Hass auf Liebe und vom Beleidigtsein

Hassrede ist keine Besonderheit der Sozialen Medien; man kann Hass auch drucken. Und allem gegenüber empfinden, was nicht der Norm entspricht. Hilft alles nichts, kann man immer noch beleidigt sein. Roland Tichy und Fritz Goergen lasen für Sie Wochenblätter.

Mit Hassrede beschäftigt sie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung an  dreieinhalb Stellen: Im Politikteil die wohl nicht ganz falsche Beobachtung, dass viel Gestreite und Disputieren das Geschäftsprinzip von Facebook ist – jeder Hasspost ist ein guter Post, weil er weitere nach sich zieht. Daher auch die mangelnde Bereitschaft von Facebook, dagegen wirksam vorzugehen. Das ist die Lücke, die der Bundesjustizminister nutzt, um mit Steuergeld, Stiftungen und Vereinen seines Wohlwollens seine Parteilinie ins Netz zu tragen. Autor Morten Freidel beschreibt richtig das Innenleben des Konzerns, vergisst dabei die rechtlichen Grundlagen, die völlig ausreichend sind und von Facebook unterlaufen werden und folgt letztlich unkritisch der aus dem Bundesjustizministerium vorgegebenen Linie: Statt dem Recht zur Durchsetzung zu verhelfen, entsteht ausgerechnet im Hause des Bundesjustizministers ein Privat-Rechtsraum, der parteipolitisch instrumentalisiert wird.

Gewalt ist rechts, basta

Substanzieller, wie das jede Woche zu beobachten ist, greift im Wirtschaftsteil Marc Felix Serrao auf, wie Google-Tochter Youtube sich beim Bundesjustizminister sehr erfolgreich anbiedert und mit Hilfe der Stasi-erfahrenen Sturmtruppen aus dem Hause Maas wie der übel beleumdeten Amadeu Antonio Stiftung der Meinungsfreiheit an die Wolle geht: Es geht immer nur um rechte Gewalt; „Berichte über linke Gewalt und linken Hass sucht man vergeblich“. Es geht nicht um Hassrede – sondern um Linkspolitik. Serrao seziert in wenigen Zeilen die Methode von #NichtEgal, dieser Kampagne, die Niemandem egal sein darf, weil sie sogar Kinder instrumentalisiert. Serrao zeigt, wie Großkonzerne und linke Politik sich gegen die Meinungsfreiheit verschwören.

Aber Hassrede ist ja keine Besonderheit der Sozialen Medien; man kann Hass auch drucken. Gedruckten Hass präsentiert Karen Krüger, die sich vor Lamya Kaddor in den Staub wirft und deren Kritiker abkanzelt. „Verunglimpfen“ nennt sie es, wenn andere Journalisten Fakten recherchieren – etwa die Tatsache, dass die von Krüger stur als „Islamwissenschaftlerin“ gefeierte Kaddor keinerlei wissenschaftliche Qualifikation vorlegen konnte oder dass sie nicht Lehrerin mit Staatsexamen und Referendariat ist – sondern nur eine Lehrbefugnis hat, die ihr von islamistischen Interessen-Verbänden mit tiefen Verbindungen zu verfassungsfeindlichen und fremdgesteuerten, islamistischen Gruppen erteilt wurde. Dass dies den angeblichen „liberalen“ Kaddor-Islamismus ad absurdum führt – sieht sie nicht: Hass macht Krüger blind. Recherche ist ein Handwerk, das auch dem Feuilleton gut zu Gesicht stünde – so bleibt der Artikel ein Stück gedruckter Hass auf Ramschniveau. Und Wissenschaft sollte schon etwas sein, was nicht nur aufgepappt wird wie ein Kaugummi.

Hass gegen alles außerhalb der Norm

Wenden wir uns einem hübschen Stück zu: Erstaunt berichtet Anke Schipp über eine Mutter, die ihre Kinder zu Hause erzieht! Nein, dass es so etwas noch gibt! Und mit höchstem Erstaunen notiert Schipp, dass dieses staatsferne Kind das ist, „was man ein vergnügtes Kind nennt.“ Mit entspanntem Alltag: „Morgens können die Kinder ausschlafen.“ Vorsichtig nähert sie sich dem Phänomen, dass verstaatlichte Kindererziehung vielleicht gar nicht so toll für die Kinder ist, wie man seit Jahrzehnten propagiert. Und dass es sogar Eltern gibt, die auf Einkommen verzichten, um „die kostbare Kindheit ihrer Kinder mitzuerleben und sie mitzugestalten.“ Es ist auch da von Hass die Rede, die solchen Müttern entgegenschlägt, weil sie sich die Freiheit nehmen, gegen das neue Einheitsmodell des Doppelverdienerpaares zu votieren. Sogar das verfemte Betreuungsgeld traut sich Schipp in einem Halbsatz ohne ritualisierte Fluchformel zu benennen. Hass ist eben doch ein wirksamer gesellschaftlicher Motor, der sich gegen Außenseiter richtet. Und wenn es Mütter sind.

