Grexit: Schluss mit dem Geld aus der Gießkanne!

Die griechische Krise ist hausgemacht und hat System

Eines steht nach fünfjähriger Rettungserfahrung fest: Das Zuschütten Griechenlands mit Geld, teils aus den Staatskassen der Eurogeberländer, teils durch Verbürgung der Eurogeberländer gegenüber den Investoren des Weltfinanzmarktes für griechische Neukredite, hat die Griechenlandkrise nicht zu lindern vermocht. Die griechische Wirtschaft liegt darnieder, die griechische Finanzverwaltung kommt nicht in die Gänge, die überbordende Bürokratie Griechenlands ist nicht gebändigt, die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, die Korruption ist nicht besiegt, das Kapital flüchtet, Auslandsinvestitionen sind rar, die jungen Qualifizierten wandern, wie schon dargelegt, aus. Und: Eine sehr wohlhabende Geldelite sahnt ohne Gegenleistung Geld aus dem notorischen Chaos ab.




Die griechische Gesellschaft ist erregt und bis zum Zerreißen angespannt und permanent werden die falschen Schuldigen gesucht: Die Schuld hätte Berlin, Brüssel oder die jeweilige Vorgängerregierung in Athen.

Die Tatsache, dass die griechische Krise hausgemacht ist und seit Jahrzehnten System hat, wird verdrängt. Griechenland steht heute um Einiges schlechter da als zu Beginn der Krise. Prima facie hat die Therapie mit der großen Geldspritze versagt. Und immer besseres Geld immer schlechterem hinterher zu werfen, ist den Steuerzahlern der Geberländer nicht zuzumuten und ihnen ist auch nicht zuzumuten, sich jahrein jahraus immer dieselben Beschwichtigungen anhören zu müssen, wie zum Beispiel das Mantra, dass der Rettungsaufwand garantiert demnächst oder irgendwann Früchte zeitigte, weil schließlich sicher gestellt wäre, dass in Griechenland und anderen schwachen Euro-Ländern die ausbedungenen Reformen, Reformen, Reformen verlässlich und überprüfbar durchgeführt würden.

„Ich scheiß Dich zu mit Geld“

Jean-Claude Juncker stellte kürzlich sein 300 Milliardenschweres Konjunktur-Ankurbelungspaket für Europa vor. Und Mario Draghi schier unendliches Billionenprogramm läuft, auch wenn es kaum noch jemand zur Kenntnis nimmt. Die EZB wird auf gut deutsch bis 2016 für insgesamt 1,14 Billionen Euro marode Staatsanleihen aufkaufen, um so klamme Staaten mit Geld und Geldnachschub zu versorgen.

Draghis Billionenkonzept, womöglich als Placebo-Effekt konzipiert, mag dem EZB-Chef in den Sinn gekommen sein, nachdem er sich zur Entspannung den deutschen Kultfilm „Kir Royal“ von Helmut Dietl mit Franz-Xaver Kroetz als Klatschreporter „Baby Schimmerlos“ angeschaut hat.

Da sagt der schwerreiche Klebolinhersteller (Mario Adorf) aus Düsseldorf zu dem Journalisten, den er korrumpieren will, siegessicher: „Ich scheiß dich zu mit meinem Geld.“ Und zwar mit immer mehr Geld. Und irgendwann – nimmst du es.

Und in der Tat handelt es sich um eine Art „Zuscheißen mit Geld“, was die EZB im Konzert der Retterei zur höchsten Finanzkunst erklärt hat. Aber lässt sich die Wirtschaft, lassen sich die Finanzmärkte damit korrumpieren? Die EZB akkumuliert Haftung für Staaten wie Griechenland, von denen nichts oder nur eingeschränkt etwas zu holen ist. Durch ihre Garantie macht sie fiktiv aus Schuldnerstaaten wie Griechenland, die sich überhaupt kein Geld mehr leihen können oder nur noch gegen horrenden Risikoaufschlag, quasi Triple-A-Länder, die für einen nahe Null Zins das Geld in vollen Zügen auf den Weltfinanzmärkten aufnehmen können. Die EZB vermehrt die Geldmenge fiktiv, so könnte man es ausdrücken, die dann als quasi reales Geld in den schwachen Euro-Ländern auftaucht. Das Risiko von Draghis Gelddruckerei, wie dieser Vorgang etwas verfälschend genannt wird, liegt von vorne herein darin, dass die fiktiven Geldmengen durch keine Realwirtschaft, insbesondere nicht durch die Realwirtschaften Griechenlands und der anderen geförderten Länder gedeckt sind.

