Familiennachzug: Die Nebelwerfer der GroKo

Union und SPD, so die aktuellen Meldungen, sollen sich beim Thema Familiennachzug geeinigt haben. Kurze Zeit später: während die SPD erklärt, sie haben den Wieder-Einstieg in den Familiennachzug „durchgesetzt“ sagt die CSU: „abgeschafft“.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

(aktualisierte Fassung) Parallel zum vielstimmigen Chor der GroKo-Verhandler wird versucht, die Öffentlichkeit über den Umfang des zu erwartenden Nachzugs in falsche Sicherheit zu wiegen – von beiden Seiten. Schenkt man einer Vielzahl von Umfragen Glauben, so erfreut sich die Idee des Familiennachzugs für in Deutschland lebende subsidiär Schutzberechtigte keiner überschwänglichen Beliebtheit. Trotzdem war es ein Streitpunkt in den Koalitionsgesprächen. Monatlich 1.000 plus ist eine unbestimmte Fall von Härtefällen. Die Union setzt wohl darauf, dass bis dahin die Wähler den Sachverhalt schon wieder vergessen haben.

Die Union setzt auf das Vergessen

Zur Erinnerung: Das Recht auf Familiennachzug wurde für diese Gruppe bis Mitte März 2018 ausgesetzt, nachdem man es ausgerechnet im August 2015 eingeführt hatte. Das Recht auf Familiennachzug für anerkannte Flüchtlinge ist davon nicht betroffen, sondern kann auch gegenwärtig in Anspruch genommen werden. Nach diversen Schätzungen sind bereits bis zu einer Viertelmillion Menschen eingereist. Offiziell erfasst werden sie nicht, schon gar nicht als „Asylbewerber“ – sie herhalten ja sofort einen Aufenthaltsstatus. An dieser Stelle zeigt sich bereits die erste – vermutlich nicht ungewollte – begriffliche Verwirrung der öffentlichen Debatte, denn politisch und medial wird hartnäckig vom Familiennachzug für Flüchtlinge gesprochen, obwohl die Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten, um die es eigentlich geht, eben genau diese Flüchtlingseigenschaft nicht aufweist. Jedoch kann diese Taktik bisher noch keine durchschlagenden Erfolge vorweisen.

Deshalb bringen die Lobbygruppen für eine Fortsetzung der ungeregelten Migration nach Deutschland im Augenblick an allen wichtigen Positionen wieder ihre Nebelwerfer in Stellung, um durch deren flächendeckenden Einsatz für so viel Verwirrung und Orientierungslosigkeit im gesellschaftlichen Diskurs zu sorgen, dass die Politik die verbliebenen kritischen und besorgten Stimmen geflissentlich überhören und ungestört zu Werke gehen kann.

Die Kirchen als Lobby

An der humanitären Front kamen der EKD-Vorsitzende Bedford-Strohm und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Marx zum Einsatz, die den Familiennachzug in Windeseile zum christlichen Gebot erhoben haben. Beim öffentlich-rechtliche Fernsehen erklärte Georg Restle in einem Kommentar in den tagesthemen, warum die Europäer für eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen ihre Seelen verkauft hätten. Doch in diesem Konzert durfte die Stimme eines echten Experten nicht fehlen, der gegenüber der Öffentlichkeit die Unbedenklichkeit des Familiennachzugs attestiert.

Diese Aufgabe fiel dieser Tage nicht zum ersten Mal Professor Herbert Brücker zu, der den Forschungsbereich Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) in Nürnberg leitet. Professor Brücker kann für solcherlei Statements vollkommen unbedenklich herangezogen werden, denn er hat sich bereits als Co-Vorsitzender der Özoguz-Kommission bewährt, welche bekanntlich das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer vorschlug. Diesen Vorschlag ergänzte Brücker noch um die Forderung nach dem „Vorantreiben der interkulturellen Öffnung von Verwaltung, Wirtschaft und Medien“ oder alternativ nach einem „Bundespartizipationsgesetz“. Wie erwartet enttäuschte er auch beim Thema Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte nicht, sondern feuerte seine Nebelkerze in Form einer „belastbaren Zahl“ von 50.000-60.000 Familienmitgliedern, die nach Deutschland übersiedeln könnten, hinaus ins Schlachtfeld der Öffentlichkeit.

