Wie der sich zierende Joachim Gauck sich zu einer zweiten Amtszeit bewegen ließe

Spitzenpolitiker der Regierungsparteien versuchen einem Zeitungsbericht zufolge derzeit in vertraulichen Gesprächen, Bundespräsident Joachim Gauck zu einer zweiten Amtszeit zu bewegen. Durch eine „italienische Lösung“, also den Rückzug nach der Hälfte der neuen Amtszeit, so die „Frankfurter Rundschau“. Dazu Hugo Müller-Voggs hier schon einmal präsentierte Lösung

Formal spielt es gar keine Rolle, ob Gauck sich im Spätsommer, Frühwinter oder an Weihnachten entscheidet. Laut Gesetz kann jedes der 1.260 Mitglieder der Bundesversammlung noch am Wahltag selbst einen Vorschlag machen.

In der Politik geschieht zwar oft Ungeplantes, völlig Unvorhersehbares. Aber dieses Datum steht bereits seit langem fest: 12. Februar 2017. An diesem Tag wählt die Bundesversammlung einen Bundespräsidenten. Es könnte eine recht kurz Veranstaltung werden: Falls Joachim Gauck noch einmal antritt, wird er gewählt – im ersten Wahlgang und mit großer Mehrheit. Denn angesichts der unklaren Mehrheitsverhältnisse wären CDU/CSU und SPD froh, sie könnten diese Personalie schmerzlos hinter sich bringen. Auch Grüne und FDP würden Gauck mitwählen. Das wäre für alle Parteien vorteilhaft: Sieben Monate vor der Bundestagswahl gäbe es bei dieser Konstellation nur Gewinner – und keine Verlierer.

Es könnte also alles ganz einfach sein. Aber Joachim Gauck ziert sich. Seit Monaten wird in Berlin die Frage diskutiert, ob er noch einmal antritt oder nicht. Schließlich ist der formal erste Mann im Staat bereits 76 Jahre alt. Am Ende einer zweiten Amtszeit wäre er demnach 82. Da ist es legitim, darüber nachzudenken, ob er sich die Strapazen des Amtes noch länger antun will. Noch ein Grund spricht gegen eine Wiederwahl: Gauck ist ein beliebter Präsident, mischt sich ein, verkörpert geradezu die dem Staatsoberhaupt zugeschriebene Rolle des „weltlichen Oberpriesters“ (Hans-Peter Schwarz). Er weiß aber auch: Die zweite Amtszeit verläuft immer glanzloser als die erste. Da ist der Reiz des Neuen verblasst. Das war selbst bei Richard von Weizsäcker so, dem idealen Ersatzkönig der Deutschen.

Das alles weiß Gauck. Aber er ziert sich. Ja er kokettiert geradezu mit der Frage „Wiederwahl oder Ruhestand“? Offensichtlich genießt er es, dass die Parteistrategen rätseln müssen und nicht wissen, ob die Präsidentenwahl eine Formalie wird oder eine Art „Showdown“ mit Blick auf die Bundestagswahl. „Rechtzeitig“ hatte Gauck sich entscheiden wollen. Doch er hält die Spannung hoch. Dass er nochmals antrete, sei „nicht völlig auszuschließen“, beschied er jetzt dem Deutschlandfunk. Und fügte hinzu: „Und es scheinen sich ja eine Menge Leute dafür zu interessieren. Deshalb habe ich Ihre Frage auch erwartet. Lassen Sie uns mal den Frühsommer kommen und dann werde ich mich entschieden haben und werde das auch dann öffentlich kundtun.“

Sommer ist, wenn Gauck sagt, es ist Sommer

Frühsommer? Der kalendarische Sommerbeginn ist der 21. Juni. Demnach wären die ersten Sommerwochen der Frühsommer und die Zeit der Entscheidung. Dem Phänologischen Kalender zufolge kann es aber auch etwas früher oder später sein, nämlich dann, wenn Gräser, Wiesen-Fuchsschwanz, Schwarzer Holunder, Weißdorn, Wald-Geißbart und Türkischer Mohn blühen, wenn die Heuernte ansteht und die Allergiker unter Heuschnupfen so richtig leiden. Gauck könnte sich demnach – je nach Wetterlage – schon vor dem 21. Juni erklären oder auch später.

