Rentner 2019 – mit Brotkrumen gegen Armutsgefährdung

Tatsache ist jedenfalls, dass in Deutschland ein durchschnittlicher Altersrentner nach langjähriger, 35jähriger Beschäftigung eine Rente in Höhe von gerade einmal rund 1.000,00 € netto erhält.

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Ab Juli 2019 gibt´s mehr Geld für Rentner – verkündet die Bundesregierung. „Rentnerinnen und Rentner können sich freuen – die Altersbezüge steigen deutlich an“. Nun ja, vielleicht in Prozent gerechnet: In den alten Bundesländern wird die Steigerung 3,18 % und im Osten 3,91 % betragen. Die sogenannte Standardrente beträgt somit 1.487,18 € (45,83 € mehr als im Vorjahr) bzw. 1.435,05 € (54,00 mehr) gemäß Mitteilung der Regierung.

Standardrente ist nicht Durchschnittsrente

Das heißt allerdings nicht, dass der Durchschnitt der deutschen Rentner diese „Stan- dardrente“ auch tatsächlich bezieht. Nur die wenigsten Renter haben die erforderli- chen 45 Jahre lang als Durchschnittsverdiener in die Rentenkasse eingezahlt.

Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für das Jahr 2019 veröffentlichte durchschnittliche Jahresarbeitsentgelt beträgt 38.901,00 € (West). Bei entsprechen- dem Bruttoeinkommen wird dem Arbeitnehmer ein Entgeltpunkt gutgeschrieben. Die Anzahl der im (Berufs-)leben erworbenen Entgeltpunkte, multipliziert mit dem soge- nannten Rentenwert (33,05 € West / 2019) ergibt die Bruttomonatsrente.

Einkünfte unterhalb des Durchschnittsverdienstes oder Lücken im Erwerbsleben ste- hen der „Standardrente“ entgegen. Insbesondere Frauen, aber auch Akademiker sind betroffen. Frauen aufgrund Schwangerschaft und oft jahrelanger Abwesenheit aus dem Job, Akademiker aufgrund des späteren Berufseinstiegs.

Rentenabzüge

Mütter bekommen für vor 1992 geborene Kinder bis zu 2,50 Entgeltpunkte zusätzlich angerechnet und für jedes später geborene Kind 3,00 Punkte. Frauen, die mit einem Kind länger als 3 Jahre zu Hause bleiben, erwerben jedoch keinen weiteren Renten- anspruch. Akademiker treten oft erst mit 25 Jahren in das Erwerbsleben ein. Diese Arbeitnehmergruppe hat keine Möglichkeit, bis zum Beginn der Regelaltersrente (67 Jahre) auf 45 Beitragsjahre zu kommen. Möglicherweise können Akademiker diesen Nachteil durch einen höheren Durchschnittsverdienst wieder ausgleichen. Sicher ist dies in Zeiten der Niedriglohnbeschäftigung keineswegs.

Aber auch Nichtakademiker sind betroffen. In der Berufsausbildung ist der Lohn eher niedrig und in den ersten Berufsjahren danach wird nicht jeder Arbeitgeber bereit oder in der Lage sein, ein Arbeitgeberbrutto von ca. 47.000,00 € zu zahlen (Arbeit- nehmerbrutto 38.901,00 € zzgl. vom Arbeitgeber zu entrichtender Sozialversiche- rungsanteil). Das ist eine Ursache, dass die durchschnittliche Bruttorente in Deutsch- land deutlich unter der von der Bundesregierung genannten „Standardrente“ liegt.

Die andere ist in den Sozialversicherungsbeiträgen zu sehen, die der Rentner aus seiner Bruttorente zu entrichten hat. Bei Pflichtversicherten in der gesetzlichen Kran- kenversicherung betragen die Abzüge derzeit 7,30 % (zzgl. kassenindividueller Zu- satzbeitrag – ca. 0,90 %) und 3,30 % für die Pflegeversicherung (kinderlose). Von der Bruttorente werden also insgesamt 11,50 % abgezogen.

Im Ergebnis beträgt der durchschnittliche Monatsrente (netto) 1.103,00 € bei Män- nern und 712,00 € bei Frauen (Jahr 2018 – alte und neue Bundesländer) . Die von der Bundesregierung verkündete Rentensteigerung beläuft sich insoweit auf 35,00 €/netto monatlich mehr im Portemonnaie (Männer/West).

