Medien: Wie Erich Honecker doch noch gegen Helmut Kohl gewinnt

"Polizisten und Pegida-Gegner: Rangeleien in Frankfurt.", schreibt Spiegel-Online zu diesem dpa-Bild, das wir aus Dokumentationszwecken verwenden. Wann wird eine Schlägerei zur Rangelei verharmlost?

Und jetzt kommt noch die Deutsche Wirtschaft  daher

Der Arbeitskreis Corporate Compliance der deutschen Wirtschaft hat den „Kodex für die Medienarbeit von Unternehmen“ verabschiedet, um die verdeckte Einflussnahme werbender Unternehmen auf die redaktionelle Berichterstattung zu stoppen. „Unternehmen können heute in einem Ausmaß redaktionelle Berichterstattung kaufen, wie das früher völlig undenkbar war. Und sie machen davon Gebrauch“, sagte Jürgen Gramke, Vorsitzender des Arbeitskreises, dem manager magazin (Ausgabe 3/2015). Das Manager Magazin hat diesen Vorfall veröffentlicht; dafür gebührt den Kollegen Respekt. Dahinter steckt der Versuch, fair und offen zu berichten, auch wenn es weh tut.

Dem Arbeitskreis Corporate Compliance gehören die Compliance-Verantwortlichen unter anderem zahlreicher Dax-Konzerne an: Allianz, BASF, Deutsche Bank, Deutsche Börse, Lufthansa, Deutsche Post, Deutsche Telekom, Eon, MunichRe, RWE und Volkswagen. Der Kodex hat das Ziel, die Trennung zwischen Werbung und unabhängiger journalistischer Berichterstattung wieder einzuführen. Die dafür eigentlich einschlägigen Landespressegesetze sowie der Pressekodex, die sich ausschließlich an Medienunternehmen richten, sind inzwischen allerdings weitgehend wirkungslos. Es ist für die Zunft extrem blamabel, wenn sich jetzt von außen die oft kritisierte Wirtschaft bemüht, den Journalisten wieder auf den rechten Weg zu helfen. Aber längst hat in den Konzernen ein Umdenken stattgefunden; nicht freiwillig, vom Gesetzgeber und der Öffentlichkeit erzwungen: Bestechung, Schiebereien, Manipulationen und Wettbewerbsverstöße sind kein Kavaliersdelikt mehr, sondern Straftatbestände.

Journalistenkollegen dagegen leben noch im Zustand der 80er-Jahre; zudem hat sich bei vielen die Einstellung verbreitet, die in den Unternehmen seien alles Schufte und nur Medien kämpften ganz allein für Gerechtigkeit und Anstand, vielleicht noch mit Greenpeace und BUND an ihrer Seite. Das ist ein seltsames Sendungsbewusstsein von Journalisten, das jetzt einen Gegenangriff erlebt von der Seite, die ständig angeklagt wird. Jetzt wird man selbst angeklagt. Und als Angeklagter steht man nicht mehr so gut da. Die beantspruchte Sondermoral steht auf dem Prüfstand. Es hat ja was absurdes, dass die Süddeutsche sich als Stalinorgel des Finanzamts im Krieg gegen Steuerhinterzieher in der Festung Schweiz aufspielt und zusätzlich Steuerspartricks verbreitet. Und den Fall taz kann man sich gar nicht ausdenken, so schreiend komisch ist das: Die feiern jahrelang jeden Whistleblower als Revolutionshelden und rennen winselnd zur Polizei, wenn sie selbst mal verpfiffen werden.

In diese Kerbe haut jetzt der Kodex der Wirtschaft

So ein Kodex hat schon einen verpflichtenden und normativen Charakter. Erhalt auch eine Selbstschutzfunktion: Medien verdienen bewußt an neuen Formen wie Awards, Preisverleihungen, fragwürdigen Kongressen. Jetzt wehrt sich die Industrie dagegen, für fragwürdige Pfadfinderkongresse finanziell herhalten zu müssen oder dagegen, dass sie geradezu erpresst werden, für angebliche globale Mediendienste in riesigem Umfang Sponsorship betreiben zu müssen – obwohl diese Dienst nicht geöffnet werden. Man sollte die Wirkung eines Kodex’ nicht unterschätzen. An diesem Papier saßen immerhin viele Verantwortliche. Und man macht sich in der Branche durchaus angreifbar, wenn man solche Richtlinien missachtet und damit auffällt. So ein Kodex hat schon einen verpflichtenden und normativen Charakter.

Man sollte eben nicht aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen, schreibt Bernd Ziesemer dazu. Recht hat er, wenn er verlangt, dass die Trennung zwischen Redaktion und Anzeigen wieder von den Medien selbst in Angriff genommen werden muss.

Aber davon bleibt das andere Thema unberührt: Das der Schere im Kopf. Der einseitigen Berichterstattung und manipulativen Verkürzung, das die Glaubwürdigkeit  zerstört. Wo endet die Wahrheit, wo beginnt die Manipulation? Was nicht paßt, wird passend gemacht, eine Schweigespirale beginnt sich zu drehen und das Unpassende zu verdrängen.

Aber wie gesagt: Auch das haben die Menschen längst gemerkt – nur viele Kollegen noch nicht. Sie bewegen sich nicht aus ihrem „Gesinnungskiez“ heraus, wie es Michael Mirsch formuliert. Sie leben in einem Paralleluniversum, das wenig mit dem von den Medien beschriebenen zu tun hat: „Die mediale Verzerrung der Realität hat nichts mit einer Verschwörung der „Lügenpresse“ zu tun, wie die Demonstranten von Dresden glauben. Sondern ganz einfach mit geistiger Bequemlichkeit. Das in den Medien überproportianl gezeichnete Milieu lebt so wie die meisten Journalisten.“  So feiern die Magazin den Veganismus – während nur weit unter ein Prozent vegan leben. „Der falsche Eindruck entsteht, weil Journalisten PETA und Co. als Agendasetter akzeptieren“. (Liberal2.2015/S. 41) Die eigene Wirklichkeit wird zur medialen.

Und so lassen Sie immer noch Erich Honecker einen hervorragenden zweiten Platz belegen.

(Die zitierten Beiträge von mir in Meedia und im Bayernkurier finden sich auch in der Mediathek auf dieser Site)




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