Unter den Analysten hohe Unsicherheit

Die globale Schuldenlast ist in 10 Jahren um 50 % auf den Rekord von 182 Billionen Dollar gestiegen. Wg. Handelskonflikt China-USA senkten die IWF-Ökonomen ihre Prognose für die Weltwirtschaft leicht auf 3,7 %, für Deutschland auf 1,9 % Wachstum 2018 und 2019 statt wie im April 2,5 %.

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Der Oktober ist ein berüchtigter Börsenmonat. Der Crash am 24. Oktober 1929, dem „Schwarzen Donnerstag“, löste die damalige Weltwirtschaftskrise aus. Am 19. Oktober 1987, dem „Schwarzen Montag“, stürzte der US-Index Dow Jones um 22 Prozent ab, der bis heute größte Tagesverlust in der Geschichte der Wall Street. Unvergessen der Oktober 2008, als in der Folge der Lehman-Pleite die Kurse in den Keller gingen. Auch dieser Oktober ruft Börsianern schmerzhaft in Erinnerung, dass Kurse plötzlich heftig fallen können, die größten Verluste an der Wall Street seit Langem stehen zu Buche. Das fundamentale Umfeld ist tückisch: Die US-Konjunktur brummt zwar, doch machen die steigenden US-Zinsen Staatsanleihen tendenziell attraktiver — und Aktien als riskantere Anlagen unbeliebter. Vor allem bei den hoch bewerteten und riskanten Techwerten nahmen Investoren deshalb in den vergangenen Tagen Gewinne mit. Anleger zogen sich aus Europa zurück, weil die Themen Brexit und Italien beunruhigen. Auch der Einbruch im DAX ging auf dieses Konto. Der Ausblick: Hohe Gewinnausweise in der soeben angelaufenen US-Berichtssaison sollten beruhigen. Kommende Woche geht es dann auch im DAX vor allem um Zahlen.

Zum Auftakt der US-Berichtssaison am Freitag haben sich die Kurse im New Yorker nach dem jüngsten Ausverkauf etwas erholt. Der Dow Jones Industrial gewann 1,15 Prozent auf 25.340 Punkte. Wegen der sehr hohen Abschläge am Mittwoch und Donnerstag verbuchte der US-Leitindex dennoch mit minus 4,2 Prozent den höchsten Wochenverlust seit März.

Der marktbreite S&P 500 rückte um 1,42 Prozent auf 2.767 Punkte vor. Noch besser präsentierte sich der Technologie-Index NASDAQ 100 mit plus 2,77 Prozent auf 7.157 Zähler. Techwerte waren in dieser Woche aber auch besonders unter die Räder gekommen. Zum Wochenausklang verbuchten die sogenannten FAANG-Aktien – Facebook, Apple, Amazon, Netflix und die Google-Mutter Alphabet (Alphabet C (ex Google)) – größtenteils sehr hohe Kursgewinne.

Mit JPMorgan, Citigroup und Wells Fargo setzten drei US-Großbanken mit ihren Quartalszahlen positive Akzente und sorgten damit für einen ordentlichen Start in die Berichtssaison und zugleich für Erleichterung unter den Marktteilnehmern, deren Nerven in dieser Woche arg strapaziert wurden. Banken profitieren von höheren Zinsen. Sie machen das Geldverleihen einträglicher. Deshalb sowie dank niedrigerer Steuern und der boomenden US-Wirtschaft hatten im Sommer die drei Kredithäuser glänzend verdient. Analysten würdigten zudem die gesunkenen Kosten für faule Kredite.

Die Aktien von JPMorgan wechselten allerdings zunächst munter die Vorzeichen und entschieden sich dann für das Minus. Am Ende des Tages waren sie mit einem Kursverlust von 1,09 Prozent das Dow-Schlusslicht. Die größte US-Bank hatte ihren Nettogewinn im dritten Quartal um rund ein Viertel zum Vorjahr gesteigert und damit die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten übertroffen. Expertenkommentare nach den Zahlen fielen überwiegend erfreulich aus. Richard Ramsden von Goldman Sachs hob in einer ersten Reaktion das gut laufende Kreditgeschäft hervor. Für die Citigroup-Papiere ging es im S&P 500 um 2,14 Prozent hoch. Die Anteilscheine von Wells Fargo gewannen 1,30 Prozent.

Ein Börsendebüt fast wie aus dem Bilderbuch legten die Papiere des Cloud-Spezialisten Anaplan hin. Sie eröffneten bei 24,25 US-Dollar je Aktie. Der Ausgabepreis hatte bei 17 Dollar gelegen. Der Schlusskurs lag bei 24 Dollar.