Die interessanten Sachen finden sich in dieser WeLT AM SONNTAG nicht auf dem Titel, sondern verstreut. Naina Kümmel lebte noch bei ihren Eltern in Köln, als sie im Januar auf Twitter schrieb: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen.“ Jennifer Wilon berichtet: „Einen Tag später meldeten sich Zeitungen und Fernsehsender … Vor dem Schulhof warteten die Fernsehteams …“ Die arglos zur öffentlichen Person gewordene hat Abitur gemacht und studiert in Berlin. Die Zahl ihrer Twitter-Follower stieg im Januar auf 22.000. Ihre Erfahrung: „Aber je mehr Leute du erreichst, desto mehr Hater erreichst du auch“ – bis hin zu denen, die ihr nicht nur schrieben, dass sie dumm sei und verschwinden solle, sondern auch: „Bring dich doch um.“ Gegen Mütter – siehe oben – oder gegen eine muntere junge Frau: Außerhalb der Norm wartet Hass.

WamS-Autor Kristian Frigelj erinnert an Emitis Pohl, die vor 30 Jahren aus dem Iran floh und deren Buch „Deutschsein für Anfänger Integration ist meine Pflicht“ jetzt erscheint. Bei hartaberfair habe sie nach der Kölner Silvesternacht gefordert, „man ,müsse kriminelle Flüchtlinge schneller abschieben und nationale Grenzen notfalls schließen.“: „Sie habe großes Mitgefühl für Kriegsflüchtlinge, ‚aber definitiv nicht für kriminellen Abschaum (egal ob Deutsche oder Ausländer)‘ Man müsse ‚doch in einem Land wie Deutschland seine Ängste und Sorgen äußern können, ohne attackiert und in die falsche Ecke gestellt zu werden‘, schrieb sie …“ Pohl wollte damals beides nicht, von der AfD einvernahmt werden und von links angefeindet. Heute führt Pohl eine eigene Marketing-Agentur.

„Die Macht der Beleidigten“, ein Beitrag von Jens Jessen für das Feuilleton der ZEIT als Aufmacher. Ein bemerkenswertes Stück. Die als Titelbild gesetzte Leberwurst allein wird zu wenig sein, um viele Leser bis auf Seite 41 zu locken, wo der Text beginnt. Hier müssen Sie auch bis zum Schluss warten. Erst zu Merkel als Mama Afrika.

Merkel in Afrika

Auf den Seiten zwei und drei startet die vom Bundespresseamt breit in die Landschaft gestreute Kampagne mit der Werbebotschaft, „Von wegen Richtungswechsel! Immer mehr Menschen aus Afrika wollen nach Europa. Angesichts dessen erweitert Angela Merkel ihre Flüchtlingspolitik.“ Der Kanzlerin scheint gar nicht aufzufallen, was sie da sagt: Nicht das von ihr abgelehnte Schließen der Balkanroute, sondern nur „das EU-Türkei-Abkommen bringt eine nachhaltige Lösung.“ Gegen das Schließen ist sie also nicht. Setzen lassen. Und jetzt den Schluss des Interviews lesen:

„Nun können wir natürlich nicht die ganze Welt von einem Tag auf den anderen zum Besseren wenden. Aber wenn wir deutsche Interessen verfolgen wollen, müssen wir realistischerweise sagen, dass auch das Wohl Afrikas im deutschen Interesse liegt.“

Von einem Tag auf den anderen nicht, aber sonst eigentlich schon. Aha, der Bundestagswahlkampf hat begonnen.

Nun also zum Beleidigtsein. „‚Minderheit müsste man sein!‘ lautet der hässlichste Satz  des beleidigten Mehrheitsbürgers.“, schreibt Jens Jessen. Früher habe das Gesicht verloren, wer Beleidigungen nicht unauffällig wegsteckte, es sei denn: „Man forderte zum Duell.“  Heute sei das umgekehrt: „Man bekommt erst ein Gesicht, wenn man beleidigt auftritt.“ Und: „Man zeigt sich beleidigt, um etwas zu bekommen.“

Und „man“ bekommt:

„Der Gewinn ist nicht nur ideell. Es können öffentliche Mittel fließen, Schulbücher umgeschrieben werden. Es können Politiker öffentliche Reden halten und ministerielle Stellen schaffen: Frauen-, Ausländer-, Gleichstellungsbeauftragte. Es können die Medien über Jahre den Leiden der Opfer und ihren beleidigten Nachfahren Aufmerksamkeit verschaffen, eine knappe Ressource in der abgelenkten Zeit.“

Dieser Jessen lohnt zu lesen. In einer Rezension ist nicht der Raum, alles wiederzugeben, daher der Vorsatz, das Thema nehmen wir getrennt in einem eigenen Beitrag auf. Als Appetizer noch das:

„Vertreter der Beleidigten und Erniedrigten können als Funktionäre von Parteien und Verbänden stark und mächtige werden. An Universitäten lässt sich eine Professur, mindestens eine Stelle in einem Forschungsprojekt ergattern. Wo Zurücksetzung anerkannt wurde, entsehen Arbeitsplätze. Nicht immer sind es die Opfer, die von der öffentlichen Zuwendung profitieren. Aber immer profitiert, wer als ihr Sprecher auftreten kann …“

Also bis demnächst im Beleidigtentheater.

Antidiskriminierungsgesetz

BerndZeller_Buch

 

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