Ein neues Manmal

Ein neuer Weltrekord in Vergangenheits-Bewältigung macht uns endlich frei: Wir sind unter den Völkern der Welt wieder aufgenommen. Den Flüchtlingen sei Dank.

Die Deutschen haben das vielleicht monströseste Verbrechen aller Zeiten auf dem kollektiven Gewissen. Und sie haben in ihrer neuen alten Hauptstadt das größte aller Mahnmale gebaut. Sie sind jetzt Bewältigungsweltmeister. Wem ist es zu verdanken? Lea Rosh, der Initiatorin, der unermüdlichen Aktivistin deutscher Zerknirschungsmacht. Jetzt hat Frau Rosh sich noch einmal selbst übertroffen. Sie hat gestern (Samstag) in der Welt eine halbseitige Anzeige geschaltet. Ein faszinierendes Dokument. Er beginnt so:

„Frau Bundeskanzlerin! Sie haben unser Land verwandelt. Man hat keine Angst mehr vor Deutschland, im Gegenteil: man will nach Deutschland. Nach dem Schrecken, den Untaten, die von Deutschland ausgingen, ist das auch für uns eine neue wunderbare Erfahrung.“

Wie wahr! Niemand wird dieses Land so sehr verwandelt haben wie Frau Bundeskanzlerin, falls man sie so weitermachen lässt. Man (!) hat keine Angst mehr, man (!) will nach Deutschland. Jetzt endlich will man.

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Während der siebzig Jahre seit dem Ende des Dritten Reichs, schließen wir aus dem Text, ist so gut wie nichts passiert. Bis unsere Bundeskanzlerin die Freude an die Ode (Seid umschlungen, Millionen) anstimmte, hat man gezittert vor deutschem Größenwahn, vor dem ekligen Ehrgeiz der Exportweltmeister, der Bundeswehrmacht, die auf allen Kontinenten Krieg führte. Die Wiedervereinigung war eine überflüssige Restaurierung des Deutschen Reichs. Unser Geschichtsbild war nur oberflächlich gesäubert. Die Boatpeople aus Vietnam, die Gastarbeiter, die (jüdischen) Einwanderer aus Russland, die vielen Touristen aus Israel: Man wollte gar nicht nach Deutschland. Man ist dazu gezwungen worden. Das Sommermärchen: nichts als Propaganda. Die Bonner Republik: Ein peinliches Versehen unter der Fuchtel der USA. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung: Kapitalistische Propaganda. Man hatte Angst. Man wollte nicht. Erst Angela Merkel hat Deutschland verwandelt. Wurde aber auch Zeit.

Nun will man. Will hoffentlich noch lange. Man bildet eine soziale Plastik, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Ein lebendes Manmal, gegen das alle Mahnmale Berlins nichts sind. Ich schlage vor, alle Mans ausnahmslos in Berlin zu versammeln. Dort, nur dort hat so ein Manmal seinen Platz. In der Hauptstadt der Bewältigung. Bitte keine Feinverteilung in der Provinz mehr! Pegida-Sachsen und Seehofer-Bayern haben gar keine Flüchtlinge mehr verdient! Die gehören nicht zum heiligen, neuen Deutschland. Migranten bewohnen künftig Ministerien. (Und das überflüssige BND-Gebäude.) Die Quasselbude kommt zurück nach Bonn. Die Beamten in die Produktion. Uns genügt SIE allein. Die Frau, die Deutschlands Geschichte endlich umkrempelt und hoffentlich ein für allemal beendet.

Heilige Mutti Angela, bitt für uns! Heilige Mutti Angela, gib uns den Rest. Den Rest der Flüchtlinge bitte! Es ist eine wunderbar neue Erfahrung. Deshalb gibt es auch einen neuen Roshenkranz. Die katholische Bischofskonferenz hat ihn gerade ins „Gotteslob“ aufgenommen. Neben dem schmerzhaften, dem trostreichen und dem glorreichen Rosenkranz nun auch noch der stolzvolle. Muslimische Gebetsketten sind ausdrücklich erlaubt.

Nun wissen wir endlich auch, was ein Flüchtling ist. Man ist nicht Mensch, der ein besseres Leben sucht, sondern man dient den Deutschen dazu, trotz aller Schuld und Schande noch einmal ganz groß heraus zu kommen. Vor der Geschichte. Man ist Material, mit dem ein schwarzes Loch gestopft werden soll.

PS.: Unter den Mitunterzeichnern und Mitfinanzierern der Anzeige sind Persönlichkeiten, die ich verehre, ihrer Kunst wegen, Daniel Barenboim, Hertha Müller zum Beispiel. Der Text ist unverkennbar Rosh.

Ich plädiere hier nicht für die Einführung des Zölibats in protestantischen Pfarrhäusern. Nein, ich bitte nur um genaue Lektüre, ehe man im Einsatz für das Wahre, Gute und Schöne Quatsch unterschreibt.

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