Für jeden ist eine andere Ernährung gesund

Schweinemäster wissen: Auch wenn alle Tiere das gleiche Futter bekommen, entwickeln sie sich unterschiedlich. Das gilt auch für den Menschen, weshalb Tipps für eine gesunde Ernährung völlig sinnlos sind. Es gibt mindestens drei genetische Typen, die sich unterschiedlich ernähren sollten.

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Was lehrt uns der Schweinestall? Er führt vor, woran es medizinischen Tipps für eine gesunde Ernährung mangelt. Ordert ein Mäster neue Ferkel, werden ihm heute Tiere geliefert, die genetisch fast identisch sind. Sie erhalten allesamt das gleiche Futter, und sie leben während der gesamten Mastperiode in der gleichen Umwelt. Gleichwohl gibt es Unterschiede.

So sind die Gewichtszunahmen von Tier zu Tier sehr unterschiedlich. Selbst in standardisierten Mastleistungsprüfungen erreichen die ersten Schweine drei Wochen vor den letzten das Schlachtgewicht. Die Speckdicke am Rücken schwankt gar um den Faktor drei. Offensichtlich lässt sich das Mästen nicht programmieren.

Im Gegensatz zur fixen Ration für Schweine speist jeder Mensch sogar etwas anderes, lebt in einer anderen Umwelt, übt eine andere Tätigkeit aus und nutzt seine Freizeit nach Gusto. Und vor allem: Wir sind keine Klone, wir sind durchweg Promenadenmischungen – und da wollen Mediziner vorhersagen, welche Ernährung für den Menschen „gesund“ ist?

Ein aufmerksamer Blick in den Stall, und sie würden sich wohlfeile Tipps verkneifen, wie Fettpölsterchen „gezielt abzuschmelzen“ seien. Sonst drehen ihnen die Mastschweine noch einen langen Rüssel, weil ihre Speckschwarte die Phrase von Diät und Sport als zuverlässiges Allheilmittel ad absurdum führt.

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Bei der Ernährung des Menschen lassen sich mindestens drei genetische Typen unterscheiden, die ganz unterschiedliche Ansprüche an ihre Nahrung stellen: Nennen wir sie der Einfachheit halber „Nomaden“, „Jäger und Sammler“ und „Ackerbauern“.

Nomaden leben vom Fleisch, vom Blut und der Milch ihrer Herden. Pflanzenkost ist ihre Sache nicht, denn Pflanzen bilden gegen Fraßfeinde Abwehrstoffe, deren Aufgabe darin besteht, naschhaften Naturen den Appetit zu verderben und sie an der Verwertung der Nährstoffe zu hindern. Der Abwehr von Schädlingen dienen viele Substanzen, die gemeinhin als „gesund“ umworben werden, wie Resveratrol im Wein, die Gallocatechine in Schwarztee oder Tangeretin in Orangen.

Um sie unschädlich zu machen, verfügt der Mensch über spezielle Entgiftungsenzyme, die sogenannten Sulfotransferasen. Diesen Enzymen obliegt in erster Linie eine andere Aufgabe: Sie sollen die Stresshormone abbauen, wenn der ganze Stress vorüber und Entspannung angesagt ist. Wer artig Rohkost speist und nur über wenig Sulfotransferasen verfügt, dessen Stresshormone steigen so lange weiter an, bis alle sekundären Pflanzenstoffe entgiftet sind. Dauerhaft hohe Stresshormonpegel verursachen das metabolische Syndrom, also Herzprobleme und Diabetes.

Würde man also Nomaden „gesundes“ Gemüse und Kräutertee kredenzen, würden auf Dauer viele davon krank. Wohl nicht zufällig leiden heute überdurchschnittlich viele Nachfahren der Eskimos, aber auch der Indianer durch eine „westliche“ Kost, die entgegen ihrer Veranlagung relativ viel Gemüse, Fruchterzeugnisse und Kohlenhydrate enthält, an Diabetes und Herzinfarkt.

Polyphenolhaltiges wie Schokolade oder Rotwein verhindert bei einem Mangel an Sulfotransferasen den Abbau des körpereigenen Dopamins – daraus entsteht das Stresshormon Adrenalin. Dann kann es durch zwei Gläschen Rotwein bis auf das 50-Fache des Ausgangswerts steigen. Die unmittelbare Folge sind Kopfschmerzen und Migräne. Menschen, die mit einer Nomadengenetik auf die Welt kamen – und davon gibt es in unserer Gesellschaft nicht wenige –, brauchen vor allem tierische Kost mit reichlich Fett, um gesund und munter zu bleiben. Der Volksmund bezeichnet sie manchmal als „Fleischkatzen“.

