Griechenland: Viel Geld, um das es gar nicht geht

Der Zug ist abgefahren: neues Milliarden-Hilfsprogramm für Griechenland steht, der Bundestag muss nur wieder mal zustimmen. Zweifelt jemand daran?

Es war mal wieder die Europa-Show, wie wir sie kennen – zu gut kennen, bis zum Abwinken gut kennen: Nachtsitzungen, schwarze Limousinen, vier Wochen Spannung, Schäuble hart, Auftritt der Staatsschauspieler im Dutzend, Pressekonferenzen, Getue in Brüssel, rätseln, ob die neugewählte griechische Regierung der national-sozialistischen Flegel halbwegs zivilisiert Geld vom Rest Europas erpressen oder dem Spender noch eine über die Rübe hauen. Dann ein Kompromiss, alles erleichtert, alles gut? Ungefähr nach zehn Stunden Erleichterung das Gefühl, dass das alles irgendwie nicht stimmt. Deshalb einige Fakten zum Griechen-Drama:




1. Frisches Geld für Griechenland

Das ist das wichtigste: Die Erpressungsstrategie Griechenlands hat sich gelohnt. Das Land erhält schon mal 1,8 Milliarden Euro. Also keine Peanuts. Pro Kopf der griechischen Bevölkerung sind das 175 Euro. Nicht schlecht für den Anfang; und das ohne wesentliche Zusicherung. Die sollen am Montag nachgereicht werden – allerdings als bloße Absichtserklärung, ohne konkrete Zahlen. So hätte man das auch gern – erst Geld, danach erklären, wie man es zurückzahlt. Und erneut ist Deutschland isoliert – die Europäischen Institutionen leben für sich und von den Nationalstaaten, und so erklärt sich, dass die EU den griechischen Vorstellungen so gerne entgegenkommt.

„Ein Fahrplan mit Sparanstrengungen und Reformen für Griechenland ist grundsätzlich positiv – nur weiß bisher niemand, was die Syriza-Regierung unter ‚Sparanstrengungen‘ und ‚Reformen‘ versteht. Wenn dieser Scheck am Montag nicht mit konkreten Plänen unterlegt wird, darf Bundesfinanzminister Schäuble dem Bundestag die Annahme dieses Paktes nicht empfehlen“, schreibt Alexander Graf Lambsdorff von der FDP im Europaparlament – einer der bislang vehementesten Befürworter dieser Art von Politik. Aber vermutlich wird der Bundestag  trotzdem zustimmen – der Zug mit Geld nach Athen ist schon abgefahren. Denn immer wird mit dem Platzen des Euros gedroht und den Folgen. Wer wie Griechenland mit dieser Waffe droht, kann Geld erpressen. Zwar akute Finanznot des Landes  aufrechterhalten: Griechenland kommt um weitere schnelle Reformen nicht herum. Das ist die offizielle Lesart. Die inoffizielle heißt: Im Sommer geht es wieder von vorne los. Frisches Geld oder …. Und genau dieses Oder scheuen Europas Politiker: Das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro. Damit machen sie sich erpressbar und die Erpressung steigert ihr Tempo. 

 

2. Noch mehr frisches Geld für Griechenland

Denn diese 1,8 Milliarden Euro sind ja nur für die Überbrückung des drohenden Staatsbankrotts. Weil Europa jetzt wieder den Geldsack aufmacht, darf auch die Europäische Zentralbank nicht hintanstehen. Bekanntlich sind Griechenlands Banken pleite, weil die Griechen in weiser Voraussicht ihr Geld abheben und verstecken. Also schießt die EZB sogenannte „Liquiditätshilfe“ nach, damit die Griechen ihr Geld auch wirklich abheben und in Sicherheit bringen können. Griechenlands Bürger offenbaren damit eine besondere Form der Schizophrenie: Sie wählen die national-sozialistische Regierung – und mißtrauen ihr gleichzeitig so sehr, dass sie ihr Geld unter der Matratze verstecken. Oder ist es nur List? Man hofft, dass die Regierung noch mehr aus Europa herausholt; aber für den Fall des Scheiterns will man gewappnet sein.

3.  Noch viel, viel mehr frisches Geld für Griechenland

Es wird weiterverhandelt; dann sollen die Griechen ein paar Sparprogramme bis Montag vorlegen. Na Super. Da wird wieder etwas versprochen, was nicht eingehalten wird – denn genau darum geht es ja der neugewählten griechischen Regierung: Her mit der Kohle – und zwar bedingungslos. Notfalls soll sie nicht direkt von den Staaten kommen, aber von der EZB. Die kauft Staatsanleihen, notfalls über den Umweg „Europäische Investitionsbank“. Es gibt so viele Wege in Europa, da kann man gerne einige gehen, um den Anschein der Staatsfinanzierung aus der Notenpresse zu umgehen. Na gut. Ein paar Bedingungen werden schon dabei sein; Rückzahlung ab 2020 vielleicht und ein Zinssatz von vielleicht 2 Prozent? Die Erpressung lohnt sich. Europas Restpolitiker sind ja windelweich. Sie folgen einer einfachen Logik: Nein sagen heute könnte Ärger bringen – das Vertragen der Rückzahlung auf den Sankt Nimmerleinstag bringt die Wahrheit ans Licht, wenn die dafür Verantwortlichen längst aus dem Amt sind.

