Smartphone macht mobil

Warum sich Asylbewerber Smartphones leisten können, erregt das eine oder andere Gemüt. Die Antwort ist schlicht, dass alle mit einem solchen ankommen. Das hat ihnen auf dem Weg hierher geholfen und ist der einzige Draht zu den Ihren daheim. Ein Mobiltelefon haben in vielen Ländern Afrikas nicht weniger Menschen als in Europa. Bis die meisten Afrikaner ein Smartphone haben, soll noch drei bis vier Jahre dauern; heute sind es an die 20%. Auf dem Smartphone machen sich die Menschen ein Bild vom Leben anderswo – und auf den Weg dorthin, wo die Bilder attraktiv sind.

Es spielt keine Rolle, wer das bei uns mag oder nicht. Das ist die Welt, in der wir leben. Doch weil diese Welt in Bewegung ist, dürfen oder müssen wir auch nicht davon ausgehen, dass die klassische Auswanderung das Muster der Zukunft ist. Jene, die ihre Heimat verlassen, um ein anderes Land zu ihrer neuen Heimat zu machen, werden zur Minderheit. Für die Mehrheit wird Wanderung ein Teil ihres Lebens. Wie lange welche Kohorten wo bleiben werden, kann erst die Zukunft zeigen. Wie ein kluger Umgang mit diesem neuen Teil von Migration jenseits von Verfolgten, Kriegs- und Katastrophen-Flüchtlingen aussehen kann, hat die Politik noch nicht einmal als Thema ausgemacht.

Wo Menschen keine Zukunft sehen, wandern sie ab - schon immer
Die EU braucht eine Strategie für Afrika

Aus Afrika kommen viel junge Leute nach Europa und Amerika, die in ihren Ländern fehlen werden. Werfen wir einen Blick auf ein Dorf von mehreren tausend Einwohnern im Senegal, einer stabilen afrikanischen Demokratie. Das Wall Street Journal hat den Reporter Drew Hinshaw nach Kothiary geschickt, das sich in den letzten Jahren in die Welt von Smartphones, Laptops und Satelliten-Fernsehen eingeklinkt hat.

Die Wohlstandswanderung hat erst begonnen

Der Lebensstandard im Senegal ist gestiegen und steigt weiter. Fastfood-Ketten haben Einzug gehalten, Multiplex-Kinos und Shopping-Center. Die Lehmhütten-Zeit geht zu Ende. Junge Leute bringt das auf den Geschmack. Ihre Ansprüche steigen. Aber nur 11 Prozent der Erwachsenen haben einen Vollzeitjob. Ist es da nicht besser, sein erstes Einkommen in ein Flugticket zu investieren? Sie sehen auf ihren Smartphones, wie es in den Industrieländern ist, und machen sich auf den Weg. Senegals zuständiger Minister für Emigration, Souleymane Jules Diop, muss demnächst viel reisen: nach Kuba, Brasilien, Venezuela, Türkei, Marokko, Frankreich und die USA. Dort sind viele Senegalesen ohne Papiere angelandet. „Wir verlieren die Kräfte, die wir für den Aufbau unseres Landes brauchen brauchen“, sagt Diop, „was jetzt geschieht, ist nicht so viel anders als in den Zeiten der Sklaverei.“

Wer nicht den Flugweg wählt, weil er das Visum-Problem nicht schafft, zahlt einen Schleuser nach Tripolis. Studenten nutzen ihre Stipendienrate dafür. Ihnen schließen sich manche ihrer Professoren an, aber auch Polizisten, Beamte und Lehrer. Von dem Geld, das sie in Europa verdienen, kaufen sich ihre Familien im Senegal Autos und Flachbildschirm-Fernseher. Auf denen sehen dann die ganz Jungen ihre Träume, bis sie auch ein Smartphone haben.

Quelle: TechCrunch.com

Quelle: TechCrunch.com

Mehr als die Hälfte der senegalesischen Familien hat mindestens einen Auswärts-Verdiener. In Kothiany erkennt man sie leicht – es sind die Häuser mit einem und mehreren Satelliten-Schüsseln auf dem Dach. Unser Reporter berichtet, dass in diesen Häusern auch jedes Kind ein Smartphone hat.

Senegalesen gibt es heute 15 Millionen, 2050 sollen es nach UN-Prognose 30 werden. Von da lässt sich ahnen, dass viele von den 2.100 Millionen Afrikanern, die es 2050 insgesamt geben dürfte, ihre Wanderung aufnehmen werden. Europa sollte das nicht einfach nur abwarten. China hat eine jährliche Binnenmigration von Wanderarbeitern in einigen hunderten Millionen. Wir müssen uns wohl auf Ähnliches zwischen Afrika und Europa einstellen. Wie viele auf Dauer bleiben wollen oder auf Zeit, muss nicht so verlaufen wie bei den sogenannten Gastarbeitern. Von ihnen blieben die meisten.

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