Klimaschutz: Selbstmord aus Angst vor dem Tod

Die Idee ist es, erst gar kein Haus zu bauen, denn dann kann es auch nicht in Flammen aufgehen.

Bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion, zu der ich als Quoten-Klimaskeptiker geladen war, fragte mich eine Dame aus dem Publikum sinngemäß, was denn geschehen müsse, damit ich meine Meinung ändere. Die von ihr erwartete Antwort, dies hinge von den künftigen klimatischen Entwicklungen ab, vermochte ich aber nicht zu geben. Natürlich gibt es Lücken im Kenntnisstand über die Physik der Atmosphäre und diese sind bei weitem nicht die einzigen Gründe für Zweifel an den Katastrophenszenarien einer sich unerträglich erwärmenden Erde. Aber ich hadere mit der gegenwärtigen Klimapolitik, weil sie sich gerade nicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützt, sondern auf eine politische Handlungsmaxime.

Die Annahmen sind politisch, nicht wissenschaftlich

Sicher, bei der heute beginnenden 21. Ausgabe der UN-Klimakonferenzen in Paris wird man nicht nur in politischen Stellungnahmen, sondern auch in kommentierenden Beiträgen in fast allen Medien das genaue Gegenteil lesen können. Klimaschutz im Sinne einer Dekarbonisierung der Weltwirtschaft sei zur Abwehr einer wissenschaftlich nachgewiesenen Gefahr für die menschliche Zivilisation das Gebot der Stunde, lautet das Mantra. Von der Schwierigkeit abgesehen, etwas „wissenschaftlich“ zu belegen, was noch gar nicht stattgefunden hat, offenbart dies vor allem die Doppelzüngigkeit der hiesigen Politik bei der Instrumentalisierung naturwissenschaftlicher Forschung.

Gentechnisch optimierte Nahrungsmittel beispielsweise existieren seit Jahrzehnten auf diesem Planeten und sind direkt oder über den Umweg als Tierfutter Teil der Nahrungskette von Milliarden Menschen außerhalb Europas. Gestorben oder auch nur erkrankt ist deswegen noch niemand. Ganz im Gegenteil konnten trotz intensiver Suche in einer unüberschaubaren Vielzahl wissenschaftlicher Studien keinerlei mit dem Verzehr genetisch manipulierter Pflanzen oder Tiere verbundene Risiken identifiziert werden. Ein zweites aktuelles Thema ist die Bergbautechnologie des „Hydraulic Fracturing“ oder kurz Fracking. Auch hier sind die wissenschaftlichen Belege überwältigend: Alle in der Öffentlichkeit diskutierten potentiellen Gefährdungen können in das Reich der Phantasie verwiesen werden. Wer sich als Politiker auf die Forschung beruft, hätte daher sowohl für die Grüne Gentechnik als auch für das Fracking einen gesetzlichen Rahmen zu gestalten, in dem diese Verfahren zugelassen werden können.

Stattdessen verbietet man das eine und belegt das andere mit einem Moratorium, dessen Ende noch nicht absehbar ist. Die Politik orientiert sich nicht an der Wissenschaft, sondern am Vorsorgeprinzip.

Zu Papier gebracht wurde dieses Konzept erstmals in folgender Formulierung in der abschließenden Deklaration (Artikel 15) der UN-Umweltkonferenz des Jahres 1992 in Rio de Janeiro („Earth Summit“):

„Where there are threats of serious or irreversible damage, lack of full scientific certainty shall not be used as a reason for postponing cost-effective measures to prevent environmental degradation.“

Dies ist mittlerweile nicht mehr nur die ideologische Basis der Umwelt- und Klimapolitik. Der Ansatz wurde auf nahezu alle anderen Politikfelder ausgedehnt. Solange nur ein potentieller Schaden als hoch genug angesehen wird, ist jede Maßnahme zu dessen Vermeidung gerechtfertigt. Und was ein ernsthafter oder irreversibler Schaden ist, kann beliebig definiert werden, ohne durch einen Mangel an wissenschaftlicher Sicherheit gestört zu werden. Auch ökonomische Fragen spielen keine Rolle mehr. Denn gegenüber einem Weltuntergang oder auch nur einem höherem Sterberisiko sind alle Ausgaben automatisch „cost-effective“. Letztendlich genügt die aus dem Vorsorgeprinzip abgeleitete Formulierung „solange nicht jedes Risiko zweifelsfrei ausgeschlossen ist“ als Begründung jeder fortschrittsfeindlichen Regulierung.

