Geld: Seit einem halben Jahrhundert nichts gelernt

Jahrzehntelang war das Aktiengeschäft in Deutschland verkaufsgetrieben. Höchste Zeit, dass Anleger es nicht mehr den Banken, Sparkassen und Finanzvertrieben überlassen, sondern selbst die Initiative ergreifen. Das geht nur mit einem Schuss Spekulation.

© Hannelore Foerster/Getty Images

„Deutsche Angst kostet 200 Milliarden Euro“, titelte neulich die FAZ. Nanu, wollte sie damit auf die Preisentwicklung der Antidepressiva anspielen? Nein, viel einfacher: Auf die vermeintlich dummen deutschen Sparer, die ihr Geld lieber über Konten verstreuen, statt es in Aktien oder Aktienfonds anzulegen. So nachzulesen im Weltreichtumsbericht der Allianz. Dazu die Begründung: Hätten die Deutschen den Anteil ihres auf mehr oder weniger zinslosen Konten schlummernden Vermögens von 40 auf 30 Prozent zugunsten von Aktien und Aktienfonds gesenkt, wäre ihre gesamte Rendite von 3,4 auf 4,4 Prozent gestiegen, macht in der Summe jene 200 Milliarden Euro.

Man kennt solche Zahlenspiele längst auch vonseiten des Deutschen Aktieninstituts, das – bereits 1953 unter dem Namen Arbeitskreis zur Förderung der Aktie gegründet – Jahr für Jahr bedauert, dass schon wieder so und so viele Anleger sich von Aktien verabschiedet haben. Seltsam, danach musste mehr als ein Jahrzehnt vergehen, bis Aktien bei deutschen Sparern hoffähig wurden. Auslöser war aber nicht etwa der Arbeitskreis, geschweige denn das damalige Establishment von Deutscher Bank & Co., sondern eine auf den Verkauf von Aktienfonds spezialisierte Vertriebsmaschine namens Investors Overseas Services, kurz IOS.

Maschmeyer als Löwe, Silberlocken einfach nur peinlich

Sie ging zwar 1970 pleite, aber ihre Topverkäufer wie Reinfried Pohl oder Udo Keller reüssierten später mit den eigenen Firmen DVAG und Tecis. Zwischendurch reihte sich Carsten Maschmeyer mit seiner Firma AWD in den illustren Kreis der Topverkäufer ein. Heute beschert er neben anderen Juroren dem Fernsehkanal Vox mit dessen „Höhle der Löwen“ Traumquoten bei jungen Zuschauern. Womit sich indirekt der Kreis zum Thema Aktien schließt. Ein bisschen wenigstens, denn die Juroren sollen erfolgversprechenden Startups helfen, an Gründungseld zu kommen – auf dass daraus später vielleicht mal Aktiengesellschaften erwachsen.

Da fragt man sich, warum es den etablierten Banken und Sparkassen nie richtig gelungen ist, so erfolgreich zu sein wie die Vertriebsmaschinen. Oder warum Maschmeyer und nicht etwa ein gestandener Banker den Löwen spielt. Geradezu peinlich wird es schließlich, wenn die Sparkassen in ihrem jüngsten Deka-Werbespot Omas und Opas zu wilden Tänzen animieren, um für ein Altersvorsorge-Produkt Reklame zu machen. Peinlich, peinlich – als wenn junge Vorsorge-Sparer sich von herumhopsenden Silberlocken beeindrucken ließen.

Der entzauberte ETF

Finanzprodukte, die der Altersvorsorge dienen sollen, sind mehr verkaufs- als beratungsgetrieben. Dieser Grundsatz galt jahrzehntelang auch für Aktienfonds. Bis sich unter Anlegern herumsprach, dass Fondsmanager überwiegend nicht in der Lage waren, mit ihren Fonds besser abzuschneiden als der entsprechende Vergleichsindex. Das war die ETF-Geburtsstunde. Exchange Traded Fund, ein börsengehandelter Fonds, basierend auf dem Dax, dem S&P oder einem sonstigen Index, das musste sich doch auf Dauer rechnen, besonders als Sparplan mit regelmäßigen Einzahlungen.

Dachte man jedenfalls lange – bis Kritiker das eine oder andere Haar in der Fondssuppe entdeckten. Ihnen passt zum Beispiel nicht der Einsatz von Derivaten, also künstlichen Finanzprodukten, zur Abbildung der Fondsportfolios. Andere stören sich an der ETF-Vielfalt, die Anleger ratlos lässt, weil sie im Lauf der Zeit immer weniger wissen, ob sie einem Dax-, einem S&P- oder sonstigen ETF den Vorzug geben sollen. Wiederum andere bezweifeln, dass Anleger ETF-Sparpläne auch dann durchhalten, wenn es an den Börsen mal richtig kracht. Und selbst wenn sie so viel Disziplin mitbringen, müssen sie sich am Ende fragen, wann und in welcher Abfolge sie sich von ihrem ETF trennen sollen.

Ein Hoch auf die direkte Aktienanlage!

Es wird höchste Zeit, die angeblich Eier legende Wollmilchsau ETF beim Namen zu nennen: ein Spekulationsobjekt wie jede andere Anlage auch, obendrein nichts für schwache Nerven. Als wenn ein ETF den Anlegern das Denken abnehmen könnte, einfach lächerlich. Wer sich aufs Börsenparkett begibt, muss jeden Tag damit rechnen, in eine Schieflage zu geraten, ganz gleich, ob mit einem ETF, einem gemanagten Fonds oder einzelnen Aktien. Wobei Anleger im zuletzt genannten Fall anders als in den beiden ersten gleich drei gravierende Vorteile haben: Sie können selbst bestimmen, ob sie fünf, zehn, zwanzig oder noch mehr Aktien in ihr Portfolio packen. Sie können die Mischung wie auch die Gewichtung nach Gusto vornehmen. Und sie bleiben bei jeder Aktie Herr/Frau über das Timing.

Spätestens hier wird sich der mit Aktien wenig vertraute Arzt oder Ingenieur fragen: Woher nehme ich für all das die Zeit und die nötige Erfahrung? Gegenfrage: Glaubt jemand im Ernst, mithilfe eines Anlageberaters, der auf den Fondsverkauf getrimmt ist, oder mittels eines ETF besser fahren zu können? Das müsste erst bewiesen werden. Der eingangs erwähnte Weltreichtumsbericht der Allianz gibt darauf jedenfalls keine abschließende Antwort. Im Übrigen: Denken Sie mal nach, wie oft und wie lange Sie über Prospekten und Preisvergleichen gegrübelt haben, wenn es um die Anschaffung Ihres nächsten Autos oder auch nur Kühlschranks ging. Mindestens so viel Zeit sollten Sie für eine grobe Aktienauswahl mitbringen. Der Rest ist Spekulation. Um die kommen Sie auch nach dem Tete-a-Tete mit einem Anlageberater – sprich: Verkäufer – nicht herum. Nur dass Ihnen die drei genannten gravierenden Vorteile in Bezug auf die Zahl der Aktien, deren Mischung und Gewichtung sowie das Timing bei der direkten Aktienanlage viel mehr Handlungsspielraum lassen.

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