Anstieg der Lebenshaltungskosten

Allerdings steigen auch die Verbraucherpreise. Die Inflation des Jahres 2018 betrug 1,90 Prozent (Quelle: statistisches Bundesamt). Der Kaufkraftverlust beläuft sich so- mit auf 20,96 € zum Jahresende 2018 (1.103,00 € x 1,90 %). Dieser Betrag ist von der Rentensteigerung abzuziehen – bleiben 14,04 €/Monat. Diese „kräftige“ Renten-erhöhung entspricht ungefähr dem Gegenwert von zwei Vollkornbroten zu je 500 g/Woche im Supermarkt. Ernährungswissenschaftlern zufolge sollen diese ein frühes Sättigungsgefühl bewirken.

Die gefühlte Inflation (also die Verbraucherpreise für Güter des täglichen Bedarfes betreffend – z.B. Brot, Milch, Strom, Heizung) dürfte jedoch über 1,90 Prozent liegen.

Hart an der Armutsgrenze

Diese „spürbar höhere Rente“ mag den Rentner freuen, so meint jedenfalls die Bun- desregierung. Aber ist es wirklich ein Grund zur Freude, am Ende des Berufslebens eine Nettorente von ca. 1.100,00 € ausgezahlt zu erhalten?

Bei Männern wohlgemerkt – denn Frauen mit einer Rente von 712,00 € werden ohne- hin die sogenannte „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ in An-spruch zu nehmen haben. Deren Leistungen liegen mit ca. 794,00 € (424,00 € Re-gelbedarf Stufe 1, zzgl. 300,00 € Miete und 70,00 € Heizkosten gem. Beispielrech- nung Bundesministerium für Arbeit und Soziales) über der Grundrente. Bevor eine Frau diese Leistung erhält, hat sie allerdings zunächst ihr Privatvermögen – sprich ihre Lebensarbeitsleistung, aufzuzehren (gem. § 43 SGB XII).

Können denn wenigstens diejenigen Arbeitnehmer sich freuen, die 35 Jahren als Durchschnittsverdiener gearbeitet haben? Diese hätten dann 35 Entgeltpunkte er- worben – was heute einer Bruttorente von 1.156,75 € entspricht. Abzüglich der So- zialversicherungsbeiträge in Höhe von 132,94 € verbleiben 1.023,81 € netto. Gemäß statistischem Bundesamt liegt der Schwellenwert für Armutsgefährdung bei 1.096,00 Euro.

Steuerpflicht noch gar nicht betrachtet

Allerdings ist hier noch nicht die etwaige Steuerpflicht des Rentners berücksichtigt. Das steuerfreie Existenzminimum beträgt derzeit 9.168,00 €/Jahr (Alleinstehende). Der überschießende Betrag von 4.704.00 € (1.156,75 € x 12 Monate – 9.168,00 €) ist bei Neurentnern zu 78 % steuerpflichtig. Die tatsächliche Steuerlast hängt von den steuerwirksamen Verhältnissen (z.B. Vorsorgeaufwendungen innerhalb bestimmter Höchstgrenzen) des Rentners ab. Übrigens sind nach Rentenbeginn die jährlichen Rentenanpassungen vollumfänglich steuerpflichtig. Deshalb wird der steuerpflichtige Anteil der Rente mit jedem Jahr höher.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD) verkündete nach Kabinettsbeschluss zur Rentenerhöhung, dass „Deutschland ein wirtschaftlich starkes Land ist, das sich eine verlässliche Alterssicherung leisten kann“. Bleibt die Frage, was geschieht, wenn die Wirtschaft mal nicht so gut läuft? Im Rentenrecht gibt es eine Sicherungsklausel, die Rentenkürzungen entgegenstehen soll.

Tatsache ist jedenfalls, dass in Deutschland ein durchschnittlicher Altersrentner nach langjähriger, 35jähriger Beschäftigung eine Rente in Höhe von gerade einmal rund 1.000,00 € netto erhält.

Auch die von der Bundesregierung verkündete deutliche Rentensteigerung ändert hieran kaum etwas. Wahrlich kein Grund zur Freude.


