Wie am deutschen Wesen das Klima genesen soll

Der Fanatismus, mit dem sie sich viele auf den Klimawandel stürzen, erschreckt mehr als der Klimawandel selbst. Hier kommen Ansätze von genau jenen Urkräften zum Vorschein, der Besessenheit, dem Größenwahn, die uns Deutsche schon früher ins Elend führten und die unsere Nachbarn so fürchten.

Carsten Koall/Getty Images

Viele meiner ausländischen Freunde befremdet es, dass wieder einmal die Deutschen die Welt an ihrem Wesen genesen lassen wollen. Oder genauer gesagt: Diesmal das Weltklima. Der alte, unheilvolle Größenwahn steckt vielen hierzulande noch tief im Kopf – vor allem in Politik und Medien. Nur diesmal in grünem Gewand. Selbstreflexion fehlt vielen völlig – kritische Hinweise werden mit dem Eifer und absolutistischem Anspruch zurückgewiesen, die an Ketzerbekämpfung erinnern. Jeglicher Versuch eines nüchternen, logischen Diskurses scheint bei vielen so sinnvoll, wie ein Versuch, einem Iman die Existenz Allahs ausreden zu wollen.

Aber nicht nur ausländische Freunde schütteln den Kopf und machen sich Sorgen. Ein deutscher Freund, früher hochrangiger Beamter und SPD-Mitglied, schrieb mir: „Wir sind einmal wieder dabei, der Welt zu zeigen, dass wir — besser — sind. Die letzten beiden Male mit dem Militär, davon das zweite Mal ausserdem noch mit der angeblich höherwertigen Rasse – das hat alles nicht geklappt. Dieses Mal eben mit dem grünen Wahn. Es gibt kein Volk in der Welt, daß sich derart an diesem Wahn berauscht wie das unsrige. Alles ist zu einem Teil ein Erbe der Romantik und mit tieferer Wurzel sogar mit Verbindungen zur Reformation, ohne dass diese dafür mitverantwortlich zu machen wäre. Das Ergebnis ist jedenfalls, daß wir zu einem vernünftigen und in sich ruhenden politischen Leben vermutlich garnicht fähig sind. Kommen dann die Merkels und die Thunbergs, dann brennen die Sicherungen wieder durch. Es hilft uns nur, um uns von uns selber zu retten, das möglichst weite Aufgehen in der EU. Die anderen wissen das freilich und lassen uns dafür zahlen.“

Zumindest insgeheim scheint Angela Merkel das zu ahnen, auch wenn sie mit Inbrunst auf der Klimawelle reitet (wobei dahingestellt bleibe, ob sie dies aus ihrem hinlänglichen bekannten Opportunismus heraus tut, oder, weil sie mit einem Öko-Sozialismus liebäugelt, oder wegen beidem). „Wir machen das nicht aus ideologischen Gründen“, erklärte die Kanzlerin zum Klimagipfel. Eine Verneinung, die für den aufmerksamen Beobachter genau das bestätigt, was sie eigentlich abstreiten soll.

Wie ideologisch der Klima-Wahn ist und wie weit er geht, zeigt etwa der Spiegel, der sich mit der Zeit um den inoffiziellen Titel des „Zentralorgans der Klimaretter“ streitet – wobei es vielleicht nur noch eine Frage der Zeit ist, bis als Untertitel auf dem Cover eine Losung stehen wird, wie das einst bei der kommunistischen Staatspresse üblich war: „Klimakämpfer aller Länder, vereinigt Euch.“

„Jeden Tag quält sich unsere Autorin mit der Frage, ob sie umweltbewusst genug lebt. Vom Klimapaket erhoffte sie sich Antworten. Die Ergebnisse nimmt sie der Bundesregierung ganz persönlich übel“, heißt es im Einstieg zu einem Kommentar von Elke Schmitter in dem Hamburger Blatt in einer Serie „Schwerpunkt Klimakrise“. Die ganze Absurdität des deutschen Klimawahns in zwei Sätzen!