Gut kommen die Nachfahren von Jäger­und­Sammlervölkern mit pflanzlicher Kost zurecht – jene aßen auch Pflanzliches und verfügten demnach über deutlich mehr Sulfotransferasen. Da die Pflanzenwelt eine schier unbegrenzte Zahl von Abwehrstoffen zu bieten hat, begegnet die Tierwelt dieser Herausforderung durch ständig wechselnde Kombinationen von Entgiftungsenzymen. Das aber hat zur Folge, dass jedes Individuum mit anderen Stoffkombinationen zurechtkommt. Deshalb unterscheiden sich die Vorlieben bei Gemüse und Obst von Mensch zu Mensch ganz erheblich.

Allerdings fehlt den Jägern und Sammlern die Anpassung an stärkereiche Kost wie Getreide. Diese etablierte sich erst im Laufe der Sesshaftwerdung mit dem Ackerbau. Menschen dieser Genetik verfügen beispielsweise über eine erhöhte Produktion von stärkespaltenden Amylasen. Dadurch bleibt ihr Blutzucker auch bei einer hohen Fracht an Kohlenhydraten unter Kontrolle. Man erkennt den Typus, dem diese Anpassung fehlt, daran, dass er die Wurst auch ohne Brot isst.

KINDERERNÄHRUNG
Kindermund tut Wahrheit kund
Aus den beträchtlichen Unterschieden ergibt sich eine grundsätzliche Erkenntnis: Die üblichen pauschalen Empfehlungen sind stets für die Mehrheit der Menschen von Schaden. Nichts anderes gilt für den Sport. Schon der Augenschein zeigt, dass manche Menschen gut bemuskelt sind, als Kinder toben sie gern, sie leben ihre Kräfte aus, die sie dadurch von Mal zu Mal stärken. Sie brauchen eine ihnen gemäße Bewegung, um ausgeglichen zu sein, um Stress abzubauen. Dies ist genauso förderlich für Leib und Seele wie bei Tisch die Leibspeisen oder der morgendliche Kaffee.

Andere Menschen sind schwach bemuskelt. Da helfen auch Leibesübungen nichts, in der Schule fallen sie vom Reck, selbst wenn links und rechts zwei kräftige Jungs zum Aufpassen danebenstehen. Diese Kinder verletzen sich leicht, viele werden durch den ganzen Stress, durch die Angst, die sie dabei empfinden, erst recht moppelig. Ihnen schadet der Körperkult.

Jeder Mensch hat andere Anlagen und Befähigungen. Manche sind eben in Mathe oder Musik besser als im Turnen. Und leider scheinen körperliche und geistige Fähigkeiten nicht immer in einer Person in gleicher Weise präsent zu sein. Der Spruch vom gesunden Geist in einem gesunden Körper zeigt treffend, woran es den Zitierenden mangelt. Er stammt vom römischen Dichter Juvenal. Allerdings meinte er sinngemäß etwas anderes, als bildungsferne Sportmediziner glauben. Bei Juvenal heißt es nämlich sinngemäß: Herr, wirf Hirn vom Himmel, damit in einen sportlichen Körper endlich auch Verstand einziehe.


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Kommentare ( 11 )

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Vinyl-Dealer
4 Jahre her

Pollmer: „… durch eine „westliche“ Kost, die … relativ viel Gemüse, Fruchterzeugnisse und Kohlenhydrate enthält ….“.
Hmm, also dass die „westliche“ Kost viel Gemüse und Fruchterzeugnisse -wir klammern hier einmal die industruiell häufig eingesetzte isolierte Fructose aus- enthält, ist mir neu. Ein Blick in die Einkaufswägen anderer Leute reicht mir. Oder ich lebe in einer anderen „westlichen“ Welt als Herr Pollmer.
Erinnert ein wenig an seine Aussage in einem seiner vorangegangenen Artikel, dass Mittelmeerkost Pasta und Pizza bedeute. Ich hatte unter Mittelmeerkost immer Gemüse, Olivenöl und Fisch verstanden, aber anscheinend gibt es wohl zwei Mittelmeere.

Andreas aus E.
4 Jahre her

Die nächste Sau, die durchs Ernährungsberaterdorf getrieben wird, sollte also von Nomaden verspeist werden. Fragt sich nur: roh oder gegart?

