Dümmer, als der liebe Gott erlaubt

Die einen wollen den Islam am liebsten verbieten, die anderen bedingungslos willkommen heißen. Das eine ist so dumm wie das andere und führt zum selben Ergebnis.

Diesmal kein Brief an Sie, lieber Roland Tichy, sondern an einige Leser, die meine jüngsten Anmerkungen über die Dummheit scharf retournierten. Und zwar speziell meinen Satz, es gehe nicht darum, den Islam zu bekämpfen, sondern ihn zu ändern. „Bei dem letzten Teil des Satzes `ihn zu ändern´ hört es doch auf!“ (Eckrentner), „wird der Autor leider zum naiven Opfer seines eigenen Vorwurfs“ (Mark Munich), „diffamieren Sie arrogant und herablassend die Menschen, die in Deutschland und Europa gegen den Islam kämpfen als dumm“ (Hermann Neuburg), wird „der Islam dummerweise als friedliche Religion und nicht als totalitäre Ideologie verharmlost. Wirklich dumm, Herr Herles“ (Schwarzseher) und so weiter.

Sehr geehrter Eckrentner, sehr geehrter Schwarzseher, sehr geehrte Herren!

I.

Kritik, auch Kritik am Islam, die nicht auf einen tiefgreifenden Änderungsprozess zielt, ist sinnlos. Bloße Feindschaft führt zu nichts. Sinnvolle Kritik am Islam verfolgt also das Ziel, Kritik am Islam auch im Islam zuzulassen. Erst dann passt der Islam in eine offene Gesellschaft. Wer die muslimischen Gemeinden in Deutschland sich selbst überlässt, sei es durch blinde Toleranz, sei es durch feindselige Ausgrenzung, sorgt nur dafür, dass deren vorsintflutliches Gesellschaftsbild bei uns Wurzeln schlagen kann. Deshalb dürfen wir dem Islam den Diskurs weder verweigern noch ersparen.
Die einen wollen den Islam am liebsten verbieten, die anderen bedingungslos willkommen heißen. Das eine ist so dumm wie das andere und führt zum selben Ergebnis. Die offene Gesellschaft darf es nicht den Imamen überlassen, ob und wie sich der Islam entwickelt. Was bleibt uns auch anderes übrig? Wollen wir vier Millionen Muslime entfernen? Ihre Religion verbieten? Hinter jeden Moslem einen Stasi-Aufpasser stellen?

II.

Ich will mich hier beispielhaft nur auf die aus Somalia stammende, heute in Harvard lehrende Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali berufen. Ihre Kritik am Islam ist an Schärfe und Klarheit nicht zu übertreffen, und dennoch ist sie davon überzeugt: „Eine Reformation des Islam, die Glaube und Modernität verbindet, kann gelingen.“ In ihrem jüngsten Buch „Reformiert Euch! (Knaus Verlag) wiederholt sie ihre Vorwürfe an törichte Appeasement-Politiker wie Obama und Merkel, die noch immer glauben, islamischer Terror ließe sich von islamischen Idealen trennen. „Und doch müssen wir mehr tun, als nur irregeleitete Formen der Religiosität zu brandmarken. Wir müssen reformieren.“ Das bürgerliche Recht muss mehr gelten als die Scharia, Moschee und Staat müssen voneinander getrennt werden. Die Autorin unterscheidet in ihrem lesenswerten Buch zwischen „Scheinreformern“, die zwar den Terror verurteilen, aber „eifrig daran arbeiten, den Gesellschaften die Scharia mit gewaltfreien Mitteln aufzuzwingen“ und den echten Reformern, die bestimmte Lehren des Islam verändern möchten. Dazu wäre „eine grundlegende Überarbeitung des Bildungssystems in der islamischen Welt“ nötig, um kritisches Denken zu fördern und das Individuum gegenüber dem islamischen Konformismus zu stärken. „Wir dürfen nichts beschönigen“, andererseits „glaube ich daran, dass die Reformation des Islam bereits begonnen hat.“

III.

Nichts beschönigen, aber auch nicht weichen. Dumm ist das offenbar unvermeidliche, doch grundfalsche Ceterum Censeo des Präsidenten des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, des CDU-Abgeordneten Thomas Sternberg: Der gewalttätige islamische Terrorismus sei „zutiefst unislamisch“. Na dann! Dann ist eben auch die Deklassierung von Christen in islamischen Ländern und die Christenverfolgung in deutschen Flüchtlingslagern nur ein ganz und gar unislamisches Versehen, oder wie Sternberg sagt, „kein systematisches, flächendeckendes Vorgehen.“ Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.

Um es noch deutlicher zu machen: Für außerordentlich beschränkt halte ich die Entscheidung, AfD-Schwarzseher auf dem Katholikentag in Leipzig nicht mitdiskutieren zu lassen. Sternbergs Begründung: Die AfD bedrohe durch ihre Haltung zum Islam auch das Christentum. Dies ist die Logik einer Krähe, die einer anderen Krähe kein Auge aushacken will, aber gar nicht merkt, dass die andere Krähe keine Krähe ist, sondern, sagen wir, ein Flugsaurier. Wie kann sich ein aufgeklärter Christ auf diese Weise mit menschenfeindlichen Überzeugungen identifizieren? Wer den Islam kritisiere, so Sternbergs Logik, setze auch „die Axt an die Wurzel der bewährten religionsfreundlichen Ordnung in Deutschland“. Hier lässt er die Katze aus dem Sack. Sternbergs Borniertheit folgt der Formel: Wer an irgend einen Gott glaubt, ist schon irgendwie in Ordnung. Seine Idiotie ist ein Kamel, das weder durchs Nadelöhr der Toleranz passt, noch durch das des Glaubens. Religionsfreundlichkeit ist kein Freibrief. Religionsfreundlichkeit auf der einen, bedingt Weltfreundlichkeit auf der anderen Seite. Wenn religionsfreundliche offene Gesellschaften nicht wehrhaft bleiben, sind sie auf bestem Weg zurück in die geschlossene Gesellschaft. Nicht wenige Anhänger der neuen Rechten wünschen sich vermutlich genau dies.

Habe ich mich klar genug ausgedrückt? Ich fürchte nein. Ich bin wohl doch ein rettungsloser Verharmloser beziehungsweise islamophober Scharfmacher. As you like it.

In diesem Sinne schönen Sonntag!
Wolfgang Herles

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