Eine Durchsicht der Analystenkommentare in internationalen Leitmedien zeigt, dass die Finanzexperten versuchen, sich ein Bild vom weiteren Verlauf der Wirtschaft zwischen Brexit- und Italien-Sorgen, internationalen Handelskonflikten, Dieselproblemen und anhaltender Spendierlaune der Konsumenten in vielen Ländern zu machen. „Typisch für die Unsicherheit ist das außerordentlich hohe Maß an positivem Sentiment für Konsum- und Gesundheitswerte. Bei beiden Branchen hat sich das Sentiment zweistellig im Vergleich zum Vorjahresmonat verbessert“, so Matthias Vollbracht, Leiter Unternehmensresearch bei Media Tenor International. Die Einschätzungen zu Öl und Gas sind ebenfalls noch positiver geworden. „Optimistisch sind die Analysten weiter grundsätzlich für Technologietitel und neue Medien wie Netflix“, so Vollbracht. Erkennbare Sorgen machen dem Analysten Finanzdienstleister, die sich mit technologischem Wandel, Margendruck und volatilen Börsentrends herumschlagen. Auch für den Rohstoffsektor werden die Risiken betont. „Das Meinungsklima zur Autobranche hat sich gegenüber dem Vorjahresmonat nochmals verschlechtert, von Vertrauensgewinn kann noch keine Rede sein“, so Vollbracht. Insgesamt wurden knapp 2.000 Aussagen von Analysten zu Aktien und Branchen in den vergangenen zwölf Monaten ausgewertet.

Wenig zu einer Aufhellung der Laune von Investoren beigetragen haben auch die Aussagen des Internationalen Währungsfonds (IWF). So schlägt der IWF Alarm in Sachen Stabilität des Finanzsystems. „Kurzfristige Risiken haben sich vergrößert und mittelfristige Risiken bleiben erhöht“, warnte Tobias Adrian, Direktor für Geld- und Kapitalmärkte beim IWF, vergangene Woche. Ein Grund: Die globale Schuldenlast ist innerhalb von zehn Jahren weltweit um 50 Prozent auf den Rekordwert von 182 Billionen Dollar gestiegen. Zudem hat der eskalierte Handelskonflikt zwischen China und den USA die IWF-Ökonomen veranlasst, ihre Prognose für die Weltwirtschaft leicht auf 3,7 Prozent zu senken. Für Deutschland werden nur noch 1,9 Prozent Wachstum 2018 und 2019 erwartet. Im April wurde noch mit 2,5 Prozent Plus gerechnet. Aber auch die Bundesregierung hat ihre Erwartungen für das Bruttoinlands-produkt klar nach unten korrigiert. Sie geht nun von 1,8 Prozent Plus für die kommenden beiden Jahre aus.

Nach dem klaren Erstrundenerfolg von Jair Bolsonaro bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien am vergangenen Sonntag setzen Anleger auf eine Regierung des Rechtspopulisten, die mehr Privatisierungen verspricht. Dies treibt den Aktienmarkt in São Paolo und den brasilianischen Real. Die Währungsgewinne verteuern aber Brasiliens Kaffee deutlich — ein globaler Exportschlager des Landes. Daher sind die Weltmarktnotierungen seit Bolsonaros Sieg kräftig gestiegen. Der Ausgang der Stichwahl am 28. Oktober dürfte somit auch viele Liebhaber des heißen Getränks nicht ganz kaltlassen.​


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Kommentare ( 2 )

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Absalon von Lund
5 Jahre her

Wachstum ist doch immer relativ, aber die Schulden sind absolut. Schulden müssen aber mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden. Die wachsen exponentiell. Das Wachstum ist leider nur linear, wenn es keine neuen Ideen und Produkte gibt, die zu einer exponentiellen Nachfrage führen, welche die Schuldenlast übersteigt. Das ist aber im Momet nicht der Fall. Deshalb prophezeit „Mr. DAX“ Dirk Müller die schwerste Wirtschaftskrise, die es je gab. Recht hat er, weil die Gesetze der Welt nicht durch Gesetzlose ausgehebelt werden können. Aber dann haben die Protagonisten der Wirtschaft ja Zeit, sich einmal damit zu beschäftigen, wie unsere Welt funktioniert. Ich… Mehr

Bill
5 Jahre her

Bitte nicht vergessen, dass mit den Schulden auch die Guthaben gewachsen sind.