Grexit – 7 Punkte, die Sie jetzt zu Griechenland wissen sollten

1. Geht Griechenland jetzt Pleite?

Den griechischen Banken geht das Geld aus. Bislang wurden sie mehr oder weniger automatisch und bedingungslos von der Europäischen Zentralbank wieder aufgefüllt, und das wörtlich: Frische Scheine aus der Gelddruckerei, rein in die Automaten, zum Abheben. Die EZB entscheidet an diesem Montag, ob sie frisches Geld liefert. Eigentlich darf sie das nur, wenn Banken vorübergehend illiquide sind. Illiquide sind die griechischen Banken; aber vorübergehend? Daran darf gezweifelt werden. Der von der Tsipras-Regierung ausgelöste Crash Griechenlands schlägt sich zu allererst bei den Banken nieder. Kredite, die sie an Unternehmen gegeben haben, können von diesen nicht mehr zurück bezahlt werden. Bürger heben ihre Guthaben ab; damit laufen die Banken in die Pleite. Pleite-Banken aber dürfen nicht dauerhaft unterstützt werden. Sollte die EZB also heute den Geldhahn aufdrehen, ist das ein weiterer der vielen Gesetzesverstöße in der kurzen Geschichte des Euro. Bleibt der Geldhahn zu, verschärft sich die Syriza-Krise in Griechenland.

 2. Wie spitzt sich die Krise zu?

Es ist wie ein Drehbuch, das hier bereits vor Wochen beschrieben wurde: Zuerst ein Jubel auf den Straßen, dann ein Stop der Geld-Versorgung, daraufhin ein schrittweises Einfrieren der Wirtschaft. Versorgungsengpässe bei Lebensmitteln, Medikamenten und Energie belasten Bürger und Wirtschaft und würgen auch den Tourismus als wichtigste Einnahmequelle ab. Unruhen in Athen sind die Folge. Schon hat der Verteidigungsminister Kamenas erklärt, dass das Militär die Ruhe herstellen könne. Die Zustimmung des Militärs hat sich Tsipras dadurch erkauft, dass er das überhöhte Militärbudget nicht kürzt. Griechenland hat ca. 2.500 Panzer und mehrere U-Boote. Solange das Militär seine Spielzeug behält, hält es zur Regierung. Aber die innenpolitische Lage bleibt instabil. Übrigens fliehen viele Griechen aus dem Land; vermutlich sind wirklich die Tüchtigsten längst in Kanada, den USA oder Deutschland. Zurück bleiben die Profiteure der Staatswirtschaft und wirklich wohlhabende Griechen – aber nur im Sommer. Die griechische Elite ist extrem mobil mit Sitz in London und neuerdings gerne auch in Berlin.

3. Was hat Tsipras jetzt vor?

Tsipras will innerhalb von 48 Stunden mit den Euro-Ländern eine Einigung erzielen. Die soll offenbar in seiner Vorstellung darin bestehen, dass erneut, wie schon in 2005, ein großer Teil der griechischen Schulden gestrichen werden. Tsipras‘ Vorstellung von Wirtschaft ist, dass es irgendwo einen reichen Onkel gibt, der Geld herschenkt, das dann den Tsipras-Wählern zugeteilt wird: Über Beamten-Gehälter, höhere Renten und Steuergeschenke. Der reiche Onkel, das sind die europäischen Steuerzahler oder die EZB, hinter der wiederum die Steuerzahler stehen. Es ist eine wild-romantische Vorstellung von Heldentum und Widerstand, von nationaler Ehre und Kampf gegen die bösen Mächte des Faschismus und des Neoliberalismus. Es ist ein ziemlich wirres Gebräu infantiler Vorstellungen aus der Mottenkiste des Sozialismus: Ein Revolution oder Referendum, und schwups! alles ist gut. Dass Wirtschaft ein verletzbares Geflecht von Abhängigkeiten, Wettbewerb, Leistungsfähigkeit und viel Arbeit ist – dafür fehlt den Syriza-Funktionären jedes Gespür. Bislang hat Tsipras auch keinerlei wirtschaftliche Reformen vorgestellt.