Verwissenschaftlichte Nebelkerze

Eine Nebelkerze ist Brückers Prognose deswegen, weil sie vorgaukelt, dass die Rahmenbedingungen für einen geordneten Familiennachzug gegeben seien, so dass dessen Umfang seriös kalkuliert werden könne. Zu diesen Rahmenbedingungen gehört zum Beispiel die Gewissheit darüber, dass alle nachzugsberechtigten minderjährigen Kinder auch tatsächlich minderjährig sind. Des Weiteren setzt der Familiennachzug die nachprüfbare Authentizität der vorgelegten Dokumente voraus, welche die Familienangehörigkeit belegen sollen. Nicht zuletzt kommt es auch darauf an, dass bestehende Regelungen in Kraft bleiben und durchgesetzt werden – wie die, dass nur die vor dem Asylgesuch eines Partners geschlossenen Ehen als für den Familiennachzug relevant erachtet werden.

Gewöhnung an Massenzuwanderung
Obergrenze: Wie eine Zumutung zur Norm wird
Im Rückblick auf die vergangenen zweieinhalb Jahre gibt rein gar nichts Anlass zu der Annahme, dass diese Rahmenbedingungen nun ausgerechnet beim Familiennachzug erfüllt sein sollten. Denn letzterer lädt nicht nur dazu ein, jede bestehende sinnvolle Regelung „aus Gründen der Humanität“ aufzuweichen, sondern seine Problematik kumuliert geradezu alles in sich, was schon längst erwiesenermaßen schiefgelaufen ist (Altersfeststellung, Identitätsfeststellung, usw.) und immer noch nicht behoben werden konnte. Eine ganz simple ökonomische Erwartung an den Familiennachzug ist zudem, dass dieser sehr schnell dazu führen wird, dass Anerkennungen als Familienmitglied durch in Deutschland angekommene Flüchtlinge und subsidiär Geschützte bald für einen nicht geringen Preis auf dem Markt zu haben sein werden. An Nachfragern wird in Syrien und anderswo gewiss kein Mangel herrschen.

Zu Professor Brückers eigentlichen Berechnungen gibt es bei bloßer Durchsicht schon zwei Kleinigkeiten anzumerken:

Erstens ging das IAB im Oktober 2017 bei seiner Schätzung von 50.000-60.000 nachzugsberechtigten Familienangehörigen von 200.000 subsidiär Geschützten in Deutschland am Ende des Jahres 2017 aus. Der kürzlich erschienene Asylgeschäftsbericht 2017 des BAMF weist allerdings aus, dass allein im Jahr 2016 153.700 Mal auf subsidiären Schutz entschieden wurde. Im Jahr 2017 wurde die gleiche Entscheidung noch zusätzliche 98.074 Mal gefällt, was zusammengenommen bereits mehr als 250.000 subsidiär Geschützte ergibt.

Zweitens bezeichnet Brücker seine Schätzungen unter anderem deswegen als „sehr belastbar“, weil anerkannte Flüchtlinge und solche mit subsidiärem Schutz zu ihrem Familienstand und der Zahl ihrer Anverwandten im Herkunftsland befragt worden sind. Diese Befragung erfolgte im Rahmen einer Kooperation von IAB, BAMF und Sozioökonomischem Panel (SOEP), welche seit 2016 wiederholt repräsentative Erhebungen unter zwischen 2013 und 2016 eingereisten Asylbewerbern durchführt. Allerdings erhielten wissenschaftliche Nutzer dieses Datensatzes Anfang 2018 eine E-Mail von verantwortlicher Stelle, in der sie davor gewarnt wurden, Teile desselben zu nutzen. Grund dafür war die Entdeckung gefälschter Interviews von unbekanntem Umfang, welche zuerst aus dem Datensatz gelöscht werden mussten.

Gänzlich den Boden der Tatsachen verlässt schließlich die rosige Einschätzung, dass der Familiennachzug die Integration befördern werde, denn dafür gibt es bislang keine wissenschaftliche Evidenz.

