GroKo-Minister verzichten – auf ein Zeichen der Solidarität

Im „Zeichen setzen“ sind deutsche Regierungspolitiker sonst ganz groß. Doch wenn es sie persönlich etwas kostet, dann offenbar doch nicht mehr. 

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Die Kollegen der österreichischen Bundesregierung machen es vor. Die Minister in Wien werden angesichts Tausender Arbeitsloser und Kurzarbeiter wegen der Coronakrise je ein Netto-Monatsgehalt für wohltätige Zwecke spenden. Als „Zeichen des Zusammenhalts“, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte. Die Bild hatte nun in Berlin nachgefragt, ob das denn auch für die GroKo in Frage käme. Antwort eines Sprechers: „In der Bundesregierung gibt es derzeit kein solches Vorhaben“

Die Bundestagsabgeordneten wollen immerhin, wie vor einigen Tagen bekannt wurde, auf die automatische Erhöhung ihrer Diäten in diesem Jahr verzichten. Die monatlichen „Aufwandsentschädigungen“ wären damit sonst ab Juni von jetzt 10.083,45 Euro auf dann 10.345,64 Euro gestiegen. Aber verglichen mit vierzig Prozent Gehaltseinbußen für Kurzarbeiter oder der Aussicht auf den Konkurs für hunderttausende Angestellte und Selbstständige in der Privatwirtschaft ist der Verzicht auf ein Plus von 2,6 Prozent wahrlich keine Heldentat. 

Wenn es darum geht, „Zeichen“ zu setzen, etwa gegen Rechts oder für irgendeinen anderen guten Zweck, sind Deutschlands Spitzenpolitiker oft schnell zur Stelle. (Man google zum Beispiel nur einmal „Zeichen setzen“ und „Heiko Maas“ oder beliebigen anderen Namen eines GroKo-Ministers). Aber wenn es ums eigene Geld geht, dann eben offenbar doch lieber nicht. 

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Klar, selbst wenn alle Berufspolitiker hierzulande auf sämtliche Diäten und Bezüge verzichteten, wäre das für den Fiskus nur ein Klacks angesichts der ungeheuren Mehraufwendungen von 156 Milliarden Euro allein des Bundes in diesem Corona-Jahr. Etwas anders sähe es allerdings aus, wenn nicht nur die gewählten, sondern auch die verbeamteten Staatsdiener ihren Beitrag erbrächten, wie dies der bayrische Ministerpräsident Markus Söder vorgeschlagen hatte. Da könnten schon ein paar Milliarden eingespart werden, wenn man den rund 1,855 Millionen Beamten und  2,947 Millionen Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst zumutete, was die in der freien Wirtschaft Tätigen zu tragen haben. Zahlenmaterial findet sich beim Beamtenbund

Von Beamten wäre das eigentlich nicht zu viel verlangt. Sie stehen immerhin in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat. Einem beiderseitigen. Dass ausgerechnet sie, die vom Risiko der Arbeitslosigkeit komplett befreit und auch im Vergleich zu Rentnern in der Altersversorgung deutlich besser gestellt sind, nun nicht wenigstens einen kleinen Teil der gesamtgesellschaftlichen Lasten, die die Pandemie bedeutet, mittragen sollen, ist kaum zu begründen. Aber der öffentliche Druck für eine Einbeziehung des öffentlichen Dienstes in die Lastenverteilung ist ganz offensichtlich gering. Kein Wunder: Der Beamtenstand ist in der politischen Klasse stark überrepräsentiert. Wenn man Angestellte des Öffentlichen Dienstes und Mitarbeiter von politischen und gesellschaftlichen Organisationen (Parteien, NGOs) dazu nimmt, sitzen im Bundestag mehr als 300 Abgeordnete, die auch schon vor dem Sprung in die Berufspolitik direkt oder indirekt aus der Staatskasse bezahlt wurden.  