Wenn sich eine Journalistin jeden Tag mit der Frage quält, ob sie umweltbewusst genug lebt, liegt der Schluss nahe, dass wir es hier entweder mit Wohlstands-Übersättigung oder Masochismus zu tun haben. Oder dass sie schlicht heuchelt. Und welche Antworten soll ein Maßnahmenpaket des Staates geben?

Bei der ZEIT ist der Meinungskorridor inzwischen so eng, dass bei in einem „Streitgespräch“ zum Umgang mit dem Klimawandel zwei Autoren mit der gleichen Grundhaltung und der gleichen Meinung zu Wort kommen, die sich in Nuancen und der Umsetzung nicht einig sind. ZEIT-Journalisten verkauften das dann als «Streit» und feierten sich: „Es ging zur Sache!“ Die Kollegen bemerken offenbar gar nicht mehr, wie eingeschränkt ihr Horizont ist.

Man mag zum Klimawandel stehen wie man will. Ich persönlich habe massive Zweifel an der vorherrschenden, dominierenden Meinung bekommen, nachdem ich zum einen die Arbeiten meines Kollegen Michael Miersch, mit dem ich in einer Redaktion arbeitete, gelesen und mich intensiv mit der deutsch-russischen Schriftstellerin und Journalistin Sonja Margolina ausgetauscht habe – zwei sehr klugen Köpfen, denen ich sehr vertraue. Ihre Zweifel sind klug, fundiert, und für mich schwer zu widerlegen. Als Nicht-Fachmann maße ich mir kein abschließendes Urteil an. Damit ist man in Deutschland heute schon Klima-Leugner, obwohl eigentlich „Klima-Agnostiker“ das passendere Wort wäre (erstaunlich, aber selbstverständlich die Verwendung von Begriffen aus der Religion geworden ist – aber es ist auch logisch, hat der Klima-Glaube doch bei vielen religiösen Charakter).

So zurückhaltend ich mit einer Einschätzung des menschlichen Einflusses auf den unbestreitbaren und seit Beginn der Erde fortwährenden Klimawandels bin, so eindeutig ist mein Urteil über den Umgang vieler Deutscher, vor allem in Medien und Politik, damit: Der Fanatismus, mit dem sie sich auf den Klimawandel stürzen, erschreckt mich mehr als der Klimawandel selbst. Hier kommen Ansätze von genau jenen Urkräften zum Vorschein, von jener Besessenheit, jener maßlosen Selbstüberschätzung, ja Größenwahn, jenem missionarischen Eifer und totalitärem Denken zum Vorschein, die uns Deutsche schon früher schon ins Elend führten und die unsere Nachbarn so fürchten. Zu Recht.

„Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant“, mit dieser Überschrift zitiert der Spiegel Roger Hallum, den der als „Klima-Aktivist“ vorstellt. Das ist das Rezept für jedes totalitäre Regime. Und dieses ist wieder hoffähig bzw. schlagzeilenfähig im Deutschland des Jahres 2019. Erstaunlich, wie resistent viele hierzulande gegen die Lehren der Geschichte sind.

Statt wie besessen zu versuchen, mehr oder weniger im Alleingang das Weltklima zu retten, sollten wir das Klima verbessern, für das wir alleine verantwortlich sind: Das geistige Klima in unserer Gesellschaft, das Klima des Umgangs miteinander und mit anderen Meinungen. Die Überhitzung, ja Vergiftung dieses Klimas ist gegenwärtig die größte Gefahr für Deutschland.


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Lesen Sie auch Reitschusters Kolumne «Berlin extrem – Frontberichte aus Charlottengrad»: Darin lüftet der Autor ironisch den Blick hinter die Kulissen der russisch-ukrainisch-jüdischen Diaspora an der Spree, deren Außeneinsichten oft ungewöhnliche Perspektiven eröffnen. Darüber hinaus spießt der Autor den Alltags-Wahnsinn in der Hauptstadt auf – ebenso wie die Absurditäten in der Parallelwelt des Berliner Politikbetriebs und deren Auswirkungen auf den bodenhaftenden Rest der Republik.

