Splitting im Steuerrecht und auch in Amerikas Präsidentenwahlkampf

Auch diesen Sonntag drängt sich Roland Tichy und Fritz Goergen der Eindruck auf, die Leute gewöhnen sich an das, womit sie sich nicht abfinden sollten: Empörungserschöpfung nennt es Ingrid Ansari in einem kommenden Beitrag.

Wenig Frisches in der FAS. Eher alter Käse. Groß verkauft wird im Geldteil, den wir in den vergangenen Wochen lobenswert fanden, dass es das Ehegattensplitting ist, das den Erwerbselan von Müttern bremst. Natürlich passt die Story zum kommenden Parteitag der Grünen, wo, wen wundert´s, das Ehegattensplitting auf den Prüfstand gestellt werden soll.

Nun dürfte man erwarten, dass ein Wirtschaftsredakteur um die Wirkung der progressiven Einkommensbesteuerung weiß: Hohe Einkommen werden höher besteuert. Deshalb ist es auch nicht das Einkommen der Frau, das dem hohen Grenzsteuersatz unterliegt – sondern das gemeinsame Einkommen. Abhilfe, selbst das steht ganz am Ende, liegt in der Wahl der Steuerklasse: Steuerklasse 4 – und die Steuerlast wird nicht auf das letzte Einkommen (das der Frau), sondern auf beide angewandt.

Was auch fehlt, dass das uralte Splitting in modernen Partnerschaften segensreich wirkt: Heute verdienen Männer und Frauen häufig genug annähernd gleich viel – also gibt es ihn dann nicht, den bösen „Splittingvorteil“. Und wenn einer ausschert, um die Kinder zu erziehen – dann wirkt der Splittingvorteil wie ein vorübergehendes Zusatzkindergeld und glättet die Phase der Einkommensreduzierung. Ganz automatisch, ganz ohne Elterngeld und andere Bürokratismen. Beim Rückkehr in den Beruf, und wenn es nur zeitweise ist, hilft die Wahl der Steuerklasse. Alles ein bisserl kompliziert, wie das progressive Steuersystem insgesdamt. Deshalb hat ja seinerzeit die FPD das Drei-Stufen-Modell vorgestellt; da entfällt das Problem weitgehend, weil der letzte verdiente Euro so hoch besteuert wird wie der erste.

FAS: Grünenparteitags-Begleit-Berichterstattung

Die Splittinghürde ist also keine. Außer im Kopf, der die Lohnsteuerkarte nicht ändern will. Da kann der Gesetzgeber schwerlich etwas tun dagegen; Vorteile des Steuerrechts müssen die Betroffenen schon wahrnehmen wollen. Aber schimpfen, das geht, es ist ja: Grünenparteitag. Da muss geschrieben werden, so dummes Zeug wie nur immer geht. Schaffen wir das Splitting ab – zahlen die Familien mit kleinen Kindern höhere Steuern. Vermutlich wird dann die FAS die Grünen auffordern, endlich etwas für die Familien zu tun, denen man vorher in trauter Gemeinsamkeit etwas weggenommen hat. So entsteht ein Kreislauf ewigen Politikhandelns, der die Sache nicht besser, nur komplizierter macht.

Ähnlich geistig übersichtlich ist die Analyse des „Mini-Baby-Booms“. Endlich erhält die Politik Lob für Kita-Ausbau und Elterngeld; und junge Paare teilen sich die Arbeit neu, weswegen wieder mehr Babys geboren werden. Ach, wenn es doch nur stimmte. Schade nur, dass der größere Teil des Kinder-Zuwachses daher kommt, dass zugewanderte Frauen Kinder kriegen; nur der geringste Teil fällt auf deutsche Frauen – und da ist es mit der Verschiebung auf spätere Lebensjahre zu erklären: Insgesamt bleibt die Geburtenrate extrem niedrig. Außer, wie gesagt, bei Migrantinnen. Allerdings bleiben die alle zu Hause, nix Kita und Neuaufteilung der Hausarbeit. Alles das ist längst recherchiert und beschrieben. Aber wen stören schon Fakten in der postfaktischen Zeit?

So ein Getümmel nimmt die Lust auf den Rest der Zeitung.

WamS: Differenziertes US-Bild

Die WeLT AM SONNTAG mit einem echten Titel von fast sechs Seiten zu Amerika, Quintessenz: „Zu viele Bürger fühlen sich von der politischen Kaste betrogen. Hillary Clinton steht dafür exemplarisch.“ Was das Blatt über die Gesellschaft der Vereinigten Staaten schreibt, „den Ausbruchsversuch aus der angeblichen Alternativlosigkeit“, zieht sich auch durch die europäischen Gefilde: „Dem herrschenden System wird von seinen Verlierern keine sozialistische Utopie mehr entgegengesetzt. Sie verbünden sich stattdessen ausgerechnet mit dem schamlosesten Hyperkapitalisten. Möglicherweise ist das eine wirksamere Strategie als Systemkritik à la Occupy Wallstreet.“

Im Beitrag über Clintons – vielleicht zu späten – „Hip-Hop-Feldzug … um junge Schwarze“ ist von Student Mark und seiner Kommilitonin Tayo die Rede: „Beide haben Clintons linken Konkurrenten Bernie Sanders unterstützt … Am Dienstag werden beide wahrscheinlich Jill Stein wählen, die Kandidatin der Grünen.“ Was die beiden an Clinton schätzen? Dass sie nicht Trump ist. Zu wenig. Die beiden finden sich im nächsten Bericht der WamS über die Trump-Wähler wieder beim 18-jährigen Erstwähler Madison. Auch er wollte eigentlich Bernie Sanders wählen. Nun stimmt er für Trump, weil der wie Sanders ein Unabhängiger sei.

Über das politische Berlin, dessen Devise bekanntlich Weiter So ist, weiß die WamS zu berichten, auch wenn sie das nicht so formuliert: Berlin hofft auch in Washington auf Weiter So.

Lohnend das WamS-Interview mit Hans-Jürgen Papier, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts: „Es gibt kein Recht auf Zuwanderung“. Bei der Frage, „wie wird es dem Rechtsstaat in zehn Jahren gehen?“, setzt er nur auf das oberste Gericht, auf die Politik offensichtlich nicht.

Henryk M. Broder erklärt, warum Heiko Maas „Hasskriminalität im Netz“ in jeder Hinsicht falsch sieht, schon weil er nicht begreift, dass sie „ein Nebenprodukt der Internet-Technologie“ ist. War da nicht was mit Merkel und Neuland? Wir setzen mit Broder darauf, das „Gemeinden wie Haßleben, Haßloch, Haßfurt, Haßbergen, Haßmoor und Hassendorf ihre Namen“ nicht ändern müssen und die Leute sich weiter trauen, Hasseröder Bier zu bestellen.

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