Pöstchen-Cem, Bundesbeauftragte, Negativzins, Kläffzone, Notration und Blockchain

Das Sommerloch schließt sich, entnationalisierter Fußball und Olympia sind vorbei, tatsächliche Themen kehren wieder. Roland Tichy und Fritz Goergen haben Sonntagszeitungen für Sie gelesen.

Nach dem Sport-Sommer kommt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am SONNTAG der Geldteil wieder zurück in die Findbarkeit. Und das gleich mit einem Spezial-Teil zum Null-und Negativzins. Allerdings findet sich ein ähnliches Stück dann wieder im Wirtschaftsteil; tja, die Ressorts der FAS verhalten sich zueinander wie die Teilstaaten Jugoslawiens.

Führung ist ja doch was schönes und hilft dem Leser bei der Orientierung. Genauso traurig allerdings die Botschaft: Die Niedrigzinsphase wird anhalten. Vermögensverwalter Jens Ehrhardt vermutet: Solange der Euro besteht, für Mohamed El-Erian, früher für Pimco-Milliarden disponierend, „gefährdet dies das Wohlergehen künftiger Generationen“. Nunja, dass es kaum Rettung gibt, darf man den Redakteuren nicht vorwerfen Auch Betongold ist durch die galoppierende Inflation teuer geworden und nach Thomas Meyer, früher Deutsche Bank, heute beim Geldsammler Flossbach von Storch, geht es demnächst auch den Aktienmärkten an den Kragen: Die Notenbanken werden auch dort die Eigentümer enteignen wollen.

Die FAS zeigt Qualität auch in anderen Bereichen, die Vernunft kommt von den Rändern und nagt sich langsam ins Zentrum, wenn auch (noch?) nicht bis nach Vorne. Nadine Oberhuber schildert im üblicherweise belanglosen, aber anzeigenträchtigen Teil „Wohnen“ den Ärger mit dem Mietspiegel. Tja, so ist das eben in der Planwirtschaft: Da fließt immense Energie in Zahlenwerke, die den Mangel verwalten, ihn aber nicht beseitigen. Gerichte häufen Berge von Papier an,  heben jedoch keine Baugrube aus. Natürlich wird Justizminister Heiko Maas nicht so wirklich kritisiert, seine Mietpreisbremse als grundfalsch wird eindrucksvoll belegt.

Zuwenig Wohnungen werden nicht mehr, und die Zahl der wohnungssuchenden Zuzügler nicht weniger, wenn man staatliche Preise festsetzt; herzliche Grüße aus der DDR. Alles schon mal maasgewesen. Dass das Saarland, wo Maas seinen engen Genossen-Horizont her hat, weit weg ist von den Lehren der Geschichte, wissen wir ja: Ihm geht es nie um Lösungen, sondern um Bürokratie.

Ähnliche Einsichten auch im Wirtschaftsteil: Staatliche Superpreise für Mais, der nicht gegessen, nicht verfüttert, sondern vergast wird – und schon erstickt Deutschland unter der vertikalen Wucherpflanze, vergiftet die Böden, die ausgelaugt werden und sorgt für massive Überschwemmungen. Die Bauern, die genau wissen wo der Bartel die Subvention abzapft, reagieren schnell und auf falsche Preissignale verheerend; leider ist das so in der teilweisen Marktwirtschaft und ihrer immer weiter wuchernden Planwirtschaft. Kein Trost, dass die Maispreise etwas sinken; dafür die für Windstrom staatlich steigen. Es ist ein Fall wie aus dem Lehrbuch: Eine Dummheit der Planwirtschaft (Mais) zieht unweigerlich eine noch größere Dummheit (Wind) nach sich, bis der Wohlstand endgültig in den Taschen einiger Weniger im korrupten System der grünen Subeventions-Gier verschwunden ist.

Im wie üblich gestelzt-langweiligen Politikteil wird Dem Özdemir gefeiert. Man spürt die Absicht; die schwarz-grüne Koalition soll herbeigeschwurbelt werden – und man ist verstimmt. Was den anderen Blättern das sensationelle Abendessen Merkel-Kretschmann, das ist für die Herbeischreiber der FAS eben Özdemir, der solange gefeiert wird, damit er auch mal ein Quote ablässt bei der FAS. Özdemir soll sich angeblich weit vom Kern des grünen Wahns – diesmal nicht Mais, sondern: Integration – entfernt haben.

Ach so, die Menschen, die wir bejubeln, weil sie uns „geschenkt“ werden, wie Özdemirs Vorsprecherin Kathrin Eckhard-Göring formuliert hat, diese Glücksfälle für unser Leben könnten doch „irritiert sein vom liberalen Alltag, den sie hier vorfinden“? Also Frauen prügeln und einsperren, Homos klatschen und Christen nicht die Hand schütteln ist doch kulturelle Prägung? Lustig, was Özdemir empfiehlt: Natürlich hat DEUTSCHLAND wieder alles falsch gemacht, zu wenig Kurse, zu wenig Integration, überhaupt. Weswegen er ein neues Amt empfiehlt „Bundesbeauftragter zur Prävention und und Bekämpfung ideologischer Radikalisierung“. Ehrlich, steht da, kein Witz. Und die FAS lacht auch nicht, weil Özdemir angeblich „Forderungen an Migranten stellt“.