Zugegebenermaßen weist Professor Brücker in der IAB-eigenen Publikationsreihe kurz selbst darauf hin, dass der Umfang des Familiennachzugs erheblich steigen könnte, wenn neben Lebenspartnern und minderjährigen Kindern auch die „erweiterte Kernfamilie“ das Recht auf Nachzug erhalte. Aber solche Klippen übersieht man in einer Nebelbank bekanntlich leicht.

Unter erweiterter Kernfamilie zählen wohl auch Kinder, die man benennen kann. Manche Behörden haben den Begriff Familie auch auf „Zweifrauen“ und deren Kinder ausgedehnt. Ohnehin geht es nur um den „privilegierten Familiennachzug“. Die SPD hatte bereits 2015 durchgesetzt, dass man auch bei subsidiär Schutzberechtigten von den bis dahin üblichen Voraussetzungen des Familiennachzugs absieht, nämlich den selbst erwirtschafteten Lebensunterhalt nebst selbst finanzierter Wohnung. D.h. die SPD kämpft offensichtlich mit Erfolg dafür,  dass auch diejenigen, die nach nunmehr zwei Jahren sich nicht selbst ernähren können und die nicht selbst ihre Wohnung zahlen können, ihre Familie nachholen dürfen und damit eindeutig in die Sozialsysteme einwandern. Der so viel gepriesene Ingenieur oder Arzt bräuchte diese Regelung nicht. Der könnte seine Familie trotz „nur“ subsidiärem Schutz auch jetzt schon nachholen, weil er seinen Unterhalt selbst sichert und seine Wohnung selbst zahlt. Doch die Nebelkerzen verhindern den Blick auch auf diesen Sachverhalt.

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Kommentare ( 263 )

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Georg Enderle
6 Jahre her

Georg Es ist doch wirklich komisch. Da kommen täglich 500 bis 800 illegal über die deutsche Grenze, die nicht geschützt wird. Diese Illegalen müssten alle zurückgeschickt werden, da sie aus einem sicheren Drittland kommen. Da wird täglich vorsätzlich von den Politikern und den Behörden das Recht gebeugt und niemand unternimmt etwas dagegen. Es dürften also keine 200.000 Illegalen nach Deutschland kommen. Es wäre an der Zeit, dass die Staatsanwälte gegen dieses skandalöse Schleppergeschäft und den illegalen Grenzübertritt etwas unternehmen. Jährlich 200.000 Illegale geben bis zum Jahr 2040 mindestens 10 Millionen. Entweder wird der Sozialstaat abgeschafft oder die illegale Einwanderung von… Mehr

Eberhard
6 Jahre her

Gestern wurde im Bundestag debattiert und abgestimmt. Abgestimmt über einen Gesetzentwurf, der höchst umstritten und nach wie vor sowohl moralisch wie juristisch fragwürdig. Bei sogenannten Härtefallregelungen nur im Ausländerrecht, wird unser Recht zu einem Zweierlei Recht gespalten. Pro Asyl spricht sogar sogar von Gnadenrecht. Da scheinen viele auf einem Auge blind und spalten munter weiter. Sind das etwa keine Härtefälle, wenn z.B. nur bestimmte unserer Kinder viele monatelang auf Turnhallen verzichten mussten, wenn nur bestimmte deutsch sprechende Kinder im Kindergarten oder in einer Schulklasse eine Minderheit?.Wenn marode Schulen und Lehrermangel ihre Bildung beeinflusst. Wenn vielfach kein Schwimmunterricht, weil Einrichtungen geschlossen?… Mehr

prague
6 Jahre her

Weisst jemand, warum das alles so passiert? Weiss jemand warum die Linksgrünespd so viele Moslime mit allen diesen Konflikten haben wollen? Es kann keine Humanität sein, es ist eine Zerstörung Deutschlands, denn die ärmsten können sich es nicht leisten so viel Geld an Schlepper zuzahlen. Warum machen sie das, weil sie es können oder weil sie so viel Hass auf Deutsche haben? Oder beides?