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Kommentare ( 151 )

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Helmut in Aporie
4 Jahre her

Wenn die Kanzlerinnendarstellerin jetzt wieder bekräftigt, dass Deutschland bis 2050 „kohlenstofffrei“ sein muss, nichts anderes bedeutet ja der von ihr verwendete Begriff decarbonisieren, beweist das eine für mich, als naturwissenschaftlich geprägten, eine unglaubliche Verblödung der uns Regierenden. Kein einziger der sich zu den etablierten Parteien zählenden wehrt sich gegen diesen unglaublich törichten Versuch, der zu der völligen Zerstörung unseres Landes führen müsste, würde er durchgezogen!

Dedaidn
4 Jahre her

In der Zwischenzeit gibt es doch einige Journalisten und auch doch ein Menge Deutsche (schweigende Mehrheit) die diesem ganzen Klima-Hype inkl. der immer häufiger auftretenden Radikalität, doch sehr kritisch gegegenüber stehen, bzw. dieses sogar ablehnen.

Warum gibt es nicht endlich mal eine Gegendemo, eine Organisation, welche uns organisiert.
Warum schauen so viele (wieder mal) zu?
Was passiert da?

Ich verstehe es nicht…..und bin schon langsam verzeifelt…

Heinrich Wolter
4 Jahre her

Ich vermisse das Plakat „Schaltet Deutschland ab!“. Oder braucht man das gar nicht mehr, weil sowieso jeder weiß, das das kommt, wenn sukzessive ab 2020 die Steinkohlekraftwerke abgeschaltet werden, ohne daß Ersatz bereitsteht, wenn die erneuerbaren mal nicht liefern. Peter Maffay hat dafür allerdings schon 1985 Abhilfe gewußt:“Sonne in der Nacht“.

Karlsruher
4 Jahre her

„Viele meiner ausländischen Freunde befremdet es, dass wieder einmal die Deutschen die Welt an ihrem Wesen genesen lassen wollen.“
Mich ebenso, m/w/d (männlich/weiß/deutsch)

3epnm
4 Jahre her

„Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant“ Damit ist eigentlich alles gesagt. Es geht gar nicht um das Klima. Es geht eher um Kryptomarxismus. Erst wird den Menschen Angst vor dem Armageddon gemacht – solange bis diese bald psychotisch werden. Dann werden Notstandsgesetze erlassen zum Wohle des Volkes und alle jubeln. Schliesslich können die „Eliten“ schalten und walten unabhängig von lästigen Wahlen durch das doofe Volk behindert zu werden. Wenn man hört, das diverse Klimawissenschaftler und Aktivisten fordern, ein Vetorecht im Parlament zu erhalten. In einigen Städten bereits der Klimanotstand ausgerufen wurde. Immer öfter zu Gewalt gegen Autofahrer… Mehr

DELO
4 Jahre her

In Deutschland will gegenwärtig die Politik und die Medien nicht das geistige Klima der Gesellschaft verbessern. In Deutschland wird von einer linken, teilweise radikalen und militanten Clique gerade der Versuch unternommen, einen Staatsumsturz hinter der Maske von Klimaschutz und Massenemigration einzuleiten. Hierbei soll der Kapitalismus abgeschafft und die bürgerliche Gesellschaft ausgehebelt und zugunsten sozialistischen Wahnvorstellungen mit totalitären Charakterzügen umgewandelt werden. Den Unfug „Deutschland rettet klimatisch die Welt“ mit einem schreienden Kindergesicht kann ja wohl niemand ernsthaft glauben. Die einströmenden, für deutsche Arbeitsplätze relativ ungebildeten Massen aus Drittländern sollen die angestrebte, neue Welt unterstützen, weil man glaubt, daß sie einfach lenkbar… Mehr

