Kommandiert Erdoğan eine deutsche Fregatte im UN-Einsatz?

Und wieder eine Demonstration deutscher Unterwürfigkeit gegenüber Erdoğans Türkei. Ankara verweigert sich der Durchsuchung eines Frachters vor Libyen. Die deutsche Marine kuscht, Merkel und AKK schweigen demütig.

picture alliance / AA

Die Türkei ist NATO-Mitglied. Die Türkei bekommt von Deutschland Waffen geliefert. 2019 ging es um einen Wert von 344,6 Millionen Euro und damit um mehr als ein Drittel der gesamten deutschen Kriegswaffenexporte. Die Türkei ist (offiziell immer noch) Kandidat für den Beitritt zur EU und bekommt als „Vorbeitrittshilfe“ auch 2020 168 Millionen Euro. Also ist doch alles in Butter! 

Nein, ist es eben nicht! Denn der Autokrat am Bosporus macht, was er will. Erdoğan schickt aktuell Truppen ins muslimisch geprägte Aserbaidschan, um damit das christlich geprägte Armenien zu schwächen. Die Türkei erkundet rechtswidrig im Gebiet südlich der griechischen Insel Rhodos Erdölvorkommen. Erdoğan beleidigt den französischen Staatspräsidenten Macron, als dieser einen verschärften Kampf gegen Islamismus ankündigt.

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Erdoğan diktiert aus der Entfernung, was die türkische Religionsbehörde über DITIB in Deutschlands Islamgemeinden und Moscheen tun darf und tun muss. Er macht in Deutschland Wahlkampf für sich. Er schickt türkische Kriminalbeamte nach Deutschland, wenn Türken hier durch eigenes Verschulden ums Leben kommen. Er hetzt im Kölner Stadion gegen Integration und nennt Assimilation ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er verweigert deutschen Bundestagsabgeordneten den Besuch von Bundeswehrsoldaten, die im türkischen Idlib wegen Syrien stationiert sind. Er sitzt über so manche Islamorganisation indirekt am Tisch der Deutschen Islamkonferenz des Bundesinnenministers. Er hat Deutschland mit der Drohung in der Hand, die Schleusen für neue Flüchtlingsströme nach Europa und damit vorzugsweise nach Deutschland zu öffnen … Er macht, was er will und gibt den großen Sultan.

Nun hat Erdoğan Deutschland erneut brüskiert. Die deutsche Marinefregatte „Hamburg“ sollte am Sonntagnachmittag, 22. November, ab späterem Nachmittag, im östlichen Mittelmeer etwa 150 Seemeilen nördlich der libyschen Stadt Bengasi 250 Container an Bord eines unter türkischer Flagge fahrenden Frachters kontrollieren. Der Frachter stand im Verdacht, Waffen nach Libyen zu transportieren und damit das UN-Waffenembargo zu unterlaufen. Die türkische Regierung protestierte dagegen, die Inspektion musste unterbrochen werden und das Containerschiff durfte weiterfahren. Die deutschen Marinesoldaten hatten bis dato zwar nichts Verdächtiges gefunden, sie konnten aber die Inspektion nicht zu Ende führen.

Der Hintergrund: Erdoğan behauptet eine gemeinsame Seegrenze zwischen der Türkei und Libyen, auch wenn in diesem Bereich die griechische Insel Kreta liegt. Nach Libyen schickte er Anfang 2020 sogar Soldaten zur Unterstützung des international anerkannten, aber reichlich machtlosen Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch, der über Tripolis hinaus kaum libysche Gebiete beherrscht – anders als sein Kontrahent General Chalifa Haftar, der über rund 80 Prozent der libyschen Ländereien gebietet und von Russland und Frankreich unterstützt wird.

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Der aktuelle Vorfall soll auch nicht der erste dieser Art gewesen sein. Bereits im Juni 2020 hatte die Türkei die Überprüfung eines unter tansanischer Flagge fahrenden Frachters verhindert. Das Schiff war von zwei türkischen Fregatten begleitet worden. Diese unterbanden Kontrollen durch eine griechische und eine italienische Fregatte. Als sich eine französische Fregatte, die im Rahmen der Nato-Operation „Sea Guardian“ unterwegs war, dem Konvoi näherte, richteten die Türken ihr Feuerleitradar auf das Kriegsschiff – ein aggressiver Vorgang unter Nato-Partnern. Es drehte daraufhin bei; Frankreich legte Protest bei der Allianz ein und verlangte eine Untersuchung. Die deutsche Marine hatte zudem im September erstmals ein türkisches Schiff auf dem Weg nach Libyen untersucht und einen Bruch des UN-Embargos verhindert. Damals entdeckte das deutsche Team auf dem Tanker „Red Diamond 7“ Kerosin, wie es üblicherweise für die Betankung von Kampfflugzeugen verwendet wird. 

Und dann? Nichts mehr! Berlin schweigt, Brüssel schweigt – sowohl als EU wie auch als NATO. Der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sagte, man habe wegen des Vorfalls die türkische Regierung kontaktiert und berichte derlei Fälle den Vereinten Nationen. Bei so viel lascher Reaktion wird Erdoğan weiter sein Unwesen treiben. Und er wird sich motiviert sehen, die Grenzen seines Handelns immer noch weiter auszudehnen.