In der Corona-Krise scheint sich zu verstärken, was ohnehin schon zu beobachten war: Ein neuer Klassenkampf zwischen einerseits denjenigen, die Wohlstand erwirtschaften, Marktrisiken ausgesetzt sind und Steuern zahlen müssen, und andererseits der wachsenden Klasse der Inhaber staatlich gesicherter Besitzstände. Zur ersten Klasse gehören aber nicht nur vor allem jene, die jetzt in der Corona-Krise große Einbußen tragen: Vor allem Arbeiter und Angestellte, die in Kurzarbeit müssen und danach möglicherweise arbeitslos werden, Selbstständige, deren Geschäft Corona-bedingt wegbricht, die dadurch auf staatliche Hilfen angewiesen sind, aber danach den Konkurs fürchten müssen. Zur zweiten Klasse gehören nicht nur Berufspolitiker und Beamte, sondern auch Mitarbeiter der neuen Klasse der staatsnahen Organisationen von NGOs bis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und, nicht zu vergessen, auch geweihte und ungeweihte Mitarbeiter der Staatskirchen. Letztere Klasse hat ein gemeinsames Interesse daran, die generellen Zuständigkeiten des Staates und dessen Zugriff auf die Wirtschaft auszubreiten und sich dabei selbst einen zumindest gleichbleibenden, relativ eher zunehmenden Anteil des gesellschaftlichen Wohlstands zu sichern. Bezeichnenderweise ist der Begriff „Solidarität“ vor allem in jener zweiten Klasse besonders vielgehört. 

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Kommentare ( 49 )

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49 Comments
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Riffelblech
3 Jahre her

Für den allergrößten Teil der führenden Politiker dieses Landes ist doch der solidarische Gedanke mit dem Verschenken des Geldes der deutschen Steuerzahler erschöpft. Voran gehen,Flagge zeigen ,darauf hoffen das andere mitmachen ,diese Sprech— und Denkweise ist doch seit JAHREN in Berlin zu Hause. Somit sind die Geldschaufeln nicht groß genug um andere Länder ,Institutionen zu beglücken. Derzeit wieder einen Sonderbeitrag wegen Corona nach Brüssel . Menschenskinder möchte man diesen Rattenfängern zurufen ,es ist Unser aller Geld ! Es sind die Steuern und Abgaben in diesem Lande mit denen ihr uns würgt! Und niemand hat euch erlaubt damit herumzuschmeißen . Aber… Mehr

Karl Schmidt
3 Jahre her

Ihre Taten sind entscheidend und nicht die Worte. Solidarisch waren Schnorrer noch nie: Verzicht erwarten sie nur von anderen. Es geht auch nicht darum, Geld in der Staatskasse zu halten. Das wäre zwar grundsätzlich ein richtiges Anliegen – aber eben nicht nur in der (selbst verursachten) Wirtschaftskrise. Es geht darum, dass der Verzicht auf Lohn den Anreiz bei Politikern steigert, die Grundrechtsverletzungen (von denen man bezweifeln kann, dass sie – in diesem Ausmaß – sachlich gerechtfertigt werden können) schnell wieder außer Kraft zu setzen, denn dann gibt es auch für sie wieder mehr Geld. Ein Verzicht für einen Monat finde… Mehr

heifrilot
3 Jahre her

Es würde doch schon ausreichen, wenn die Beamten die erkämpften Lohnerhöhungen nicht einfach so generös übernehmen würden bzw. können, sondern die davon von Angestellten usw. abgezogenen Beiträge für Rentenbeitrag und Arbeitslosenversicherung von diesen ebenfalls prozentual abgezogen werden sollten, da jene ja davon freigestellt sind und keinen Anspruch darauf haben. Weshalb wird dies einfach so hingenommen? Rechnen Sie mal diesen Betrag auf 40 Jahre cumuliert hoch!

