Hilfloser Streik

Die Streikenden treffen auf Verständnis, weil viele Bestreikte in einer ähnlich desolaten Lage sind: Am Monatsende wird’s eng in der Familienkasse. Wir haben einen Wirtschaftsaufschwung hinter uns, von dem aber bei den Beschäftigten wenig ankommt: Rabiat wie nie zuvor haben die Regierenden in ihrer Torheit Steuern und Abgaben erhöht und damit die verfügbaren Einkommen geschmälert. Aber weil es sich gegen die Regierung nur schwer streiken lässt, versuchen die Gewerkschaften, das Geld, das ihnen die Regierung Merkel aus der Tasche zieht, bei den Arbeitgebern zurückzuholen.

Hohe Lohnsteigerungen belasten daher nicht nur den öffentlichen Dienst, sondern auch die großen Wirtschaftszweige — mit absehbarer Konsequenz: Jetzt droht die Gefahr, dass der Aufschwung, der ohnehin belastet ist durch die Krise der Finanzmärkte, endgültig kaputtgestreikt wird. Alle wirtschaftlichen Daten weisen abwärts. Und längst ist aus dem sich anbahnenden wirtschaftlichen Abschwung eine staatspolitische Krise geworden. Es ist nicht allein die charakterliche Unzulänglichkeit von Andrea Ypsilanti oder Kurt Beck, die jetzt die Totengräber von Freiheit und Wohlstand zur herrschenden politischen Kraft in Wiesbaden und indirekt Berlin macht – es ist auch die Enttäuschung der Bürger über die Wirtschaftspolitik der Regierung Merkel.

Auch an deren Anfang standen ein Wortbruch und eine groteske Fehlentscheidung, die zu einer um drei Punkte höheren Mehrwertsteuer führte und vor der alle Wirtschaftswissenschaftler gewarnt hatten. Ihre Einwände wurden ignoriert und richtig ist: Zunächst hatten sie unrecht. Der Boom der Weltwirtschaft und das Vorziehen der Konsumentscheidungen haben den Einbruch der privaten Nachfrage in Deutschland zunächst überdeckt. Aber jetzt schwächelt der Export, und für neue Autos, Möbel oder gar neue Wohnungen und Häuser fehlt den Leuten sowohl das Geld als auch das Vertrauen in die Zukunft. Ohne die Abgabenerhöhung hätte der Aufschwung vom Export auf die Binnennachfrage übergreifen können, er wäre noch kräftiger ausgefallen, hätte länger getragen und über automatische Mehreinnahmen des Staates die Haushalte saniert. Aber weil falsch entschieden wurde, müssen wir jetzt die Zeche zahlen.

Verflogen sind damit Zuversicht und wirtschaftlicher Optimismus, die nach Abwahl der rot-grünen Chaos-Regierung eingekehrt waren und wie ein Konjunkturprogramm wirkten. Deutschland ist vom Land des Selbstvertrauens wieder zu einem Land der herabgezogenen Mundwinkel vergraut, in dem wirtschaftliche Malaise und Selbstaufgabe der SPD zugunsten der Linken eine brisante Mischung ergeben.

An dieser Stelle wurde immer wieder eine Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung gefordert, eine Abschaffung des Soli und andere schnell wirksame Steuersenkungen. Es wird Zeit, dass die Bundesregierung den Mut hat, ihre wirtschaftspolitische Torheit zu überwinden und die Zeichen von Konjunktur, Wut und Frustration der Bevölkerung und besonders der Wirtschaft wahrzunehmen. Die Bundeskanzlerin täuscht sich, wenn sie hofft, in der wirtschaftlichen Krise werde quasi automatisch Union gewählt. Die bürgerlichen Wähler haben sich zum politischen Streik entschieden: Sie bleiben am Wahltag zu Hause. Das ist der wahre Grund, warum die Linke so stark geworden ist.

(Erschienen auf Wiwo.de)

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