4. Kein Wort mehr über Altschulden und lästige Fragen

Es ist ein Meisterstück der politischen Propaganda, wie es Griechenland geschafft hat, Ursache und Wirkung zu verkehren. Irgendwie sind wir Deutschen daran schuld, dass Griechenland zu viel Schulden gemacht hat. Deshalb ein paar Zahlen zur Erinnerung: Insgesamt 330 Milliarden Euro haben die europäischen Länder Griechenland geliehen, um es vor dem Staatsbankrott zu bewahren. Daran knüpfen sich ein paar Fragen: Warum reicht diese ungeheure Summe, und zwar je Griechen 32.000 Euro nicht? Wo ist das Geld in Griechenland versickert, wer hat es? Und bitte nicht die Antwort, die Banken: Das Geld ging an den griechischen Staat. Und nächste Frage: Seit 2012 haben sich die Schulden Griechenlands noch mal um 40 Milliarden Euro erhöht. Nennt man das sparen? Ist das die gefürchtete Austeritätspolitik? Noch mehr Schulden machen – das ist sparen. Die Umdrehung des Wortsinns scheint eine paneuropäische Spezialität zu sein.

5. Dabei wurde schon viel, viel Geld verschenkt

Im Zuge des ersten Schuldenschnittes wurden Griechenland 70 Prozent der Schulden bei privaten Anlegern erlassen; insgesamt rund 107 Milliarden Euro. Beim zweiten Schuldenschnitt hat der deutsche Fiskus weitere 26 Milliarden verloren. Jedem Griechen wurden also 13.000 Euro geschenkt, was sicherlich rechtfertigt, jetzt einen dritten und vierten Schuldenschnitt zu fordern, damit sich diese Summe auf annähernd 50.000 Euro erhöht. Darum geht es in den kommenden Monaten.

6. Es geht aber erst richtig los mit plündern

Ist damit eine Ende erreicht? Keineswegs. Nach wie vor gibt Griechenland 20 Prozent mehr aus, als es erwirtschaftet. Jeder Konsum-Euro in Griechenland wird mit 20 Cent vom europäischen Steuerzahler ergänzt. So lässt sich schön wirtschaften. Diese Lücke wird sich erhöhen. Denn die griechischen Sozialisten zerstören ja munter die Wirtschaft des Landes. Steuern werden nicht eingetrieben, sondern sollen zur Hälfte erlassen werden. Bürger heben ihr Geld ab und fliehen damit, Unternehmen kürzen ihre Investitionen, ach was: Sie hören einfach auf. Es geht erst richtig los. Es ist gar nichts gelöst worden. Nichts, nada, niente, típota, null. Griechenland ist das, was man ein Fass ohne Boden nennt. Oben europäisches Geld rein, unten raus an die Klaukratura von Athen. So lange Griechenland im Euro bleibt, kann sich seine Wirtschaft nicht erholen. Die Klaukratura in Athen will aber genau das, weil so ihre Gehälter in € ausgezahlt werden, auf mitteleuropäischem Einkommensniveau, und nicht in sich entwertender Drachme. Europa zahlt dafür, weil angeblich keiner den Geleitzug Euro verlassen darf. Der Bundestag muß kommende Woche zustimmen – und wird es. Er ist wie ein Geldautomat – wer die PIN kennt, holt raus, was drin ist.

7. Es geht gar nicht um Geld. Es geht um viel mehr

Dabei geht es gar nicht um Geld allein. Das Währungssystem wird zerstört, und das politische Europa, die Einigung des zerstrittenen Kontinents. Die neue griechische Regierung versteht Europa als einen Geldautomaten: Man holt raus, was drin ist. Ok, dazu muss man mal sogar Nachts verhandeln, etwas auf die Tränendrüse drücken, böse gucken. Am Ende lassen sich die Europäer melken. So zerstört man eine Idee. Besonders infam: Während um ein bißchen Frieden in der Ukraine gerungen wird, schlagen sich die Griechen schon mal vorsorglich auf die Seite Russlands und drohe mit dem offenen Wechsel ins feindliche Lager. Auch hier hat Athen gute Karten. Russlands Putin würde Griechenland zu gerne ins Post-sowjetische Lager führen, hätte einen wunderbaren Stützpunkt, um seine Macht über den Balkan und das östliche Mittelmeer auszudehnen. Europa wäre geschwächt. Das sind die eigentlichen Argumente hinter dem Spiel. Merke: Es geht nur um Kohle, dafür darf man dann Griechenland als Partner kaufen. Das nennt man dann europäische Solidarität. Kein Wunder, dass sich in vielen europäischen Ländern Parteien gebildet haben, die da nicht mehr länger mitmachen wollen. Schließlich sparen in Europa viele Länder, was den Griechen erspart bleibt. Die Griechen verstehen sich als die ersten Europäer, das mit dem Stier und so. Heute sind sie der Feind im europäischen Haus, der es von innen ausplündert.





 

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