Heiko Maas und die AfD

Heiko Maas schilt das neue Programm der AfD als verfassungswidrig. Offenbar müssen sehr viele, auch Heiko Maas und viele Muslime in Deutschland lernen, dass Demokratie Diskurs und Meinungsstreit heißt und nicht „Religionsfreiheit und Basta“.

Auch der Satz, das Christentum gehört zu Deutschland, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Unsinn. Das Christentum, das sich im Laufe der letzten 1.200 Jahre in Deutschland stark verändert hat, hat kulturell prägenden Einfluss auf Deutschland ausgeübt, so weit so gut. Aber auch das Christentum, das durchaus Recht setzende Geschichte geschrieben hat, gehört nicht als Christentum, sondern nur abstrakt als Religion ins Grundgesetz, zu Deutschland. 

Auf was für eine Quatschdiskussion hat Christian Wulff die ganze Diskussion geführt und auf was für einem Quatschniveau setzt Heiko Maas sie jetzt fort?

„Ein anderes Deutschland“

Nähern wir uns der Frage, wie die Maas’sche Behauptung, dass der AfD-Satz, der Islam gehört nicht zu Deutschland, verfassungswidrig sei, zu beurteilen ist, von einer ganz anderen Seite. Einer hat es im Heiko-Maas’schen Lager vorgebetet und jetzt ist es Mode geworden, nämlich der Satz, die AfD wollte vor allem im Hinblick auf den Islam und die Einwanderung ein „anderes Deutschland“

Nichts gegen unfreiwillige Komiker, aber wenn sie sich selber veralbern, ist es eben peinlich und darüber darf man dann auch seine Schadenfreude und seinen Spott ergießen.

Der Status quo war, was Europa und auch Deutschland anbelangt, bis vor wenigen Jahrzehnten klar. Es gab kaum muslimische Einwanderung; das wird hier vor allem auch hervorgehoben, weil der schon zitierte Joachim Gauck genau auf diese Tatsache wesentlich im Rahmen seiner Gedanken zum nicht zu Deutschland gehörenden Islam, aber den sehr wohl zu Deutschland gehörenden Muslimen, abgehoben hatte. 

Also, der Bundespräsident hat die Realität, die immer noch die Grundlage des Rechts sein sollte, die aber von Ideologen regelmäßig in die eine oder andere Richtung manipuliert, gegrillt, tiefgefroren und zersägt wird, einfach beschrieben. Dieser Gauckschen Beschreibung aus 2010 zufolge ist die Integration nicht gelungen, ist auch die muslimische Integration nicht gelungen, weshalb er dem Wulffschen Satz widersprach.

Es war die muslimische Einwanderung, die von manchen begrüßt und von anderen abgelehnt, inzwischen in wenigen Jahrzehnten, also historisch in einem winzigen Zeitraum, die Bundesrepublik und Europa ganz faktisch verändert hat. Da liegt, so gesehen, das „andere Deutschland“. Das mag man begrüßen oder nicht, so ist die Faktenlage. In historischer Dimension gedacht, wirkt der Satz, dass diejenigen, die zu Recht oder zu Unrecht Islamkritik üben, diejenigen wären, die ein „anderes Deutschland“ wollten, etwas lächerlich. (Über keine Religion wird so viel geredet, wie über den Islam, warum eigentlich?)

Die andere Republik oder die, wie die AfD offenbar meint, undemokratisch veränderte Republik wieder etwas näher an den Originalzustand des nicht mehr existierenden Deutschlands quo ante zurück versetzen zu wollen, das ist das Anliegen der AfD. Der AfD-Co-Chef Alexander Gauland hat gerade in einem Interview mit dem Deutschlandfunk zu Protokoll gegeben, dass nach Auffassung der AfD die Muslimverbände, die nur einen Bruchteil der Muslime in Deutschland demokratisch vertreten, es sehr leicht hätten den Diskurs über den Islam, den die AfD in Deutschland eröffnet hat, zu moderieren: Die Verbände bräuchten nur auf die Scharia oder deren Geltung offen und explizit zu verzichten.

Das mag eine schöne Vorstellung sein, aber sie greift zu kurz. Ein Bekenntnis zum uneingeschränkten bedingungslosen Vorrang des Grundgesetzes, und das meint Gauland wahrscheinlich auch, würde die ganze Islamdebatte in der Tat moderieren. Der Justizminister muss die Frage beantworten, warum er als Verfassungsminister sich nicht intensiver um den verfassungsrechtlichen Primat kümmert.

Es ist Tradition, da müssen sich die Islamverbände an die eigene Nase fassen, dass sie eigentlich von morgens bis abends jahrein jahraus ganz einseitig immer neue Forderungen stellen, Urteile über die deutsche Gesellschaft fällen und Verurteilungen vornehmen, aber selber vergleichsweise sehr wenig selbstkritisch anbieten sowie Forderungen an sich selbst, an ihre Gemeinschaft formulieren. Diese Einseitigkeit, gewiss auch in Verbindung mit vielen Erscheinungen unguter Art, die im Namen des Islam passieren, bringt schon eine gewisse Bringschuld mit sich. Wenn die nie erfüllt wird, dann ist das nicht gut.

Man kann nicht in eine 1.200 Jahre alte europäische Kultur herangehen, den Spieß umdrehen und sagen, alles tanzt nach meiner Pfeife. Der Westen ist nun einmal sehr agnostisch, sehr profan, auch oberflächlich, auch oberflächlich christlich und hat kein rechtes eigentlich notwendiges, emotionales Verhältnis zu seiner oft sehr flach rationalisierten Verfassung. Da kommt nicht viel mehr als der Sonntagsspruch von den westlichen Werten.

