Tichys Einblick
Linksradikale #wirsindmehr

Chemnitz: Musik als Mittel zum politischen Kampf

Chemnitz, immer wieder Chemnitz. Erst musste Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen abdanken, weil er die „Hetzjagden“ der Bundeskanzlerin nicht sehen wollte. Nun steht sein sächsischer Amtskollege unter Druck. Denn er hat etwas anderes gesehen: Extremisten dringen in die Mitte der Gesellschaft vor – allerdings nicht nur vom rechten Rand aus, sondern auch vom linken.

Matthias Rietschel/Getty Images

Man kann Gordian Meyer-Plath, dem Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz Sachsen, wirklich nicht vorwerfen, seine Behörde sei auf dem rechten Auge blind. Im jüngsten Verfassungsschutzbericht werden die Umtriebe der Rechtsextremisten im Freistaat auf 118 Seiten umfassend beschrieben. Gewarnt wird vor „Einsickerungsbemühungen“ von Neonazis in breitere, nicht-extremistische Kreise. Diese Strategie der Anschlusssuche an die Zivilgesellschaft werde bereits seit mehreren Jahren von der Szene vorangetrieben, heißt es in dem Bericht. „Vorläufiger Höhepunkt waren die Ereignisse in Chemnitz seit August 2018.“

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Was nach der tödlichen Messerattacke eines Asylbewerbers am 26. August 2018 geschah, zeichnen die sächsischen Verfassungsschützer minutiös nach. Von jenen „Hetzjagden“ auf Ausländer, die Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem 19-Sekunden-Video zu erkennen glaubte, ist in dem Bericht zwar nicht die Rede. Allerdings werden etliche Übergriffe von Rechtsextremisten im Zuge der Demonstrationen aufgelistet. Auch wie die Mobilisierung innerhalb der Szene (und darüber hinaus) ablief, beschreiben die Verfassungsschützer detailliert. Und sie schlagen Alarm: In Chemnitz kam es „zur teils offenen Verbindung zwischen neonationalsozialistisch-asylfeindlichem Spektrum und Teilen der asylkritischen, bürgerlichen Szene.“

Trotz dieser deutlichen, alles andere als verharmlosenden Beschreibungen ist Gordian Meyer-Plath nun erheblich unter Druck geraten. Nach Hans-Georg Maaßen, der das Bundesamt für Verfassungsschutz verlassen musste, weil er öffentlich an der Aussagekraft des „Menschenjagd“-Videos gezweifelt hatte, droht damit der nächste Verfassungsschutzpräsident über Chemnitz zu stolpern. Opposition und SPD-nahe Presse haben sich auf Meyer-Plath eingeschossen. Und statt ihm Rückendeckung zu geben, macht die CDU-Landesregierung einen Kotau vor den Haltungsjournalisten.

Der Grund für die Aufregung findet sich in einem anderen Kapitel des sächsischen Verfassungsschutzberichtes. Wieder geht es um Chemnitz, aber diesmal unter der Überschrift „Linksextremismus“. Es heißt dort zunächst nur:

„Konzert am 3. September 2018
Bei der Konzertveranstaltung unter dem Motto ‚#WIRSINDMEHR‘ mit ca. 65.000 Besuchern trat auch die linksextremistische Band FEINE SAHNE FISCHFILET aus Mecklenburg-Vorpommern auf. Im Publikum wurden Fahnen der Antifaschistischen Aktion und Banner der YPG gezeigt. Im Verlauf der Veranstaltung wurden u. a. die Parolen ‚Nazis raus!‘ und ‚Alerta, alerta, Antifaschista!‘ skandiert.“

Dieses kostenlose Großkonzert in Chemnitz war für einige Politiker von Linkspartei, Grünen und SPD eine willkommene Gelegenheit, zu zeigen, dass sie auf der richtigen Seite stehen. Auf der Seite der Migrationsbefürworter, die sich den Rechten mutig entgegenstellen. Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobte die Veranstaltung. Auch nachdem öffentlich die Teilnahme der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ kritisiert wurde, die Gewalt gegen Polizisten besingt, rückte der Sozialdemokrat nicht davon ab. Es gehe dem Bundespräsidenten darum, „Menschen zu ermutigen, die nach den aufwühlenden Ereignissen von Chemnitz für das Miteinander eintreten wollen und klar Stellung beziehen möchten gegen Fremdenhass und Gewalt“, sagte seine Sprecherin der „Welt“.