Der strapazierte Vergleich mit dem Placebo-Effekt in der Medizin, den das Billionenkonstrukt auslösen soll, ist vollkommen unsinnig. Der medizinische Placebo basiert auf einem Irrtum des Patienten. Der glaubt nämlich, dass er ein wirksames medizinisches Medikament einnähme, obwohl ihm nur ein als Tablette kaschiertes Zückerli gegeben wird. So können Selbstheilungskräfte begünstigt werden. Bei Draghis Billionending verhält es sich jedoch diametral anders. Da wissen die Euro-Schwächlinge, dass ihnen milliardenschwere Geldspritzen verabreicht werden, mit denen diese Länder ihre Malaise in Erwartung immer neuer Spritzen ungestört fortführen können. Das „Zuscheißen“ der Pleitestaaten mit Geld bekämpft nicht die Ursache der Pleite, sondern es perpetuiert und vergrößert das Missmanagement, die Korruption, die Erbhöfe, den systematischen Betrug und die Wettbewerbsverzerrungen, die für die unbestrittenen Krisen der betroffenen Volkswirtschaften verantwortlich sind. Alle Programme, die seit 2010 zur Griechenlandrettung aufgelegt wurden, haben eines gemein: Sie regnen, wie Draghis Billionen, aus einem fiktiven Himmel Geld über Griechenland ab.

Bleibt nur der Grexit

Und damit kommt man zum Grexit, der von vielen, so auch von der Autorin, seit Jahren mit Engelszungen empfohlen wurde, vor allem im Interesse der Mehrheit der Menschen in Griechenland, aber auch im Interesse der Eurostaaten und der EU. Der von der Politik seit Jahren leichtfertig verschleppte Grexit muss ein wohl vorbereiteter Coup über Nacht mit möglichst großem Überraschungseffekt zu dem konkreten Zeitpunkt sein und über Nacht funktionieren, wie die Autorin es schon vor drei Jahren vorgeschlagen hat.

Oder wie es Hans-Werner Sinn jetzt ausdrückte, der Grexit muss an einem Wochenende erledigt sein. An allen möglichen berufenen und nicht berufenen Orten wird über die Stunde Null einer neuen griechischen Währung und über die Szenarien der dann einsetzenden Fördermaßnahmen diskutiert. Die neue Währung sollte vielleicht nicht wieder Drachme heißen, sondern um sich abzusetzen, aber auch Stärke zu zeigen, vielleicht „Zeus“ heißen. Das würde griechischen Stolz aktivieren und könnte eine psychodynamische Wertschöpfung eigener Art sein. 

Wenn die griechische Wirtschaft wieder, befreit von der Starkwährung namens Euro, mit einer eigenen Währung loslegen kann, sind die Wettbewerbschancen der Hellenen über Nacht qualitativ andere und bessere, als sie es im Euroverbund je waren oder im Euroverbund auf absehbare Zeit sein können. Ein moderiertes Lohnniveau, einen gewissen Verzicht auf importierten Luxus wird es geben, aber Zuversicht, die auf einer funktionierenden Volkswirtschaft basiert, wird auch entstehen. Wer die Psychologie in der Wirtschaft ernst nimmt oder für das Entscheidende hält, muss den Grexit mit anschließenden zeitlich limitierten Transferleistungen bevorzugen. Allerdings dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht fortgesetzt werden. Unkontrollierte Geldströme nach Griechenland, für die es nicht einmal den geringsten Dank von griechischer Seite gibt, darf es ab sofort nicht mehr geben. Ein Methodenwechsel in der Griechenlandförderung muss so oder so bis zum Grexit und danach ersonnen werden.

Wie dieser Methodenwechsel konkret aussehen könnte, lesen Sie morgen in Teil 2 Griechenland: „Graswurzelgeld statt Helikoptergeld“




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