Könnte es vielleicht sein, dass Joachim Gauck zögert, weil der Ruf nach einer zweiten Amtszeit noch nicht laut genug ertönt ist? Wünscht der Herr Bundespräsident noch mehr Zeichen der Zuneigung von Seiten der Politik? Daran sollte seine Wiederwahl nicht scheitern. Deshalb hier mein Zehn-Punkte-Plan für die Kampagne „Deutschland braucht Gauck“:

1. Die Parteivorstände von CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne sprechen sich in getrennten Sitzungen für eine Wiederwahl Gaucks aus.

2. Die Bundestagsfraktionen dieser Parteien tun dasselbe.

3. CDU/CSU, SPD und Grüne verabschieden im Bundestag eine Resolution, in der das Staatsoberhaupt gebeten wird, das Land in dieser schwierigen Lage nicht im Stich zu lassen.

4. Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeber, Unternehmer, Kulturschaffende, die Arbeiterwohlfahrt und der Deutsche Fußball-Bund begrüßen diesen Beschluss des Bundestags und verabschieden ähnliche Resolutionen.

5. Um den Bundespräsidenten nicht ungebührlich unter Druck zu setzen, beruft der Bundestag eine Enquete-Kommission. Ihr Auftrag: vorsorglich zu prüfen, ob man nicht auch die Monate September/Oktober noch zum „Frühsommer“ zählen könnte.

6. CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP vereinbaren, keinerlei Beschlüsse zu fassen, die sich mit den Konsequenzen einer Nicht-Kandidatur Gaucks beschäftigen.

7. Zwischen ARD und ZDF wird vereinbart, dass von den fünf Talkrunden „Anne Will“, „Maybritt Illner“, „Maischberger“, „Hart aber fair“ und „Presseclub“ sich jede Woche mindestens zwei mit dem Thema „Deutschland braucht Gauck“ befassen.

8. Auf örtlicher Ebene sammeln Bürgerinitiativen „Deutschland braucht Gauck“ Unterschriften für einen offenen Brief an den Bundespräsidenten, in dem an diesen appelliert wird, abermals zu kandidieren: „Herr Bundespräsident, was soll ohne sie aus Deutschland werden?“

9. Am letzten Spieltag der Bundesliga singen die Fans in allen Stadien von 15:20 bis 15:29 Uhr ununterbrochen: „Ole, ole, ole, ole – wir wollen Gauck, ole“.

10. Sollte der Bundespräsident bis Ende Mai sein Ja-Wort noch nicht gegeben haben, finden vom 6. Juni an in allen Städten Montagsdemonstrationen unter dem Motto „Deutschland braucht Gauck“ statt.

Was aber, wenn der „Frühsommer“ vorbei ist, und aus dem Schloss Bellevue ist noch immer kein weißer Rauch aufgestiegen, wenn Schwarzer Holunder und Türkischer Mohn verblüht sind, ohne dass der Amtsinhaber sich entschieden hätte? Tja, dann gilt der alte Satz „Die Hoffnung stirbt zuletzt“. Falls Deutschlands ungekrönter König eben noch etwas länger braucht, um Für und Wider abzuwägen, dann heißt es eben warten, warten, warten – und hoffen, bangen, beten. Denn nichts wäre schlimmer, als würde Joachim Gauck nur deshalb nicht wieder kandidieren, weil er sich zu sehr unter Druck gesetzt fühlt.

Im Übrigen spielt es formal gar keine Rolle, ob Gauck sich im Spätsommer, Frühwinter oder an Weihnachten entscheidet. Laut Gesetz kann jedes der 1.260 Mitglieder der Bundesversammlung noch am Wahltag selbst einen Vorschlag machen. Denkbar wäre auch eine Prozession der schwarzen, roten, grünen und gelben Wahlmänner und –frauen am 12. Februar 2017 zum Schloss Bellevue, um dort dem Hausherrn die Kandidatur anzutragen. Sagt er – ebenso gütig wie demütig – zu, könnten ihn die Mitglieder zur Bundesversammlung in den Reichstag eskortieren, um ihn dort zu küren und anschließend zu wählen beziehungsweise zu krönen. Dann wird die Nationalhymne gesungen – und anschließend „Großer Gauck, wir loben Dich.“

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