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Aber ist es eine gute Idee, für das Miteinander einzutreten, indem man erhebliche Teile der Gesellschaft ausgrenzt? Ist es gut, dass die Befürworter grenzenloser Migration eine Allianz bilden, die vom Schloss Bellevue bis zur Roten Flora reicht? Dass sie Gewalt gegen Ausländer (zu Recht!) scharf verurteilen, aber Gewalt gegen Polizisten oder rechte Politiker verharmlosen, beschweigen oder sogar rechtfertigen?

Das Großkonzert in Chemnitz war eine Machtdemonstration der Guten. Dass es nun im Verfassungsschutzbericht auftaucht, bestätigt diejenigen, die angesichts solcher Kundgebungen vor einer zunehmenden Polarisierung warnen. Und die darauf hinweisen, dass nicht nur Rechts-, sondern auch Linksextremisten ihre demokratiefeindlichen Ideen in die Mitte der Gesellschaft tragen.

Die Strategie der Einsickerung in bürgerliche Kreise, des gezielten Schulterschlusses mit Nicht-Extremisten, wird nämlich nicht nur auf der rechten Seite des politischen Spektrums verfolgt. Im Gegenteil: Die Rechtsextremisten haben sich dieses Vorgehen von Linksextremisten abgeschaut. Die Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg wurden auch durch eine breite Unterstützung der Proteste durch Parteien, Gewerkschaften und Kirchen ermöglicht. Linksradikale Zentren wie die Rote Flora gibt es in vielen deutschen Städten. Sie dienen gewaltbereiten Autonomen als Rückzugsort und Rekrutierungsstätte. Doch von den Kommunen werden diese Zentren meist nicht nur geduldet, sondern auch noch finanziert.

Die wichtigste Schützenhilfe erhalten Linksextremisten allerdings nicht aus der Politik, sondern von den Medien. Das Verschweigen oder Herunterspielen linksextremistischer Gefahren hat unter Haltungsjournalisten Tradition. Genauso zuverlässig blasen sie zum Gegenangriff, sobald jemand diese Gefahren benennt. Das bekam der sächsische Verfassungsschutzpräsident Gordian Meyer-Plath nun deutlich zu spüren. Die Leipziger Volkszeitung, Teil des SPD-freundlichen Redaktionsnetzwerks Deutschland, versuchte, aus der Erwähnung des „Wirsindmehr“-Konzerts in Chemnitz einen Skandal zu machen. CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer sah sich daraufhin zu einer kleinlauten Distanzierung veranlasst. „Die fünf Zeilen im Verfassungsschutzbericht bewerten weder Veranstaltung noch Veranstalter“, entschuldigte er sich auf Twitter.

Auch Innenminister Roland Wöller (ebenfalls CDU) musste Buße tun. Er gelobte öffentlich: „Es war wichtig, ein klares Zeichen gegen #Rechtsextremismus in Chemnitz, in #Sachsen, wie insgesamt in #Deutschland zu setzen. Ich danke den vielen Tausend Besuchern, die an diesem Tag in Chemnitz #Haltung gezeigt haben!“ Der pauschale Vorwurf, das Konzert und die Besucher seien linksextremistisch, sei falsch.

Diesen Pauschalvorwurf hat das ihm unterstellte Landesamt für Verfassungsschutz allerdings auch nie erhoben. Er wurde von der Leipziger Volkszeitung in den Behördenbericht hineininterpretiert. Geholfen hätte es, nicht nur die bereits zitierten fünf Zeilen zu lesen, die auch Ministerpräsident Kretschmer in seiner Twitternachricht erwähnt, sondern weiter nach hinten zu blättern. Denn dort taucht das Konzert erneut auf. Im Unterkapitel „Linksextremistische Musikszene“ unter der Überschrift „Musik als Mittel zum politischen Kampf“.

Der sächsische Verfassungsschutz stellt dort zunächst nüchtern fest:
„Während rechtsextremistische Musikveranstaltungen und deren Akteure gesellschaftlich geächtet und deshalb szeneinterne Veranstaltungen sind, müssen linksextremistische Musikgruppen weniger mit gesellschaftlicher Ausgrenzung rechnen. Häufig finden Musikveranstaltungen mit aktiver Beteiligung von Linksextremisten – ob als auftretende Künstler oder als Veranstalter – in öffentlichen Einrichtungen statt oder werden als große Musikfestivals unter freiem Himmel durchgeführt. Linksextremistischen Musikgruppen bietet sich damit die Möglichkeit, öffentliche nichtextremistische Veranstaltungen für die Vermittlung ihrer politischen Ideen zu nutzen, sich dort zu präsentieren und gesellschaftliche Akzeptanz zu finden, um schließlich im Kontext ihrer extremistischen Ideologie auf Nichtextremisten einzuwirken.“

Als Beispiel wird dann die von Bundespräsident Steinmeier beworbene und von sächsischen CDU-Ministern verteidigte Großveranstaltung in Chemnitz genannt:

„Exemplarisch dafür stehen die Auftritte der Band ONE STEP AHEAD aus Limbach-Oberfrohna am 21. April 2018 während der Aktion ‚Rechts rockt nicht‘ in Ostritz, an der 700 Personen teilnahmen und der Band FEINE SAHNE FISCHFILET aus Mecklenburg-Vorpommern bei der Veranstaltung ‚Wir sind mehr‘ am 3. September in Chemnitz vor 64.000 ganz überwiegend nichtextremistischen Zuschauern.“ (Hervorhebung durch T.E.)