4. Rettet ein Schuldenschnitt Griechenland?

Bereits 2010 wurden Griechenlands Schulden verkürzt, um ca. 105 Milliarden Euro. Dazu wurden Zinssätze herabgesetzt, die Rückzahlung ausgesetzt usw. usf. Neue Kredite wurden zu besonders günstigen Zinssätzen vergeben. Daher leidet Griechenland aktuell NICHT unter zu hohen Schulden. Es leidet unter einem Verfall seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die sinkt derzeit sehr schnell, weil seit dem Wahlsieg von Syriza das wirtschaftliche Wachstum zunächst stoppte und jetzt sogar schrumpft. Deshalb ist die Hoffnung auf einen Schuldenschnitt nur die erste Runde in einem neuen Spiel: Niedrige Schulden bedeutet, man kann wieder neue Schulden machen.

5. Was waren die Hauptfehler der Griechenland-Politik?

Der erste Fehler war, dass Griechenland überhaupt in die Euro-Zone aufgenommen wurde. Damit konnte sich das Land verschulden und seinen Politikern, Beamten und den wohlhabenden Bürgern am staatlichen Geldtropf Konsum auf nordeuropäischem Niveau ermöglichen. Gleichzeitig wurde aber die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes ruiniert: Schnell steigende Löhne, denn vom Euro wollten ja alle profitieren, konnten nicht erwirtschaftet werden. Importieren war lukrativer als produzieren. Auch der Tourismus war z.B. gemessen an der Türkei nicht mehr wettbewerbsfähig, nachdem die Türkei ihre Währung kräftig abgewertet hat. Wie im Norden leben, aber wirtschaften wie auf dem Balkan – diese Gleichung war nur durch immer neue Schulden zu lösen. Nach der Finanzkrise haben die bösen Banken systematisch ihre Risiken untersucht – und kamen zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass Griechenlands Schulden nicht mehr tragfähig waren und vergaben keine neuen mehr. An dieser Stelle wurde dann viel von Spekulation und Angriff auf den Euro gefaselt. Dabei war es nur ein logisch richtiger Weg: Fehler müssen korrigiert werden.

6. Was haben der Euro und Eurostaaten damit zu tun?

Ein weiterer Hauptfehler wird zu selten gesehen: Um einen noch größeren  Schuldenschnitt zu Lasten der europäischen Banken zu vermeiden und deren Existenz in der wackeligen Zeit nach der Finanzkrise zu sichern, haben die Staaten die Schulden übernommen. Genau darin aber liegt der derzeitige Konflikt: Länder wie Deutschland sind plötzlich „Gläubiger“, und die mag keiner. Europas Konflikte zwischen Gläubigern und Schuldnern werden zu Krisen der Staaten und Nationen. Durch die Übernahme privatwirtschaftlicher Funktionen durch die Staaten, ziehen sie Konflikte auf sich, die sonst von Banken abgefedert werden müssen. Die Schuldenkrise wurde damit zu einer politischen Krise. Die werden nicht rational gelöst, sondern über Verhandlungen, Bürgerkriegs-Rhetorik und geschürten Hass auf die Finanzminister der Gläubiger, etwa auf Wolfgang Schäuble. Der Euro war immer ein politisches Projekt, nie ein wirtschaftliches. Sein Scheitern ist eine politische Katastrophe für Europa, mit ebenso katastrophalen Auswirkungen auf die Wirtschaft.

7. Wie sähe eine langfristige Lösung aus?

Griechenland leidet kurzfristig unter dem Euro – und langfristig unter seiner Verschuldung. Daher gibt es nur eine Lösung: Einen kooperativ organisierten Grexit. Europa wird einen großen Teil seiner Schulden in den Wind schreiben müssen; schwächere Länder wie Frankreich und Italien wären besonders betroffen. Hier hilft nur ein weiterer gemeinsamer Schwindel: Die bestehenden Schulden werden langfristig und zu annähernd nullverzinsten Schulden umgewandelt, um die Illusion der Stabilität Europas aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig führt Griechenland wieder eine eigene Währung ein. Diese wertet ab, bis auf realer Basis die dortige Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig ist. Dabei verschärft sich vorübergehend die soziale Lage in Griechenland. Aber klar ist: Europa kann nicht ein Mitgliedsland ständig alimentieren und unterstützen – und dafür Beschimpfungen kassieren. Ob es dazu kommt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Vermutlich kommt es wieder zu einer typisch europäischen Lösung: Irgendwie durchwursteln auf Kosten der Bevölkerung und der Zukunft.

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