Evelyn Beatrice Hall
4 Jahre her

Ein interessanter Artikel. Daß nicht für alle dasselbe gut ist, leuchtet unmittelbar ein. Die Menschen sind eben verschieden. Interessieren würde mich aber, ob man sich gewisses Essen „antrainieren“ kann. So sind meines Wissens die meisten Inder Vegetarier. Warum sind die genetisch in dieser Hinsicht alle gleich? Oder haben die sich das vegetarische Essen in der Entwicklung ihrer Kultur „antrainiert“? Oder habe ich da grundsätzlich etwas falsch verstanden.

kasimir
4 Jahre her
Antworten an  Evelyn Beatrice Hall

Natürlich kann man sich das Essen fremder Kulturen „antrainieren“, manchmal muß man es ja sogar, wenn man beispielsweise die Zutaten zum Kochen sonst nicht vor Ort hätte. Habe kürzlich ein interessantes Buch einer Japanerin gelesen, die mit Anfang 20 zum Studium in die USA gegangen ist. Dann hat sie dort noch einen Amerikaner kennengelernt, geheiratet und ist dort geblieben. Jedes Jahr ist sie zu Besuch nach Japan geflogen, um ihre Familie zu sehen. Die haben sich total erschrocken, weil sie jedes Mal wenn sie sich getroffen hatten 5kg mehr auf den Hüften hatte, und das Jahr für Jahr. Das ging… Mehr

gast
4 Jahre her

So ist es und es kann jeder selbst beobachten. Und dabei ist es noch differenzierter. Z.B. ist Fett nicht gleich Fett. Ein Stück Sahnetorte esse ich nur, wenn es die Höflichkeit gebietet, denn es bekommt mir nicht. Dagegen hat mich eine Metzgereiverkäuferin mal gefragt, was ich denn nur mit dem vielen geräucherten Speck mache, den ich immer kaufe. Auch den gesunden Geist im gesunden Körper hat unser Sportlehrer schon damals richtig interpretiert. Er war aber gleichzeitig auch Lateinlehrer.

kasimir
4 Jahre her
Antworten an  gast

So halte ich es auch. Eine sogenannte Low-Carb-Ernährung: viel Fett- pflanzliches und tierisches-, Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Obst und Gemüse. Wenig Zucker, fast kein weißes Mehl, außer vielleicht einmal im Quartal ’ne Pizza. Und zu Geburtstagen auch mal ein Stück Kuchen. Aber irgendwie schmeckt mir Zucker nicht mehr.
Ich fühle mich wohl damit und vermisse nichts. Eine Freundin von mir ist seit Jahren Low-Fat, das würde mich nicht satt und auch nicht froh machen…..

MarkusF
4 Jahre her

Besonders gesund soll die Ernährung auf den griechischen Inseln sein. Kaum irgend wo auf der Welt erreichen mehr Menschen ein so hohes Alter wie dort. Das habe ich in mehreren Reiseführern und Broschüren gelesen als ich damals dort im Urlaub war.

Später, im rahmen der Eurokrise und der von den Geldgebern erzwungenen Durchforstung der Akten zu den Rentenempfängern hat man festgestellt das dort noch viele längst Verstorbene gemeldet ware um deren Renten zu kassieren.

Der Zusammenhang mag zufällig sein. Was würde aber eine erneute Datenerhebung bzgl. Ernährung und tatsächlichen Höchstalter der Inselbewohner ans Licht bringen?

Polit-Legastheniker
4 Jahre her

Ah, plötzlich – man versucht Amerika das zweite Mal zu entdecken. In den amerikanischen Fachzeitschriften versucht man das in den letzten Monaten als ein Hype zu feiern. Es eröffnet sich schon wieder ein Markt für eine individuelle Beratungswelle. Dabei ist es das Meiste einfach geklaut und mit „Wissenschaft“garniert. Traditionelle chinesische Medizin spezifiziert und passt massgeschneidert die Ernährung an den entsprechenden Menschentyp seit 2 Tausend Jahren mit Erfolg. Die Aufgabe der Kaiserhof-Ärzte war es eine Ernährung des Keisers so zu überwachen, das der Kaiser nicht krank wurde. Würde er dennoch krank, musste der Arzt um seinen Kopf bangen. (Berufshaftpflicht gab es… Mehr

WB
4 Jahre her

Lesen Sie den 11. Absatz noch einmal, dort kommt derAckerbauer vor.

W aus der Diaspora
4 Jahre her

Ich höre im Normalfall auf meinen Körper, durch das worauf ich Appetit habe sagt er mir schon was ich brauche. Dabei bemühe ich mich um abwechslungsreiches Essen. Und wenn ich zu oft Appetit auf was Süßes hab, dann sag ich auch mal nein zu mir 🙂

Jasmin
4 Jahre her
Antworten an  W aus der Diaspora

W aus Diaspora
Den „Zuckerjeeper,“ wenn er denn außer Kontrolle gerät, gehe ich mit Bittersterntropfen an. Funktioniert bei mir gut. Ansonsten sehe ich es wie Sie. Der Körper sagt, was er braucht.