humerd
3 Jahre her

Saskia Esken twitterte:
„12. Apr.
Wenn wir auf ein Drittel verzichteten, ergäbe das ca. 30 Mio. Euro, ungefähr 1/5000 von dem, was wir jetzt zusätzlich aufgenommen haben.“
Beim eigenen Einkommen hört halt einfach die stets geforderte Solidarität & Großzügigkeit auf. Soviel zur SPD, den Linken

schwarzseher
3 Jahre her
Antworten an  humerd

Schlußfolgerung: “ Wir können unsere Diäten auch um ein Drittel ERHÖHEN, das würde das, was wir jetzt zusätzlich aufgenommen haben, nur um ungefähr 1/5000 erhöhen „. Beim Ausgeben und Leben vom Geld anderer waren die Linken und Politiker schon immer Spitze, aber leider nur auf diesem Gebiet. Ich erinnere nur an den ehemaligen EU-Kommissar Schulz ( SPD ), der sich zwei Dienstwagen und zusätzlich zu seinen ohnehin üppigen Bezügen ( nicht Verdienst ! ) Sitzungsgelder für 365 Tage im Jahr genehmigte, ohne an den Stzungen teilzunehmen. Die Liste der Selbstbedienung ließe sich endlos verlängern.

Sagen was ist
3 Jahre her

Denn sie wissen was sie tun.

Obwohl es beileibe selten so aussieht.

Da trügt der tägliche Schein.

Ein Schelm, wer dabei etwas denkt.

Marc Hofmann
3 Jahre her

Weil wir gerade beim Thema Solidarität sind…wie schaut es eigentlich mit der Maskenpflicht im Deutschen Reichstag aus?
Im Österreichischen Parlament sitzt die Regierung wenigsten schön brav mit Maske auf ihren Stühlen…ach nebenbei…die Rede von Kickl ist wirklich sehens- und erlebniswert. Daumen hoch!
https://www.youtube.com/watch?v=gpdIUunAPys

Muensteraner
3 Jahre her

Bitte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen: Österreich ist eine Demoktatie!

norbertb783
3 Jahre her

Das „unsere Angestellten“ keine Verantwortung für nichts haben aber ihr „Salär“ trotz ihrer eklatenden Fehlentscheidungen nicht gekürzt haben wollen überrascht ja nicht. Das zeigt sich ja auch daran, daß es die Altparteien verhindern, das das Wahlrecht so geändert wird, daß der nächste Bundestag nicht über 800 „Sesselpupser“ mit Kosten weit über 1 Milliarde Euro hat. Was wir u.a. brauchen ist dringend eine Politikerhaftung wie sie in der Privatwirtschaft seit Jahrzehnten haben. Also ein Vorstand einer Aktiengesellschaft oder ein Geschäftsführer einer Gesellschaft würde keine 24h die Fehl- und Falschentscheidungen in Sachen Corona „überleben“. Es liegt an uns Wählern unser Kreuz anders… Mehr

Fuerstibuersti
3 Jahre her

„Selbstständige, deren Geschäft Corona-bedingt wegbricht, die dadurch auf staatliche Hilfen angewiesen sind, aber danach den Konkurs fürchten müssen.“ Vielleicht kann TE ja mal berichten,wie mit Künstlern, zb Schauspielern, Schriftstellern, Musikern (meine Wenigkeit) in Deutschland im Allgemeinen und in Bayern im Besonderen umgegangen wird. Es ist ein Skandal – ein soziales sowie kulturelles Armutszeugniss. Auch wenn der grosse Macher aus Bayern seit gestern wieder die Luft scheppern lässt. Tusch und herzliche Grüsse, IhrWolfgang Amadeé von Fürstibürst.

Gruenauerin
3 Jahre her
Antworten an  Fuerstibuersti

Ich weiß jetzt nicht, wie das jetzt heißt, aber Sozialhilfe kann beantragt werden. Das müssen andere auch.

teanopos
3 Jahre her

Wir sollten uns alle verbeamten, schon sind alle Probleme gelöst.