Michael Theren
4 Jahre her

Schon putzig, wie das westliche (US) Propagandaprodukt „Klimawandel“ auf das westliche Propagandaprodukt „Deutsche Hybris die zum 1. Weltkrieg führte“ trifft.
Die Opfer gestalten also ihren persistierten Tätermythos selbst bis in alle Ewigkeit.
Etwas mehr Differenziertheit anstelle die Jahrhunderte zu vermischen und historische Fakten gleich mit „umzuschreiben“ wäre schon schön Herr Reitschuster.
Das Kaiserreich war mit Abstand die liberalste Großmacht seiner Zeit, schauen Sie einfach einmal auf die imperiale Suprematspropaganda in GB, USA, Frankreich oder selbst Italien…

Helmut in Aporie
4 Jahre her
Antworten an  Michael Theren

Nun, etwas Hybris war schon, besonders aber Dummheit. Den Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht zu verlàngern, wegen der Nibelungentreue zu Österreich, war eine Dummheit.

Michael Theren
4 Jahre her
Antworten an  Michael Theren

bzgl. „politischer Dummheit“ stimme ich zu, das ist wohl über alle Zeiten hinweg ein wirkliches deutsches Merkmal, Beispiele gibt es genügend, aber Dummheit ist nicht strafbar, bzw. bestraft sich selbst…mit etwas guten Willen kann man anstelle von politischer Dummheit aber auch Ehrlichkeit sagen und dann haben Sie auch wieder mit den Nibelungen recht, aus Ehrlichkeit in den Abgrund, aber muß man sich deshalb schämen? Dumm war es nicht zu versuchen den Pakt mit Rußland zu verlängern, um dann den Russen den schwarzen Peter zu überlassen, denn verlängern wollten ihn die Russen eh nicht (bzw. die von Frankreich gekauften Kräfte im… Mehr

bkkopp
4 Jahre her

Mir scheint, dass “ Agnostiker “ im Bezug auf eine Gott und Religion anders definiert ist. Ich glaube nicht, dass die unzweifelhaften Erwärmungen der letzten Jahrzehnte ( Gletscherschmelze usw.) zu der von den Klimareligiösen prognostizierten Klimakatastrophe führen müssen. Al Gore’s Inconvenient Truth, immerhin ein Oscar-film, und auch die Grundlagen des Pariser Klimaabkommens schienen mir immer fragwürdig. Ich glaube auch nicht, dass die von den Klimareligiösen angestrebten CO-2 Einsparungen einen Klimawandel, so er sich denn fortsetzt, materiell beeinflussen könnten. Am aller-wenigsten glaube ich, dass Leute, die “ keinen Flughafen bauen können “ (Reitschuster) oder global das mit Sicherheit zu 100% menschengemachte… Mehr

bfwied
4 Jahre her

Die Deutschen sehnen sich mehrheitlich nach einem Führer, wissen wir. Kinder versuchen – offenkundig mit mehrheitlicher Billigung – die Politik, d. h. alle Erwachsenen zu verklagen, wobei die „Argumente“ immer irrer werden. „Kindheit gestohlen“, „Zukunft gestohlen“, und völlig verrückt ist, dass das Heil wieder mal im Sozialismus liegen soll, der aber diesmal, weil er in der gesamten Geschichte noch niemals funktioniert hat, der wahre Sozialismus sein soll. Sie rufen nach Gesetzen, nach Enteigung, nach offizieller totaler Abschaffung des Wohlstands, der Demokratie und der Freiheit, weil Sozialismus nur so funktionieren kann, wenigstens für eine Weile, und sie setzen sich absolut, als… Mehr

Helmut in Aporie
4 Jahre her
Antworten an  bfwied

Ein hervorragender Kommentar den außer mir niemand gut findet? Ich bin erschüttert!

Dieter Rose
4 Jahre her

im „Guten“
wie im Schlechten,
wir Deutschen
sind die Beschten.