Martin Ziemann ist Rentenberater

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Kommentare ( 67 )

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ichdarfdas
4 Jahre her

genauso schön ist das deutsch polnische SV- Abkommen von 1975, das eingeschränkt weiter gilt. Die Einschränkung beinhaltet, dass jeder Pole , der sich im Dezember 1990 in D ausgehalten hat, polnische Zeiten in unserer von D zu zahlenden Rente mit ausbezahlt bekommt. So als hätte er diese Zeiten in Deutschland ausgeübt (wird alles um/hochgerechnet. Da kommen gerade bei Beschäftigten in Bergbaubetrieben ( das kann auch die Putzfrau sein) schöne Beträge zusammen. Eine Kürzung wie bei Vertriebenen aus z.B. der UdSSR oder Rumänien, auf 60% gibt es auch nicht. Wohlgemerkt, ich spreche von polnischen Bürgern, nicht von Aussiedlern( die polnischen Aussiedler… Mehr

IJ
4 Jahre her

Ich mache die Steuererklärung für meine 88-jährige demente Schwiegermutter (Ja, obwohl sie nur über eine kleine eigene Rente sowie über eine Witwenrente als Einkommensquelle verfügt, wird sie seitens des Finanzamts dazu gezwungen.). Aufrgund dieses Umstands habe ich einen sehr guten Überblick über den Rentensteigerungs- und Steuereffekt. Ergebnis: Es ist per saldo ein Linke-Tasche-Rechte-Tasche Nullsummenspiel: Was sie jährlich als Rentensteigerung dazu bekommt, wird ihr stehenden Fußes als Steuererhöhung wieder abgezogen. Nach Abzug der Inflation für die zentralen Lebenshaltungskosten (Miete, Nahrungsmittel, Wärme, Elektrizität, Kleidung) verarmt sie de facto schrittweise. Es ist nicht weiter erwähnenswert, dass der Staat zu dieser statitisch ausgeblendeten Inflation… Mehr

Boudicca
4 Jahre her
Antworten an  IJ

Sehr guter Kommentar, der die Situation der meisten Rentner beschreibt.

Felix-Schmidt
4 Jahre her

Erst ab 2023-2030 (eventuell je nach Wirtschaftslage auch noch sehr viel früher) wird es richtig spannend. Dann gehen die Babyboomer zu hunderttausenden in Rente (es sei ihnen gegönnt). Die Wirtschaft verliert viele Fachkräfte, von denen viele auch gut verdient haben. Der Anteil der Erwerbsbevölkerung wird vermutlich weiter sinken, was dazu führt, dass der Bund Milliarden in die Rentenkasse zuschießen muss und dieser Betrag immer größer wird. Man darf gespannt sein, wie die politische Stimmung sein wird, wenn nichts mehr zu verteilen ist, wenn der noch vorhandene Rest-Wohlstand nach und nach abgeschmolzen wird. Da werden so einige ihre ganz persönliche Wohlfühlblase… Mehr

Thorsten
4 Jahre her
Antworten an  Felix-Schmidt

Das schlimme an der Verrentung der Baby-Boomer Generation ist, dass sie fleißig und kompetent ist und „den Laden zusammenhält“. Die nachfolgenden Dampfplauderer, Schneeflocken, Genderisten und Klima-Aktivisten halten kein Industrieland wie Deutschland am Laufen, sondern höchstens eine NGO.

Stellen Sie sich einfach einen Kevin Kuhnert oder Cawsan Chebli als Minister oder Kanzler vor….

Entenhuegel
4 Jahre her

Die (vermeintlich) niedrige Rentenerhöhung ist bestenfalls eine Randnotiz des tatsächlichen Desasters mit der gesetzlichen Rentenversicherung. Und die Kern-Problematik betrifft künftige Rentner weit mehr als Bestandsrentner und rentennahe Jahrgänge. Denn wer jetzt noch nicht in Rentennähe ist, wird Rekordbeiträge zahlen, später und/oder mit hohen Abschlägen in Rente gehen und mit Sicherheit niedrigere Renten beziehen als jetzige Rentner. Gründe hierfür sind die demographische Entwicklung (die bei Renteneintritt der Baby-Boomer voll zuschlagen wird) , das völlig unseriöse Umlagesystem (der Begriff „Versicherung“ ist ein Hohn), eine Politik, die seit Jahrzehnten die Rentenkasse für versicherungsfremde Leistungen und/oder zur Aufbesserung des Bundeshaushaltes plündert, und nicht zuletzt… Mehr