Andreas Donath
6 Jahre her

Grundsätzlich stimmt das, doch es werden ja mit jedem Tag mehr, die sich wehren. So stehen in den nächsten Wochen unter anderem zwei weitere große Frauendemos in Berlin und Bottrop und Anfang März die zweite große Zusammenkunft der besorgten Mütter (und Väter) in Kandel an. Pegida Dresden wird nächsten Montag wieder 5.000 Menschen auf die Straße bringen und in Cottbus werden es bereits an diesem Samstag um die 3.000 sein. Es tut sich etwas, gemessen an der etwas schläfrigen deutschen Mentalität sogar eine ganze Menge. Wir können nicht gleich mit hunderttausend Menschen auf der Straße kalkulieren, auch wenn ich mir… Mehr

Besorgte Deutsche
6 Jahre her

Familiennachzug – mir sträuben sich die Haare, wenn ich daran denke, was damit noch alles auf uns zukommt!! In Pinneberg (Schleswig-Holstein) darf nun ein „Schutzsuchender“ sogar seine Zweitfrau ins Land holen. Ich nenne so etwas Förderung und Gewährung von Bigamie (auf unsere Kosten auch noch), die für uns Deutsche strikt verboten ist. Aber nicht etwa dagegen protestieren Pinneberger und andere; sondern ein kleines Grüppchen macht nun zeitgleich Stimmung gegen ein Kriegerehrenmal und bekommt große mediale Aufmerksamkeit.
(Siehe NDR). 2 Versuche, meine kritische Meinung dort zu äußern, schlugen fehl – was mich beim NDR nicht weiter wundert…

NordChatte
6 Jahre her

„Aber es hat doch in der Zeitung gestanden. In der Tagesschau haben sies auch gesagt.“
Solange ich diese Sätze noch höre, wird sich in diesem Land nichts verändern. Eine Hoffnung habe ich aber noch. Die „Generation Bildzeitung“ wird kleiner. Ich bin zwar auch schon über 60, habe aber vor Jahren schon das Abo meiner regionalen Tageszeitung und das von Focus schon vor 5 Jahren gekündigt.

WWeinel
6 Jahre her

Wenn ich richtig informiert bin, geht es bei der ganzen Diskussion um Familiennachzug doch sowieso nur um die Nachzügler der ’seit kurzem hier Anwesenden‘ die kein Bleiberecht haben und nach dem Subsidiaritätsprinzip nicht so einfach abgeschoben werden (können).
Alle die mit Bleiberecht können sowieso ihre Angehörigen nachholen – diese Tatsache wird vernebelt – da wohl Gesetzeslage – und das sind nicht wenig… und in der Flüchtlings-Statistik tauchen die auch nicht auf.
Unsere Generation wird wohl in den Geschichtsbüchern stehen…

RauerMan
6 Jahre her

Danke Herr Backhaus für Ihren faktenreichen Artikel ! Seit geraumer Zeit schon, wird der Bürger mit „Nebelkerzen“ aus verschiedenen Politikbereichen, beworfen. Sich informierende Menschen haben deshalb längst ihr Vertrauen in Teile der Politik, der Medien und der Kirchen-Oberen verloren. Was Demokratie wirklich bedeutet ist offenbar in der letzten Zeit von „Meinungsmachern“ zur „Chefsache“ verkommen. Deshalb, breite Information ist von größter Wichtigkeit ! Leider geschieht das aus den unterschiedlichsten Gründen viel zu wenig, was deshalb auch von den „Nebelkerzenwerfern“ so ausgenutzt werden kann. Durch neue Debatten, z.B. im Bundestag, werden bisher einseitig besetzte Themen, (z.B. EU/Euro-Problematik, Zuwanderung) durch bisher kleingehaltene Meinungsäußerungen,… Mehr

Anke
6 Jahre her

Bei Facebook ruft die Organisation Zukunft Heimat zum Demo am 3.02 auf
Habe das Video angesehen und nichts Rechtes oder Beleidigendes dabei gefunden , wie in der Presse berichten wurde

onkelfredi
6 Jahre her

Danach unbedingt Händedesinfektion!