Liebe FAS, wir raten außerdem zu einem Bundesbeauftragten, äh natürlich Beauftragte/n, für Maisanbau und Monitoring womöglich eintretender Umweltschäden in Folge absehbarer Anreizwirkungen. Und dringend zu einem Bundesbeauftragten für die Berechnung von Mietspiegeln zur Verwaltung selbstgeschaffener Wohnungsknappheit. Fehlt eine „Niedrigzinsfolgenbeobachtungsoberbeaufttragte“. So viele Beauftragtinnen und ihre Stäbe  –  da wird doch sicherlich auch ein Plätzchen frei für Pöstchen-Cem. Die Probleme lösen dann andere.

Die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl in Österreich wirft Schatten. In „Ausweitung der innenpolitischen Kläffzone“ kommentiert Christian Ultsch auf Die Presse am Sonntag, „dass die österreichische Außenpolitik zum Schlachtfeld geworden ist, zur Fortsetzung der Innenpolitik mit denselben Hau-drauf-Mitteln. Dafür gibt es handfeste Gründe: Erstens haben internationale Themen Konjunktur. Zweitens strebt der Außenminister nach Höherem. Drittens will ihm die Konkurrenz deswegen nicht das außenpolitische Feld überlassen. Und viertens wollen SPÖ und ÖVP der in Umfragen davoneilenden FPÖ das Wasser abgraben.“

Ob Sie’s glauben oder nicht. Das österreichische Außenministerium hat bei der OSZE um Wahlbeobachter angesucht – wohl um einen erneuten Streit über die vermutlich wieder knappe Entscheidung günstig zu beeinflussen: „Eine solche OSZE-Wahlbeobachtung in Österreich wäre keine Premiere. Eine solche gab es bisher zweimal, bei der Bundespräsidentenwahl 2010 und bei der Nationalratswahl 2013 – wobei Österreich internationale Wahlbeobachter erst seit 2007 zulässt.“ Na, wenn das mal nicht auch in D mt zunehmender Polarisierung Schule macht?

Über das künftige Staatsoberhaupt wird am 2. Oktober entschieden. Nationalratswahlen müssen erst 2018 stattfinden, aber immer mal wieder wird über vorgezogene Wahlen in diesem Jahr spekuliert. Stellen wir uns darauf ein, dass in allen europäischen Ländern eine Wahl nach der anderen die veröffentlichte Meinung für ein paar Jahre vor sich herjagt.

Dass Erdogan seine Truppen nicht gegen den IS ausschickt, sondern gegen die Kurden, berichtet Alfred Hackensberger in „Die Tücken der türkischen Invasion“ für Die Presse am Sonntag aus Syrien: „Mit ihrem direkten militärischen Eingreifen wird die Türkei das Chaos und das Leiden der Zivilbevölkerung in Syrien sicher nicht beenden. Im Gegenteil, sie könnte eine neue Eskalation der Gewalt provozieren, und zwar zwischen Rebellen und den Kurden.“ Eine Waffenruhe, auf die sich Russland und USA geeinigt haben, vermeldet auch Die Presse. Tomas Spahn hielt so eine Wendung hier für möglich.

Auch in Österreich kursiert das Thema Krisenvorsorge: „Notration im Keller: Sind Sie wirklich krisenfest?“ Herbert Saurugg, Ex-Offizier des Bundesheers berät als Experte Gebietskörperschaften und Einsatzorganisationen bei der Vorbereitung auf den Ausfall lebenswichtiger Infrastrukturen:

„Sein Spezialgebiet ist sozusagen die Mutter aller Krisen, der Blackout, also ein vollständiger Ausfall des Stromnetzes über einen längeren Zeitraum. Saurugg erlebte im Zuge seiner Tätigkeit, wie viele Unternehmen, aber auch Gemeinden und wichtige Helfer wie Feuerwehren erkannten, dass sie während eines Blackouts selbst rasch handlungsunfähig wären. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit von Chaosszenen auf den Straßen, wie sie Autor Marc Elsberg in seinem Bestseller (‚Blackout – Morgen ist es zu spät’) beschreibt, alles andere als Fiktion. Einer der Gründe, warum die deutsche Regierung ganz aktuell ihrer Bevölkerung zum Anlegen von Vorräten rät, ist die als real bewertete Gefahr, dass Unfälle, aber auch Hacker oder Terroristen gezielt der empfindlichen Strominfrastruktur den Stecker ziehen.