Die Behörde, deren Aufgabe es ist, Politik und Öffentlichkeit über verdeckte Angriffe auf unsere Demokratie zu informieren, hat das Konzert als solches also keinesfalls als linksextrem eingestuft, sondern lediglich vor einer Instrumentalisierung durch einzelne Extremisten gewarnt. Weiter heißt es in dem Bericht:

„Sowohl in Redebeiträgen als auch im Rahmen des Auftritts der Band FEINE SAHNE FISCHFILET wurde das Publikum erfolgreich mit ‚Alerta, alerta Antifascista!‘-Rufen zu ähnlichen Rufen animiert. Die Musikgruppe K.I.Z. aus Berlin dankte in ihrer Moderation der Chemnitzer Antifa und dem Schwarzen Block dafür, dass sie in der Vergangenheit die ‚Arbeit der Polizei‘ übernommen hätten. Die von K.I.Z. im Verlauf ihres Auftrittes dargebotenen Lieder beinhalteten zahlreiche gewaltverherrlichende Passagen, wie die Textzeile ‚Ich ramm die Messerklinge in die Journalisten-Fresse‘. (…) Vor allem die Zuschauerzahlen bestätigen, dass linksextremistische Interpreten bei solchen Veranstaltungen eine immense Breitenwirkung erzielen können.“

"Hetzjagd", dringend gesucht und gewollt
Die Wahrheit über Chemnitz ist nicht aufzuhalten
Die Bluttat von Chemnitz und ihre politisch-medialen Nachwirkungen zeigen wie unter einem Brennglas, wohin unsere Republik zu steuern droht. Die Weigerung der Bundesregierung, konsequent gegen unkontrollierte Migration vorzugehen, führt auf der rechten Seite des politischen Spektrums zu einer gefährlichen Radikalisierung. Bürger, die eine Begrenzung der Zuwanderung und – das ist ihr gutes demokratisches Recht – den Rücktritt der Bundeskanzlerin fordern, gehen gemeinsam mit völkischen Nationalisten auf die Straße, die von einem reinrassigen Führerstaat träumen. Auf der linken Seite wiederum verbünden sich im „Kampf gegen Rechts“ Demokraten mit gewaltbereiten Autonomen, die unter dem Banner des Antifaschismus Parlamente und Marktwirtschaft abschaffen wollen. Sie kämpfen, je nach ideologischer Ausrichtung, für Anarchie oder die Diktatur des Proletariats.

Doch anders als die rechten Allianzen können sich die linken Bündnisse einer breiten Unterstützung durch Politik und Medien sicher sein. Das wiederum führt zu Ohnmachtsgefühlen und wachsender Wut bürgerlicher Migrationskritiker. Ein Teufelskreis der Radikalisierung beginnt. Das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie und den freiheitlichen Rechtsstaat geht verloren. Und genau das ist das gemeinsame Ziel der Extremisten, rechts wie links. Sie wollen Weimar 2.0.

Eine Entwicklung, vor der bereits zu Beginn der Flüchtlingskrise ein „mit Sicherheitsfragen vertrauter Spitzenbeamter“ laut „Welt am Sonntag“ warnte. „Der hohe Zuzug von Menschen aus anderen Weltteilen wird zur Instabilität unseres Landes führen“, zitierte die Zeitung im Oktober 2015 den anonymen Staatsdiener. „Wir produzieren durch diese Zuwanderung Extremisten, die bürgerliche Mitte radikalisiert sich, weil sie diese Zuwanderung mehrheitlich nicht will und ihr dies von der politischen Elite aufgezwungen wird. Wir werden eine Abkehr vieler Menschen von diesem Verfassungsstaat erleben.“

Diese düstere Prophezeiung hat sich inzwischen bewahrheitet. Allerdings ist ihr Urheber womöglich nicht mehr ihm Amt. Denn in Berlin wird gemunkelt, der anonyme Spitzenbeamte könnte Hans-Georg Maaßen gewesen sein.


Von Sebastian Ludwig