Was ist an einer Religion Religion?

Was ist an einer Religion Religion und was nicht? Religion und Macht, Religion und Politik, Religion und Geld, Religion und Brauchtum und sogar Religion und Terrorismus – das sind alles wohl bekannte Kombinationen, um es einmal so zu nennen. Aber eben bei weitem nicht alles kann von der Religionsfreiheit geschützt werden und darf auch von der Religionsfreiheit nicht geschützt werden. Auch die Definition des Begriffes Familie, des Instituts der Ehe, der Rechtsstellung der Familienmitglieder spielen eine große Rolle bei der Beurteilung, was darf Religion, und was darf sie nicht. Deutschland gendert sich zu Tode und schafft den Mann ab. 

Die muslimischen Einwanderer haben da eine total entgegen gesetzte Tradition. Auch die Tatsache, die Sigmar Gabriel in Ansehung seiner ihm weglaufenden typischen SPD-Wähler auf die Palme bringt, dass der eingeborene sozial Benachteiligte oder, siehe ganz aktuell das Bundesleistungsgesetz aus dem Nahles-Bereich, der Behinderte finanziell an die Kandare genommen wird, gehört in diesen Kontext. Zumal die Einwanderer, meist männliche jüngeren Muslime, faktisch wie rechtlich ohne Gegenleistung, ohne Anforderung und manchmal sogar ohne jeden Integrationswillen finanziell sehr gut gestellt und mit allen möglichen Geschenken überhäuft werden, die aus dem Herkunftshorizont vieler Einwanderer zu desintegrativ wirkenden schweren Missverständnissen führen. Und auch all diese Tatsachen gehören in den Diskurs, wie kann es dazu kommen, dass der Islam hierzulande so diskutiert wird, wie es sich derzeitig entwickelt.

Nicht alles, wo der Stempel „Religionsfreiheit“ draufgeklebt wird, hat etwas mit Religionsfreiheit zu tun

Nach einem halben Jahrhundert Einwandererförderung sind vielleicht mal ein paar Jahrzehnte lang Einwanderer-Förderung durch vorrangige Forderung angesagt. Auch durch die Forderung sich in die verfassungsmäßige Ordnung einzugliedern, aktiv einzugliedern, passiert Integration. Es läuft etwas schief, wenn man den Einwanderern ihre ethnische, ihre religiöse und ihre staatliche Heimat ständig hinterherträgt, während das Land, in das sie einwandern und dass die gesamte Einwanderung bezahlt, einen auf Selbstauflösung macht. („Nie wieder Deutschland“, „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ usw.)

Auch im Bereich der Religion muss ein Ausgleich zwischen teils sehr fremden Vorstellungen gefunden werden. 1,5 Milliarden Muslime auf dieser Welt, von denen einige in Europa leben, die oft auch nach Generationen noch enge Kontakte in die Herkunftsländer unterhalten, sind eine Tatsache, die den wieder in Mode geratenen argumentativen Mißbrauch der Ermordung von 6 Millionen Menschen aus der jüdischen Minderheit oder anderen Minderheiten in Deutschland vor 70 Jahren absolut verbietet.

Die fröhliche Frage des Deutschlandfunk-Interviewers an Gauland nach dem Minarett-Neubauverbot der AfD, die eine Relation zu den von Nazis abgebrannten Synagogen herstellte, war infam. Ein fristloser Kündigungsgrund: Der Mann weiß offenbar nicht, wieviele Juden es in Deutschland und weltweit gab und dass die Juden keinen eigenen Staat hatten, der sie unterstützte, in den sie gehen konnten, der ihnen Heimat hätte gewesen sein können, in dem Verwandte leben.

Der Diskurs über die muslimische Religionsfreiheit ist von Maas wieder einmal auf eine anheizerische, ungute Art fehlgeleitet worden. Er reißt einen dürren Artikel aus dem Grundgesetz heraus und entkleidet die Religionsfreiheit unangemessen versimpelnd auf Kleinstbereiche der Realität.

Die AfD geht offenbar davon aus, dass dem Islam ein politisches oder machtpolitisches Momentum immanent ist und lehnt die politische, ihrer Meinung nach nicht von der Religionsfreiheit gedeckte Komponente für den Westen ab. Das mag großer Quatsch sein, eine zunehmende Zahl von Bundesbürgern hält das offenbar für die zutreffende Zustandsbeschreibung, darüber muss offenbar diskutiert werden. Denn die Wählerpotenziale der AfD sind sicherlich groß. Und so geht Demokratie.

Ignorieren und verteufeln ist immer kontraproduktiv. Offenbar müssen sehr viele, auch viele Muslime in Deutschland lernen, dass Demokratie Diskurs und Meinungsstreit heißt. Und nicht Religionsfreiheit und Basta heißen kann. Die westliche Religionsfreiheit schließt auch die intellektuelle Freiheit der Religionskritik ein. Wer diese Gedankenfreiheit religiös motiviert abwürgt, verletzt nicht nur das Grundrecht der Religionsfreiheit, das Recht der Meinungsfreiheit, sondern auch das Rechtsstaats- und Demokratiegebot.

Der Fernsehmoderator und Interviewer Michel Friedman wird vom
Deutschlandfunk interviewt und vertritt eine ähnliche Position wie Heiko
Maas. Auch er greift zu kurz und reduziert das Institut der Pressefreiheit
wohl unzulässig.

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