am Freitag bei 40,70 Euro. Am Dienstag findet in München die Hauptversammlung des zuletzt Verluste schreibenden Lichtkonzerns statt.

Dank eines Nullwachstums in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres ist die deutsche Wirtschaft doch noch knapp an einer technischen Rezession vorbeigeschrammt, die Ökonomen nach zwei Minusquartalen in Folge ausrufen. Zuletzt war das unbeliebte R-Wort zum Jahreswechsel 2012 und 2013 in Umlauf gewesen. Die Bundesregierung und Wirtschaftsinstitute rechnen in diesem Jahr aufgrund der diversen Handelskonflikte und der Brexit-Angst mit dem geringsten Wachstum der deutschen Wirtschaft seit 2013.

Die Stimmung unter den Großinvestoren verdüstert sich zusehends. Das ist das Ergebnis der Umfrage der US-Investmentbank Bank of America Merrill Lynch (BofA) unter 218 Fondsmanagern, die insgesamt ein Vermögen von 625 Milliarden US-Dollar verwalten. „Trotz der jüngsten Kurserholung bleibt die Stimmung der Investoren pessimistisch“, erklärt Michael Hartnett, Chefanlagestratege der BofA. Zwei Drittel der Befragten erwarten demnach eine längere Phase mit keinem oder nur schwachem Wirtschaftswachstum. Als bedeutendste Risiken für die Weltkonjunktur nannten die Fondsmanager erneut einen drohenden Handelskonflikt, die defensivere Geldpolitik der Notenbanken und einen Wirtschaftsabschwung in China. Ergebnis: Die Zahl der Profis, die Aktien in ihrem Portfolio gegenüber der Benchmark übergewichten, ist um zwölf Prozentpunkte auf nur noch sechs Prozent gesunken. Dagegen ist Cash als Parkoption wieder sehr gefragt. Innerhalb des Aktiensegments sind vor allem Schwellenländertitel sehr beliebt, während US-Aktien und insbesondere die Titel von Facebook, Alphabet, Amazon und Netflix an Popularität eingebüßt haben.

Der Aktienmarkt in Nigeria hält einen Rekord, der wenig Grund zur Freude macht. Seit dem Amtsantritt von Präsident Muhammadu Buhari im Mai 2015 hat sich kein anderer wichtiger Aktienindex der Welt mit einem Verlust von knapp 50 Prozent schlechter entwickelt. Die Präsidenschaftswahlen am Samstag in der zweitgrößten Volkswirtschaft des Schwarzen Erdteils, so die Hoffnungen vieler Investoren, könnten eine Wende bringen. Denn nicht nur die Analysten der Citigroup gehen davon aus, dass die Titel an der Börse in Lagos eine Rally starten, sollte statt dem Amtsinhaber der Herausforderer Atiku Abubukar die meisten Stimmern auf sich vereinen. Grund: „Atiku Abubukar verkündete im Vorfeld seine unternehmerfreundlichen Absichten, den Wechselkurs zu liberalisieren und die nationale Ölgesellschaft zu privatisieren“, so Peter Eerdmans, Währungs- und Schwellenländerexperte bei der Investmentgesellschaft Investec AM. Doch Eerdmans hat auch Bedenken, ob es dem Geschäftsmann Abubukar allein gelingt, das Ruder herumzureißen.„Jeder Kandidat wird sich mit den wirtschaftlichen und politischen Realitäten auseinandersetzen müssen, die mit der Präsidentschaft über Nigeria verbunden sind.“ Und die wenig erfreulichen Realitäten sind unter anderem eine überbordende Korruption und große soziale wie religiöse Spannungen im Land.


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Kommentare ( 2 )

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Oberbayer
5 Jahre her

Erinnert mich an die „goldenen“ 1920er. Der berühmte Tanz auf dem heissen Vulkan. Das Coming-Down wird scharf, schnell und extrem schmerzhaft sein, aber auch erhellend. Hoffe ich mal

Joachim
5 Jahre her

Worein investieren, wenn man, bei 0-Zins, sein Geld nicht wertlos werden lassen will über die Jahre, was man sich mühsam erarbeitet hat? DAX und Co waren eigentlich immer eine sicher Bank. Natürlich wurde man kein Millionär damit, aber ca. 7% Rendite gab es langfristig gesehen immer. Aber nun herrscht ehemals-schwarz mit röter werdend, mit einer rot-grünen Kanzlerin (des Herzens), die alles daran setzt, Deutschland vor die Wand zu fahren. Tja, ich muss (leider) doch weitestgehend in inländische Werte investieren. Firmen die ich komplett nicht kenne, davon kann ich nichts kaufen. Der DOW scheint mir zu aufgeblasen. Zudem geben viele US-Firmen… Mehr