Es ist lächerlich, was dieses „Europa” hier mal wieder (nicht) zustande bringt. Nicht einmal (oder schon gar nicht?) unter einer deutschen EU-Ratspräsidentschaft!

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Kommentare ( 26 )

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luxlimbus
3 Jahre her

Wenn Erdoğan in Bälde mit seinem Flugzeugträger das Mittelmeer unsicher macht, werden die Großmäuler der Altparteien sich, zwecks besserer Penetrierbarkeit, ein weiteres Loch bohren lassen. 

fatherted
3 Jahre her

Bitte immer daran denken…..in Deutschland leben über 10 Mio Türken (türkisch-stämmige mit 2. Ausweis….die sich in Mehrheit, wenn man sie fragt, immer für Türken halten werden und den Deutschen Pass nur als notwendiges Übel ansehen). Mit nur 1% Sympathisanten von Erdogan, die seinen Worten „robust“ folgen, hat die BRD einen nicht mehr einzufangenden Volksaufstand….und es wären bestimmt mehr als 1%. Deshalb muss man sich immer gewahr sein, dass man vor Erdogan kuschen muss….die Konsequenz bei harter Haltung, könnte das Ende der BRD bedeuten.

AlNamrood
3 Jahre her
Antworten an  fatherted

Das ist doch genau das was Merkel will. Nur nicht so kurz vor einer weiteren Amtszeit, vermutlich.

Schwabenwilli
3 Jahre her

Es ist lächerlich, was dieses „Europa” hier mal wieder (nicht) zustande bringt. 

Nicht nur hier. Stichwort: Armenien.
Es ist nicht mehr lächerlich, es ist abgrundtief beschämend.

Deutscher
3 Jahre her

Käpt´n Erdogan. Klingt doch gut.

Offenbar befehligt er schon seit Jahren eine ziemlich abgetakelte deutsche Fregatte – aber nicht auf dem Mittelmeer.

Last edited 3 Jahre her by Deutscher
Auchentoshan
3 Jahre her
Antworten an  Deutscher

Sehr schön…habe Tränen gelacht.

Manfred_Hbg
3 Jahre her

Zitat: „Der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sagte, man habe wegen des Vorfalls die türkische Regierung kontaktiert und berichte derlei Fälle den Vereinten Nationen.“ > Dass sich hier nicht „der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell“ lächerlich vorkommt solch eine Abtwort zu geben. UND die -wieder mal- schweigendde linksgrüne Deutsche Regierung, die braucht sich nicht mehr lächerlich vorkommen oder wegen ihren nicht Handeln und ihr dbzgl Schweigen zu schämen. Denn die im Bundestag sitzenden regierenden Witzfiguren werden doch mittlerweile sowieso nicht mehr für voll und ernst genommen. Also gibt es bei denen auch keinen Grund weshalb sie sich lächerlich fühlen oder… Mehr

EinBuerger
3 Jahre her

Absolut entscheidend sind die USA. Wie wird die neue Regierung der USA handeln?
Deutschland ist absolut feige. Frankreich und die Türkei sind militärisch etwa auf Augenhöhe. Russland ist der Türkei militärisch überlegen. Aber DER Riese, wenn er handelt, sind die USA.
Wäre ich Erdogan, würde ich versuchen über die linke Islam-Connection der Demokraten Einfluss auf die Regierung zu nehmen (ob das nun Biden ist oder wer auch immer die Regierung beherrscht).

StefanB
3 Jahre her

„Bei so viel lascher Reaktion wird Erdoğan weiter sein Unwesen treiben.“

Nicht umsonst unterwandern faschistoide türkische Gruppierungen, wie u.a. die Grauen Wölfe, ganz im Sinne Erdogans schon seit langem die CDU/CSU.* Und Letztere richten ohnehin all ihre Kraft auf den „Kampf gegen Rechts“ – natürlich nur im Inneren. Wenn die Rechtsextremen aus Vorderasien sukzessive das Kommando übernehmen, gehört das dagegen zur „neuen Normalität“.

*https://www.tichyseinblick.de/meinungen/cdu-und-csu-arbeiten-mit-graue-woelfe-zusammen/

Teide
3 Jahre her

„Es wird einem nichts erlaubt. Man muß es nur sich selber erlauben; dann lassen sich’s die andern gefallen oder nicht.“ (Geh. Rath v. Goethe, 6. Aug. 1811)

Marcel Seiler
3 Jahre her

Erdogan weiß, dass er bereit ist zu schießen, Europa aber nicht. Solange das so ist, kann er Europa diktieren, wie er will. „Wer den Frieden will, muss für den Krieg vorbereitet sein.“ Europa will nicht für den Krieg vorbereitet sein, sondern lieber weggucken. Und der organisierte Islam rückt vor…

Last edited 3 Jahre her by Marcel Seiler
jopa
3 Jahre her

Wenn ich Verteidigungsminister wäre, hätte ich sofort alle deutschen Schiffe abgezogen, weil eine Kontrolle, die nicht kontrollieren darf, sinnlos und eine Vergeudung von Steuergeld ist.

Wolfsohn
3 Jahre her
Antworten an  jopa

…ganz abgesehen von sofortigen Handelssanktionen.