VW: Warum Piëch nicht mehr an Winterkorn glaubt

Sieht aus wie ein Spielzeug, aber ist ein mörderisches Konzept: Der "Strati" von Local Motors kommt aus dem 3D-Drucker. Neue Technologien setzen deutsche Autokonzerne unter Druck

 Wer ist dieser Ferdinand Piëch?

Er ist der Enkel des genialen Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche. Der Vater stirbt, als er 15 Jahre alt ist. Die von ihm geliebte und verehrte Mutter Louise hat nach dem frühen Tod ihres Mannes Anton als Chefin der Porsche Holding Salzburg, Generalimporteur für VW und Porsche in Österreich, kaum Zeit, sich um ihre vier Kinder zu kümmern. Sie schickt ihren zweitältesten Sohn Ferdinand auf das Lyceum Alpinum in der Schweiz. Piëch beschreibt die Einrichtung als „typisches Abhärtungsinternat, elitär, schlicht und streng“. Hier habe er die Erkenntnis gewonnen, dass vieles „nur im Alleingang möglich ist“. Piëch bleibt ein Alleingänger. Verschlossen, misstrauisch, umgeben von wenigen, ihm zu tiefst ergebenen Managern – aber auch diese Nähe bleibt nur eine auf Zeit. Wer seinen Ansprüchen nicht mehr genügt – fliegt. Erbarmungslos. Es hat ganze Manager-Generationen mittlerweile getroffen. Persönlich nimmt er das nicht. Geld ersetzt Gefühle. Menschen sind für ihn Funktionen. Das zeigt sich wie in einem Programmkino bei seiner Geburtstagsfeier vor drei Jahren in Dresden. In die „schönste Stadt Deutschlands“ (Piëch) luden Piëch und seine Frau Ursel damals rund 200 Personen ins Fünf-Sterne-Hotel Taschenbergpalais ein, die Konzernvorstände mit ihren Partnern, Linde-Chef Wolfgang Reitzle, den früheren ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz und das damalige Bundespräsidenten-Paar Christian und Bettina Wulff. Unter den geladenen Gästen viele Männer, die er gefördert, befördert und gefeuert hat. War was?




Auf ihren Zimmern fanden die Gäste eine Hörbuchfassung von Karl Mays Westernroman „Unter Geiern“ vor. Die Festrede – die sich das Geburtstagskind eigentlich verbeten hatte – hielt der Kabarettist Django Asül. Motto der Veranstaltung, geborgt bei dem Schriftsteller Ödön von Horváth: „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“

Piëch kommt eben selten dazu, menschlich zu sein; zu hart ist das Leben des Multimilliardärs unter Geiern.

Schon als Junge hat er das brutale Geschäft gelernt. Er versteckte sich unter dem Tisch der Häuser im österreichischen Gmund oder in Zell am See, wenn die Männer des Porsche-Clans und ihre Besucher den Weg in die Zukunft verhandelten. Immerhin hatte Ferdinand Porsche für die Nazis den KdF-Wagen entwickelt (Kraft durch Freude) und die damals größte Automobilfabrik der Welt in Wolfsburg entworfen – jetzt sollte der Käfer im Wirtschaftswunder erst richtig das Laufen lernen. In Gmund in Kärnten entsteht der erste Porsche 356 in einem Bauernstadel – auf VW-Basis. Die Familie sichert sich aber nicht nur den Sportwagenbauern, sondern auch die Vertriebsrechte für Österreich und Ungarn. Nach dem Fall der Mauer sollte dies eine wahre Goldgrube werden.

Seine erste große Bewährung heißt AUDI. Unter seiner Ägide verwandelte sich die Marke vom Kennzeichen für Spießer zum sportlichen, technisch führenden und in der Qualität ausgezeichneten Herausforderer für Mercedes und BMW. Legendär ist der Audi Quattro, das erste Großserienfahrzeug mit 4-Rad-Antrieb. Im Fernsehspot fährt es die Olympia-Skisprungschanze am Berg Isel bei Innsbruck hinaus – allerdings heimlich von einem Seil gezogen. Aber die Verbindung von Auto, Technik und Image ist geglückt.

Die Rettung von VW

Seine zweite Riesenherausforderung bewältigt er in den 90ern. Der VW-Konzern ist technisch am Ende und finanziell steuert er auf die Pleite zu. Piëch übernimmt den Vorsitz und bringt mit dem Audi-Baukasten aus Ingolstadt die Fahrzeuge technisch auf Vordermann. Auch hier hat er wichtige Männer an seiner Seite: Peter Hartz, den Personalvorstand, der von der IG Metall kommt und mit der SPD bestens vernetzt ist. Peter Hartz überredet die Betriebsräte dazu, dass VW die 24 Stunden-Woche einführt – und die Gehälter entsprechend gekürzt werden. Das sichert VW das Überleben – den Personalabbau, der immer mit Abfindungen verbunden ist, wäre wirtschaftlich nicht mehr finanzierbar gewesen. Seither gilt Piëch in Wolfsburg als Supermann, hat beste Kontakte zu SPD und Gewerkschaften. Peter Hartz ebenfalls – er entwickelt für Bundeskanzler Gerhard Schröder die Hartz-Reformen. Irgendwann wird bekannt, dass die Zustimmung der Betriebsräte gelegentlich auch mit vom Konzern finanzierten Damen des zwielichtigen Gewerbes erkauft wurde. Hartz verschwindet, Piëch aber steigt ans Licht. Tatsächlich ist die Rettung von VW ein strategisches Meisterstück.

Lovestory schreibt Wirtschaftsgeschichte

Aber die größte Wende in Piëchs Leben ist Ursula. Es ist ein Love-Story epischen Ausmasses, die jetzt anfängt, Industriegeschichte zu werden. Nach den Plänen von Ferdinand Piëch soll seine Frau im Stiftungsrat, der das Familienvermögen verwaltet, nach seinem Tod eine Schlüsselrolle spielen. Aufsichtsrätin bei VW ist sie bereits. Wird sie auch seine Nachfolgerin als Vorsitzende?  Sie bekäme dann enormen Einfluss auf die Geschicke von Europas größtem Autokonzern. Nach einer erbitterten Übernahme-Schlacht mit wechselnden Fronten bei Porsche, ist Piëch nach dem Land Niedersachsen größter Aktionär mit 12,5 %, die er in Stiftungen geparkt hat – das Machtvehikel für Ursula.




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