Alt-Badener
4 Jahre her

Gerade gestern kam im ZDF wieder eine Sendung über schon fast zwangsweise Auswandern von Rentnern und Pflegebedürftigen nach Osteuropa. Spätestens dann, wenn eine Heimunterbringung ansteht ist alles verloren. Das ganze Grauen, das im Alter bevorstehen kann, ist gar nicht aufzuzählen. Schon allein die Rentenpunkte für die Kinder sind ja ein Hohn. Und wie wird diese sog. „Mütterrente“ verteufelt. Meine Frau z.B. hat sich voll und ganz der Kinderziehung unserer drei Söhne gewidmet, alle drei sind sie gestandene promovierte Akademiker geworden. Nach Schule, Studium und Promotion waren für meine Frau nur noch die kleinen Nebenjobs möglich, also ein wenig Aufbesserung der… Mehr

teufelsknecht
4 Jahre her
Antworten an  Alt-Badener

Die Pünktchen können sie auch weg lassen

Herbert Rehm
4 Jahre her

Wer nie in die Rentenkasse eingezahlt hat, jedoch in Deutschland – woher auch immer – lebt, hat keinen Anspruch auf Rente. Es wird jedoch Mindestsicherung in Höhe von ca. 850,00 Euro monatlich gezahlt. Natürlich auch Kranken – und Pflegeversicherung. Also eigentlich doch eine Art Rente. Für so eine „Rente“ muss man in D gute 30 Jahre arbeiten. So einfach gehts auch!!

Eliane
4 Jahre her

Na das wäre ja ein Ding, wenn das stimmt – haben Sie da eine Quelle? Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, denn Vielweiberei ist in Deutschland ja kein Problem für „kulturell anders“ ausgerichtete mehr. Bei 2 Ehefrauen sind das dann 6 Personen also Eltern, bei 3 Ehefrauen ……. nicht gerechnet die unzähligen „Kinder“.

Boudicca
4 Jahre her
Antworten an  Eliane

Deutsch-Türkisches Sozialversicherungsabkommen vom 30.4.1964

pcn
4 Jahre her
Antworten an  Eliane

Das deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen:
https://www.dvka.de/media/dokumente/rechtsquellen/svabkommen/Tuerkei_SVA.pdf

humerd
4 Jahre her

Tja, den leuten ists halt wichtiger eine Buam zu retten oder den Juchtenkäfer, aktuell das Weltklima, als für die eigene soziale Absicherung auf die Straße zu gehen.
Und vor allen Dingen bruachen die Menschen in Deutschland Gruppen die ihren Neid bedienen.

pcn
4 Jahre her

Laut Umfrage, “ wenn am Sonntag Wählen wären“ wollen das die meisten Rentner so. Und die es nicht wollen, die fallen für kommendes Schwarz/Grün nicht ins Gewicht. Das wird noch richtig lustig. wenn die Flüchtlings…ich meine die CO2-Steuer noch auf die jetzt schon weltweit(!) höchsten Strompreise draufgesattelt sind! Dann steigen auch die Lebensmittelpreise, und und und…Dann heisst es: Entweder Essen und im Dunkeln einer ungeheizten Bude sitzen, oder heizen und Strom verbrauchen , dafür aber nichts auf dem Herd!

Viel Spaß, Deutschland!

afisch64
4 Jahre her

Ich höre „unseren Nobbi“ noch:
Denn eines ist sicher – die Rente!
???

Entenhuegel
4 Jahre her
Antworten an  afisch64

@ afisch64

Schon der, der vor mehr als 20 Jahren Nobbies Rentenmärchen geglaubt hat, war schwer naiv …

Thorsten
4 Jahre her
Antworten an  afisch64

Er hat NIEMALS etwas über die HÖHE der Rente gesagt. Auch meinte er die damalige Rentnergeneration.

afisch64
4 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Hätte er dann nicht konsequenterweise sagen müssen:
„Denn eines ist sicher,
die Renten der
JETZIGEN Generation.
Für die Zukunft wage ich keine Prognose!“ (?)

Und was die Höhe der Rente betrifft.
Natürlich – selbst, wenn das Rentenniveau auf 20% vom letzten Brutto absinken sollte,
kann man immer noch behaupten:
Die Rente wäre sicher.-
Denn sie ist ja noch da. Aber eben nur in Form eines abstrakten Begriffes.
Existieren, seinen Lebensunterhalt fristen,
kann man damit aber nicht mehr.
Doch ist nicht genau dies der Sinn einer
Rente???