Da sich der Staat in Österreich bei Krisen zunächst nur selbst versorgt, vereinfacht gesagt nur Koordination und Einsatzmittel der Bevölkerung zur Verfügung stellt, macht die Vorbereitung zum Selbstschutz den Unterschied.“

Bitcoins wurden erfunden, um Banken überflüssig zu machen. „Heute, sechs Jahre später, ist alles anders.“, schreibt Matthias Auer für Die Presse in „Das digitale Sparprogramm“:

„Egal, ob in Frankfurt, London, Zürich oder New York. Die großen Geldhäuser der Welt sind im Blockchain- Fieber. Sie haben die Kraft dieser Technologie, die auch hinter den Bitcoins steht, für sich entdeckt – und wollen sie beherrschen. Wie selbstverständlich suchen gut situierte Anzugträger seither auf Finanz-Konferenzen die Nähe junger Internetgründer. Vier Großbanken sind seit dieser Woche einen entscheidenden Schritt weiter: die Deutsche Bank, die schweizerische UBS, die spanische Bank Santander und das amerikanische Geldhaus Bank of New York Mellon wollen selbst eine digitale Währung schaffen, um damit untereinander zu handeln und so zig Milliarden Euro an Kosten zu sparen.“

„Bitcoin wird vielleicht eine Kuriosität bleiben.“, meint der Autor, „Die Blockchain hingegen hat das Zeug dazu, die Bankenwelt in ihren Grundfesten zu erschüttern. Denn ihr größtes Gut, das Vertrauen der Menschen, die ihr Geld hier deponieren, gibt es plötzlich im Internet zu einem Bruchteil der Gebühren, die klassische Banken ihren Kunden dafür abverlangen. Die traditionellen Banken „müssen etwas tun, sonst stecken sie tief im Schlamassel“, sagt etwa Felix Hufeld, Chef der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, beim Frankfurt Financial Summit.“

„Die Globalisierung ist auf den Rückzug“ beschreibt Karl Gaulhofer für Die Presse am Sonntag: „Die Globalisierung hat in den Jahren seit der Finanzkrise abgenommen. Der Welthandel wächst seither mit im Schnitt 2,5 Prozent pro Jahr langsamer als die globale Wirtschaftsleistung (mit 3,2 Prozent). Und das heißt: Die internationale Verflechtung geht zurück. Die deutsche ‚Welt’ hat diese Woche deshalb schon das „Ende der Globalisierung“ ausgerufen. Die Todesnachricht dürfte allerdings verfrüht sein. Anlass für die kühne Prophezeiung ist ein Index der deutschen DZ-Bank. Er beschränkt sich auf ein Indiz: die Direktinvestitionen der Unternehmen im Ausland, als ‚Träger der Globalisierung’. Die Daten aus 16 Industriestaaten (darunter auch Österreich) werden auf deren Wirtschaftsleistung bezogen. Auch wenn die Werte von Jahr zu Jahr stark variieren, legt die Entwicklung einen Schwanengesang nahe: Die Trendlinie zeigt eindeutig nach unten. Das ist aber nur ein Aspekt. Die Schweizer Großbank Credit Suisse bezieht weit mehr Faktoren ein. Auch in ihrer Analyse zeigt sich: Der Anteil der Vermögenswerte, die Großkonzerne im Ausland halten, ist deutlich zurückgegangen, von 26 Prozent im Jahr 2008 auf 18 Prozent vier Jahre später. Aber der Anteil der Umsätze, die sie im Ausland tätigen, steigt weiter an, wenn auch nicht mehr so steil wie vor der Krise.“

Die Welt wird multipolarer, sagt Gaulhofer, ein interessanter Fingerzeig auch für Europa: „Weil beim weltweiten Abbau von Handelsbarrieren nichts weitergeht, schließen Länder bilaterale Abkommen ab. Von den USA dominierte globale Institutionen wie Weltbank und Währungsfonds bekommen Konkurrenz, etwa von der asiatischen Entwicklungsbank. Der Renminbi steigt in den erlauchten Kreis der Reservewährungen auf. Regionale Finanzzentren bilden sich heraus. Auch die Verbreitung der Demokratie ist gestoppt: Diktaturen wie China und gesteuerte Pseudo-Demokratien wie Russland und die Türkei sind auf dem Vormarsch – zumindest, solange sie wirtschaftlich erfolgreich sind. Besonders China erweise sich als ‚stärker ausgeprägter Pol’, der „ganz eigene Verhaltensweisen ausbildet“.

Eine wesentliche Komponente dieses Trends nennt der Autor am Schluss, ohne das Megathema Industrie 4.0 zu nennen: „Für eine Revolution anderer Art aber könnte die weitere Automatisierung der Fabriken sorgen. Adidas stellt ab Herbst wieder einen kleinen Teil seiner Laufschuhe in Deutschland her. Freilich nicht von Menschenhand gefertigt, sondern von Robotern. Es könnte der Beginn eines Rückzugs aus jenen Ländern sein, in die der deutsche Pionier der Globalisierung seine Produktion einst verlegt hatte, von Indonesien bis Mexiko.“

Wir dürfen gespannt sein, wer die Verbindungslinie von da zum anderen Megathema zieht: Masseneinwanderung.

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