Im Ergebnis fortschrittsfeindlich

Mitunter kann sogar gegen alle Evidenz argumentiert werden, wie die Beispiele Fracking und Gentechnik zeigen. Es bedarf lediglich einer mit dem Etikett „wissenschaftlich“ versehenen Studie, die Restrisiken betont. In der staatlich finanzierten Grundlagenforschung findet sich zu jedem beliebigen Thema ein williger Verfasser solcher Untersuchungen. Dankbar greifen die Massenmedien schlechte Nachrichten auf und geben dem latenten Protestpotential der Bevölkerung ein Thema und ein Ziel. Was wiederum der Politik aktivistisches Handeln ermöglicht, das neben einer Ausweitung von Bürokratie auch der Bindung von Wählern dient. Einmal in Gang gesetzt ist diese Spirale vor allem eine Gelddruckmaschine, aus der sich Forschungseinrichtungen, NGO’s, bestimmte Wirtschaftsbranchen (man denke an Wind- und Solarenergie), Medien und die öffentliche Verwaltung freimütig bedienen können. In Paris versammeln sich mehr als 25.000 solcher Profiteure von Zukunftsängsten, die mithilfe des Vorsorgeprinzips konstruiert wurden.

Gentechnik könnte uns alle krank machen? Verbieten! Kernkraftwerke könnten uns alle verstrahlen? Verbieten! Fracking könnte uns alle vergiften? Verbieten! Wegen der Klimakatastrophe könnten wir alle wahlweise ersaufen oder verdursten? Dekarbonisieren! Gleich was es kostet, gleich welche Gefahren heute dadurch drohen, gleich welche Entwicklungschancen wir uns und unseren Nachkommen dadurch verbauen: die Minimierung potentieller Zukunftsrisiken geht vor.

Obwohl häufig kolportiert, entspricht dies nicht unserem Alltagsverständnis von Vorsorge. Klimaschutz ist das genaue Gegenteil einer Versicherung. Letztere minimiert keine Risiken, sie schützt vor Gefahren – und das ist ein sehr wesentlicher Unterschied.

Reduziert eine Lebensversicherung das Todesrisiko? Schützen eine Feuerversicherung vor dem Feuer oder eine Diebstahlversicherung vor dem Einbruch? Nein, was man im allgemeinen Sprachgebrauch unter „Vorsorge“ versteht, schützt nicht vor einem negativen Ereignis, es mindert nur dessen Folgen. Man schnallt sich nicht an, weil man einen Unfall haben wird, sondern weil man ihn haben könnte. Tatsächlich sind Airbags für fast alle Autofahrer fast immer völlig sinnlos. Sie vermeiden keine Kollisionen und reduzieren auch nicht deren Eintrittswahrscheinlichkeit. Sie helfen nur dann, wenn ein Aufprall wirklich stattfindet.

Die als Klimaschutz verstandene Dekarbonisierung der Weltwirtschft zielt nicht darauf, sich auf potentielle Folgen gefährlicher Klimaveränderungen mittels einer Versicherung, mittels – metaphorisch gesprochen – Airbags und Sicherheitsgurten einzustellen. Es geht darum, einen Unfall zu vermeiden, in dem man das Auto gar nicht erst verwendet. Es geht nicht um den Einbau von Sprinkleranlagen und Rauchmeldern, um die Folgen eines Brandes zu minimieren. Die Idee ist es, erst gar kein Haus zu bauen, denn dann kann es auch nicht in Flammen aufgehen. Es geht in Paris nicht um eine Lebensversicherung, sondern um Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

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